Tarifverträge – und ihre Auslegung

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat.

Tarifverträge – und ihre Auslegung

Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen.

Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt1.

Die Auslegung der Tarifnorm durch das Landesarbeitsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbar2.

Tarifnormen sind grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht geraten. Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigem Recht in Einklang stehen und damit auch Bestand haben. Lässt eine Tarifnorm eine Auslegung zu, die zu einem mit höherrangigem Recht vereinbaren Ergebnis führt, ist sie in diesem Sinne anzuwenden3.

Weiterlesen:
Effektiver Rechtsschutz in Strafvollstreckungssachen - und die Auslegung der Anträge

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2019 – 5 AZR 39/19

  1. st. Rspr., vgl. nur BAG 26.10.2016 – 5 AZR 226/16, Rn. 25[]
  2. BAG 12.12 2018 – 4 AZR 147/17, Rn. 35, BAGE 164, 326[]
  3. vgl. BAG 21.02.2013 – 6 AZR 524/11, Rn.19, BAGE 144, 263[]