Cum/Cum-Geschäfte – und die steuerliche Neubewertung

Bei den sogenannten Cum/Cum-Geschäften kann eine Kompensationszahlung nicht mit dem Argument zurückverlangt, dass die Kapitalertragsteuer entfallen sei. Aufgrund einer derartigen steuerlichen Neubewertung besteht kein Bereicherungsanspruch.

Cum/Cum-Geschäfte – und die steuerliche Neubewertung

In dem hier vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall hatten die beteiligten Banken sogenannte Cum/Cum-Transaktionen getätigt. Die klagende Bank vereinnahmte in diesem Zusammenhang Dividenden für von der beklagten Bank auf sie vor dem Stichtag übertragene Wertpapiere, führte die Kapitalertragssteuer ab und brachte die Beträge im Rahmen ihrer Körperschaftssteuererklärung zur Anrechnung. Für die erhaltenen Dividenden zahlte sie an die beklagte Bank eine Kompensation. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte nun, dass die Erwerberin diese Kompensationszahlungen nicht mit dem Argument zurückverlangen könne, die steuerliche Bewertung habe sich geändert und die Anrechnungsmöglichkeit der auf die Dividenden entrichteten Kapitalertragssteuer sei entfallen.

Die Parteien sind im Inland tätige Banken. Sie streiten um bereicherungsrechtliche Ansprüche aus Wertpapierdarlehensgeschäften in den Jahren 2013-2015. Den – auf der Grundlage eines Rahmenvertrags durchgeführten – Geschäften lagen sog. Cum/Cum-Gestaltungen zugrunde. Diese laufen typischerweise wie folgt ab: Unmittelbar vor einem Dividendenstichtag werden inländische Aktien von regelsteuerpflichten Ausländern zur Vermeidung einer Definitivbelastung mit Kapitalertragssteuer auf eine voll kapitalsteueranrechnungsberechtigte steuerinländische Bank A (hier die beklagte, veräußernde Bank) übertragen. Bank A überträgt diese zur Absicherung für eine gleichzeitige Leihe von festverzinslichen Wertpapieren sodann an eine inländische voll kapitalsteueranrechnungsberechtigte Bank B (hier die klagende, erwerbende Bank). Die überlassenen – oder durch andere ersetzten – Wertausgleichsaktien werden nach dem Dividendenstichtag an Bank A zurückübertragen. Die Finanzverwaltung hatte entsprechende Wertpapierleihgeschäfte im Wesentlichen bis 2016 gebilligt und die Kapitalertragssteueranrechnung beim Steuerinländer erstattet.

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Zwischen den Parteien kam es 2013 bis 2015 zu neun – den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden – Wertpapierdarlehensgeschäften. Dabei übertrug die Erwerberin jeweils festverzinsliche Wertpapiere gegen eine Leihgebühr auf die Veräußerin. Zur Sicherheit wurden der Erwerberin von der Veräußerinn Aktien inländischer Emittenten ausländischer Herkunft übertragen. Die Transaktionen erfolgten nach einem vorab bestimmten Fahrplan: Nach jedem Dividendenstichtag wurden der Erwerberin neue Aktien zur Sicherheit übertragen, die nach Vereinnahmung der Dividende zurückübertragen wurden. Die Dividendenstichtage fielen regelmäßig in den jeweiligen Zeitraum der Überlassung der Wertpapierausgleichsaktien. Die Erwerberin vereinnahmte aus den übertragenen Aktien die Dividenden. Sie behielt zudem die Kapitalertragssteuer ein, führte sie an das zuständige Finanzamt ab und brachte im Rahmen der Körperschaftssteuererklärung die Beträge zur Anrechnung. Für die entgangenen Dividendeneinnahmen zahlte sie der Veräußerinn eine Kompensation.

Im Sommer 2017 nahm das Bundesfinanzministerium zur steuerlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen Stellung und führte aus, wann von einer missbräuchlichen Umgehung der Dividendenbesteuerung auszugehen ist. Im selben Jahr wurden die Wertpapiergeschäfte der Erwerberin einer Betriebsprüfung unterzogen.

Die Erwerberin nimmt die Veräußerin auf Zahlung von gut 13 Mio. € wegen unberechtigter Bereicherung in Anspruch. Sie behauptet, als Ergebnis der Betriebsprüfung sei ihr die Anrechnung einbehaltener Kapitalertragssteuer nachträglich teilweise versagt worden. Damit stellten sich die an die Veräußerin geleisteten Kompensationszahlungen als zu hoch dar.

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Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen1. Die hiergegen gerichtete Berufung der Erwerberin hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main keinen Erfolg:

Der Erwerberin stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der Kompensationszahlungen gegen die Veräußerin zu, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Die spätere Änderung der steuerlichen Behandlung führe nicht dazu, dass der rechtliche Grund für die erhaltenen Kompensationszahlungen nachträglich (teilweise) weggefallen sei. Die Zahlungen seien nach Maßgabe der Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags erfolgt, der keine Rückzahlungspflicht vorsehe. Für eine ergänzende Vertragsauslegung oder eine Anpassung des Rahmenvertrags sei kein Raum.

Bei verständiger Auslegung des Vertrags komme es für die Kompensationszahlungen auf die Anrechnungs- und Steuervoraussetzungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Ausgleichszahlung an. Nachträgliche Änderungen der Finanzverwaltungspraxis wirkten sich nicht aus. Die von den Parteien gewählte Gestaltung sei seinerzeit von der Finanzverwaltung zwar gebilligt worden, es sei jedoch ein Restrisiko verblieben. Dieses Risiko sei von den Parteien erkannt und im Ergebnis der Sphäre der Erwerberin zugewiesen worden. Die Erwerberin habe für ihr Tätigwerden ein Entgelt von 2% der Bruttodividende erhalten, was dem 40-fachen der sonst bei Wertpapiergeschäften üblichen Gebühr von 0,05% entsprochen habe. Es liege auf der Hand, dass die Erwerberin diese Marge nicht ohne gleichzeitige Übernahme der steuerlichen Risiken des Geschäfts hätte erwarten können.

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Ergänzend weist das Oberlandesgericht darauf hin, dass die Erwerberin auch nicht schlüssig dargelegt habe, dass und in welchem Umfang ihr die Erstattung bzw. Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragssteuer auf die vereinnahmten Dividenden tatsächlich versagt worden sei. Die Veräußerin hatte nachträgliche Rückforderungsbescheide der Finanzbehörden zulasten der Erwerberin bestritten.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 8. September 2023 – 10 U 75/20

  1. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.03.2020 – 2-10 O 318/18[]