Ein offener Pritschenwagen als Unterkunft

Ein offener Pritschenwagen ist nicht mit einer privaten Wohnung vergleichbar. So dass ein Leistungsempfänger nach dem SGB II keinen Anspruch auf Unterkunftskosten hat.

Ein offener Pritschenwagen als Unterkunft

Mit dieser Begründung hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in dem hier vorliegenden Fall eines Obdachlosen die Übernahme der Wohnungskosten durch das zuständige Jobcenter verweigert. Der 60 Jahre alte Leistungsempfänger hat für einen offenen Pitschenwagen, in dessen Fahrerkabine er die Nächte verbringt, bei seinem Jobcenter Kosten der Unterkunft geltend gemacht. Solange das Jobcenter angenommen hat, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine Art Wohnmobil mit geschlossenem Überbau handelt, hat es dem Leistungsempfänger die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung sowie eine Heizkostenpauschale für die vorhandene Standheizung erstattet.

Nach § 19 Abs. 1, Satz 1 SGB II haben erwerbstätige Leistungsberechtigte Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Wobei gemäß § 19 Abs. 1, Satz 3 SGB II zu den Leistungen nicht nur der Regelbedarf, sondern auch Mehrbedarfe und der Bedarf für Unterkunft und Heizung zählen. Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Nach einer Besichtigung des Fahrzeugs Ende 2013 stellte das Jobcenter die Zahlungen ein. Die Weigerung wurde damit begründet, dass in dem offenen Wagen ein Mindestmaß an Privatsphäre nicht gewährleistet sei. Außerdem fehle es an der Vergleichbarkeit mit einer privaten Wohnung, die einen längeren Aufenthalt ermögliche. Dagegen hat der Obdachlose vor dem Sozialgericht Konstanz Klage erhoben und geltend gemacht, der deutsche Sozialstaat verweigere ihm sein menschenwürdiges Existenzminimum. Nachdem die Klage abgewiesen worden ist, hat der Kläger sein Ziel mit der Berufung weiter verfolgt.

Aber auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat sich gegen Hartz IV Unterstützung bezüglich der Unterkunftskosten im Falle des 60jährigen ausgesprochen. In seiner Urteilsbegründung hat es augeführt, dass im Sinne des SGB II der offene Pritschenwagen keine Unterkunft ist, für die Kosten übernommen werden können. Im einzelnen beschreibt das Landessozialgericht den Pritschenwagen als ein Fahrzeug mit lediglich einem geschlossenen einreihigen Fahrerhaus. Die dort untergebrachte Sitzbank besteht aus drei Sitzplätzen. Darüber hinaus gibt es keine Rückbank und die Ladefläche ist offen. Im Vergleich mit einer Wohnung sind nach Ansicht des Landessozialgerichts ein gewisses Maß an Hygiene, Komfort oder auch ein ungestörter Kleidungswechsel nicht möglich. Durch die fehlende Ausstattung, den geringen Platz und nicht zuletzt der deutlichen Einsehbarkeit des Innenbereichs kann von Privatsphäre nur ansatzweise die Rede sein. Danach ist ein solcher Pritschenwagen nicht mit einer Wohnung zu vergleichen.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg sind die Leistungen im SGB II zur Deckung der notwendigen Bedarfe vom Gesetzgeber auch nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen worden.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 2016 – L 9 AS 5116/15