Darlehen als wohngeldrechtliches Einkommen?

Gemäß § 14 Abs. 1 WoGG ist Jahreseinkommen grundsätzlich die Summe der positiven Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 EStG. Als wiederkehrender Bezug im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG könnten Unterhaltszahlungen danach bei der Ermittlung des Jahreseinkommens nach dem WoGG zu berücksichtigen sein; würde nach §§ 22 Nr. 1 Satz 2 und 3 EStG eine steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen beim Empfänger nicht erfolgen, erweitert § 14 Abs. 2 WoGG das Jahreseinkommen in seiner Nr. 19 um diejenigen Unterhaltsbeträge, die steuerlich nicht beim Empfänger zu berücksichtigen wären.

Darlehen als wohngeldrechtliches Einkommen?

Einem Leistungsberechtigten nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistungen sind kein Einkommen im Sinne des Wohngeldrechts1. Andererseits hat das Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, Darlehen, die für den Lebensunterhalt verwendet werden, müssten jedenfalls dann wie Einnahmen behandelt werden, wenn mit der Rückzahlung entweder überhaupt nicht oder doch nur bei Eintritt eines ungewissen Ereignisses gerechnet werden könne2. Sämtliche Entscheidungen standen indes im Zusammenhang mit § 18 2. Wohngeldgesetz, wonach Wohngeld nicht gezahlt wurde, wenn es zur Vermeidung sozialer Härten nicht erforderlich war. Nur so lässt es sich verstehen, wenn das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1972 ausführt, letztlich komme es darauf an, in der den Umständen nach gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Grundsatz zu verwirklichen, der im Urteil BVerwGE 23, 331 (340) mit den folgenden Worten aufgestellt worden sei: Führe der Mieter einen aufwendigen Haushalt, der seinen (nachgewiesenen) Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht entspreche, so könne er nicht verlangen, im Rahmen des Wohngeldrechts so behandelt zu werden, als stände ihm nur das nachweisbare Einkommen zur Verfügung. Eine vergleichbare Vorschrift findet sich in der dem § 18 a.F. entsprechenden Regelung des § 21 WoGG nicht -mehr-.

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Entscheidend dürfte darauf abzustellen sein, ob eine Darlehensabrede zivilrechtlich wirksam ist. Ist sie es, handelt es sich bei der Auszahlung der Darlehenssumme nicht um Einkommen; ist sie es nicht, handelt es sich um Unterhaltszahlungen, die nach den genannten Bestimmungen Einkommen des Leistungsberechtigten sind. Die Frage, ob es sich um eine zivilrechtlich wirksame Darlehensabrede handelt, richtet sich nach denselben Kriterien, die das Bundesverwaltungsgericht jüngst für das Recht der Ausbildungsförderung aufgestellt hat3. Es hat dort u.a. ausgeführt:

„Für die Frage, ob ein behauptetes Darlehen als bestehende Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG anzuerkennen ist, ist allein maßgeblich, ob ein Darlehensvertrag zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden auch nachgewiesen werden kann. Weil und soweit der für den Auszubildenden förderungsrechtlich günstige Umstand, ob und in welchem Umfang er vermögensmindernde Schulden hat, seine Sphäre betrifft, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten. Der Senat berücksichtigt dabei, dass gerade auch im Ausbildungsförderungsrecht die Gefahr des Missbrauchs bestehen kann, wenn der Auszubildende die Behauptung aufstellt, er habe mit einem nahen Angehörigen einen sein Vermögen mindernden Darlehensvertrag geschlossen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, ist es geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit der Verträge strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt etwa voraus, dass sich die Darlehensgewähr auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Die Ämter für Ausbildungsförderung und die Tatsachengerichte haben ihrerseits zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu ermitteln und umfassend zu würdigen. Soweit die relevanten Umstände in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, ist es gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen4.

Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aber aus, dass die Annahme einer wirksam begründeten Darlehensschuld unter Angehörigen nicht zwingend einem strikten Fremdvergleich in dem Sinne standhalten muss, dass sowohl die Gestaltung (z.B. Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden – insbesondere mit einem Kreditinstitut – Üblichen zu entsprechen hat5. Dass etwa eine schriftliche Vereinbarung getroffen worden ist, die Abreden über Zinsen sowie darüber vorsieht, dass der Rückzahlungsanspruch jedenfalls bei längerer Laufzeit ausreichend (dinglich) gesichert ist, ist auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Missbrauchsabwehr ausbildungsförderungsrechtlich nicht zwingend zu verlangen.

Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten Vertragspflichten) kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substanziiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann oder der bezeichnete Grund nicht dazu geeignet ist, eine genügende Abgrenzung gegenüber einer Schenkung oder einer freiwilligen Unterstützung bzw. Unterhaltszahlung zu ermöglichen. Zweifel am Vertragsschluss können ferner berechtigt sein oder bestätigt werden, wenn die Durchführung des Darlehensvertrages nicht den Vereinbarungen entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss werten, wenn der Auszubildende eine etwaige Darlehensverpflichtung nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet, sondern gewissermaßen zum Zwecke der Saldierung erst angegeben hat, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Dagegen kann es für das Vorliegen eines beachtlichen Darlehensverhältnisses während eines in der Vergangenheit liegenden Bewilligungszeitraums sprechen, wenn das Darlehen bereits zu dem Zeitpunkt zurückgezahlt worden war, zu dem es der Auszubildende zum ersten Mal offenlegte und sich damit erstmals die Frage seiner ausbildungsförderungsrechtlichen Anrechnung stellte.“

Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 19. April 2010 – 2 A 201/08

  1. BVerwG, Urteil vom 19.10.1977 -VIII C 20.77, BVerwGE 54, 358; Urteil vom 25.05.1984 -8 C 96.82, BVerwGE 69, 248[]
  2. BVerwG, Urteil vom 30.11.1972 -VIII C 81.71; BVerwGE 41, 220[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 04.09.2008 -5 C 30.07; BVerwGE 132, 10[]
  4. vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.1995 – 2 BvR 802/90, BB 1995, 2624, 2625, m.w.N.[]
  5. zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs siehe BFH, Urteil vom 04.06.1991 – IX R 150/85, BFHE 165, 53; Beschluss vom 25.06.2002 – X B 30/01, BFH/NV 2002, 1303[]
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