Streiten die Betriebsparteien über die Rechtswirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses zu beantragen, § 256 Abs. 1 ZPO1. Am Verfahren sind die Arbeitgeberin sowie der Betriebsrat zu beteiligen. Dieser ist gemäß § 21b BetrVG auch nach der Stilllegung des Betriebs noch im Amt, da dies zur Wahrnehmung seines Mitbestimmungsrechts nach § 112 BetrVG weiter erforderlich ist2.

Der Einigungsstellenspruch unterliegt der gerichtlichen Überprüfung nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat den ihr zugeleiteten Einigungsstellenspruch innerhalb der Zweiwochenfrist eim Arbeitsgericht gerichtlich angefochten und die mangelnde wirtschaftliche Vertretbarkeit gerügt.
Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle nach § 76 Abs. 5 Satz 4, § 112 Abs. 5 BetrVG ist, ob sich der Spruch der Einigungsstelle als angemessener Ausgleich der Belange des Betriebs und Unternehmens auf der einen und der betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite erweist. Maßgeblich ist allein die getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Grenzen des Ermessens muss in ihr selbst als Ergebnis des Abwägungsvorgangs liegen. Auf die von der Einigungsstelle angestellten Erwägungen kommt es nicht an. Die Frage, ob die der Einigungsstelle gezogenen Grenzen des Ermessens eingehalten sind, unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Es geht um die Wirksamkeit einer kollektiven Regelung, die von der Wahrung des der Einigungsstelle eingeräumten Gestaltungsrahmens abhängig ist. Insoweit gilt nichts anderes als für die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen3.
Die Einigungsstelle hat nach § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG bei ihrer Entscheidung über einen Sozialplan sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Im Rahmen billigen Ermessens muss sie unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls Leistungen zum Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorsehen, dabei die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigen und bei der Bemessung des Gesamtbetrags der Sozialplanleistungen darauf achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach der Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG). Der Ausgleichs- und Milderungsbedarf der Arbeitnehmer bemisst sich nach den ihnen entstehenden Nachteilen. Der wirtschaftlichen Vertretbarkeit kommt dabei eine Korrekturfunktion zu. Die Einigungsstelle hat von dem von ihr vorgesehenen Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile abzusehen, wenn dieser den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung stellt damit für sie eine Grenze der Ermessensausübung dar4. Ist der für angemessen erachtete Ausgleich von Nachteilen der Arbeitnehmer für das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar, ist das Sozialplanvolumen bis zum Erreichen der Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu mindern. Die gebotene Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens kann die Einigungsstelle sogar zum Unterschreiten der aus § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG folgenden Untergrenze des Sozialplans zwingen. Erweist sich auch eine noch substanzielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile als für das Unternehmen wirtschaftlich unvertretbar, ist es nach § 112 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 BetrVG zulässig und geboten, von einer solchen Milderung abzusehen5.
Die wirtschaftliche Vertretbarkeit iSd. § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG richtet sich grundsätzlich auch dann nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des sozialplanpflichtigen Arbeitgebers, wenn das Unternehmen einem Konzern angehört. Dies zeigt der eindeutige Wortlaut von § 112 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Nur in Bezug auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ist nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG eine konzernbezogene Betrachtung vorzunehmen. Auch die Gesetzesmaterialien weisen nicht darauf hin, dass anstelle des Unternehmens auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns abzustellen ist6.
§ 112 Abs. 5 BetrVG bestimmt nicht die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans. Maßgeblich sind die Gegebenheiten des Einzelfalls. Dabei ist grundsätzlich von Bedeutung, ob und welche Einsparungen für das Unternehmen mit der Betriebsänderung verbunden sind, deren nachteilige Auswirkungen auf die Arbeitnehmer der Sozialplan kompensieren soll. Der Umstand, dass sich ein Unternehmen bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, entbindet es nach den Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht von der Notwendigkeit, weitere Belastungen durch einen Sozialplan auf sich zu nehmen. Sogar in der Insolvenz sind Betriebsänderungen gemäß § 123 InsO sozialplanpflichtig. Bei der Prüfung, wie sehr der Sozialplan das Unternehmen belastet und ob er möglicherweise dessen Fortbestand gefährdet, ist sowohl das Verhältnis von Aktiva und Passiva als auch die Liquiditätslage zu berücksichtigen. Führt die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeiten zu einer Illiquidität, zur bilanziellen Überschuldung oder zu einer nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals, ist die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit regelmäßig überschritten7. Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen seinen einzigen Betrieb stilllegt. Wie § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG zeigt, unterscheidet das Gesetz ausdrücklich zwischen dem Unternehmen und dem Betrieb. Bei einer vollständigen Betriebsstilllegung besteht das Unternehmen – als Rechtsträger des Betriebs – grundsätzlich fort. Allerdings darf in diesem Fall nicht außer Acht bleiben, dass nach Durchführung der Betriebsänderung keine Arbeitsplätze mehr vorhanden sind, die durch den Gesamtbetrag der Sozialplanleistungen gefährdet werden könnten.
Für die gerichtliche Kontrolle der Sozialplandotierung durch die Einigungsstelle bedeutet dies, dass der Anfechtende die Überschreitung einer dieser Ermessensgrenzen dartun muss. Ficht der Arbeitgeber den Sozialplan wegen mangelnder wirtschaftlicher Vertretbarkeit an, hat er entweder darzulegen, dass dessen Regelungen zu einer Überkompensation der eingetretenen Nachteile führen und deshalb schon die Obergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzen, oder dass sie die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen überschreiten. Sollte dies mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse allein des Arbeitgebers zu bejahen sein, liegt darin allerdings nur dann ein Ermessensfehler der Einigungsstelle, wenn nicht ein Bemessungsdurchgriff auf Konzernobergesellschaften rechtlich geboten ist8.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 ABR 85/11
- BAG 23.03.2010 – 1 ABR 82/08, Rn. 11, BAGE 133, 373[↩]
- vgl. BAG 15.03.2011 – 1 ABR 97/09, Rn. 13, BAGE 137, 203[↩]
- BAG 15.03.2011 – 1 ABR 97/09, Rn. 16 mwN, BAGE 137, 203[↩]
- BAG 15.03.2011 – 1 ABR 97/09, Rn. 18, BAGE 137, 203[↩]
- BAG 24.08.2004 – 1 ABR 23/03, zu B III 2 c cc der Gründe, BAGE 111, 335[↩]
- BAG 15.03.2011 – 1 ABR 97/09, Rn.20, BAGE 137, 203[↩]
- BAG 15.03.2011 – 1 ABR 97/09, Rn. 21, BAGE 137, 203; 6.05.2003 – 1 ABR 11/02, zu B II 2 e cc (3) und (4) der Gründe, BAGE 106, 95[↩]
- BAG 24.08.2004 – 1 ABR 23/03, zu B III 2 c dd der Gründe, BAGE 111, 335[↩]