Rechtsmittelbefugnis eines Nichtbeteiligten

Zur Einlegung eines Rechtsmittels (Revision, Nichtzulassungsbeschwerde) ist zwar nur derjenige berechtigt, der in der Vorinstanz am Verfahren beteiligt (vgl. § 57 FGO) war. Maßgebend ist insoweit grundsätzlich die tatsächliche Beteiligung, so dass auch solche Personen nicht zur Einlegung eines Rechtsmittels berechtigt sind, die am Verfahren der Vorinstanz hätten beteiligt werden können oder müssen, tatsächlich aber nicht beteiligt waren. Besteht allerdings gerade Streit darüber, wer am Klageverfahren tatsächlich beteiligt war, so gebietet es der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, auch denjenigen als zur Einlegung eines Rechtsmittels berechtigt anzusehen, der geltend macht, tatsächlich am Klageverfahren beteiligt gewesen zu sein1.

Rechtsmittelbefugnis eines Nichtbeteiligten

Steuerschuldner und Adressat eines Gewerbesteuermessbescheids bei einer atypisch stillen Gesellschaft ist der tätige Gesellschafter als Inhaber des Handelsgeschäfts, im Streitfall die GmbH2. Dementsprechend kann im Streitfall auch nur die GmbH als Klägerin mit Aussicht auf Erfolg geltend machen, durch den geänderten Gewerbesteuermessbescheid in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die mit Schriftsatz vom 20.11.2008 erhobene Klage lässt entgegen der Auffassung des Finanzgerichts auch hinreichend Raum für die Auslegung, dass sie, jedenfalls soweit sie sich gegen den geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2003 richtete, von der GmbH und nicht von der GmbH & atypisch Still erhoben wurde.

Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, Prozesserklärungen in entsprechender Anwendung des § 133 BGB auszulegen. Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nur das Gewicht der mit der Erklärung verbundenen Rechtsfolgen, sondern vor allem auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang und mit welcher Intensität der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz durch die in Frage stehende Prozesserklärung berührt wird. Eine unklare Prozesserklärung ist im Hinblick auf Art.19 Abs. 4 des Grundgesetzes im Zweifel so auszulegen, dass das Ergebnis dem Willen eines verständigen Beteiligten entspricht. Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater vertreten wird, schließt dabei eine Rechtsschutz gewährende Auslegung nicht aus. Nur wenn die Prozesserklärung klar und eindeutig ist und offensichtlich dem bekundeten Willen des Beteiligten entspricht, besteht grundsätzlich kein Raum für eine gegenteilige Auslegung.

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Eine solche klare und eindeutige Aussage enthalten die Schriftsätze der Klägerseite im Streitfall aber nicht. Zwar wird die Klage, die sich nicht nur gegen geänderte Gewerbesteuermessbescheide, sondern auch gegen geänderte Feststellungsbescheide richtete, in den Schriftsätzen der Klägerseite zunächst jeweils als eine solche „in Sachen“ der GmbH & atypisch Still bezeichnet. Die vorgelegte Vollmacht wurde jedoch von der Geschäftsführerin der GmbH unterzeichnet. Das lässt Raum für die Auslegung, dass die Klage, jedenfalls soweit sie sich gegen die geänderten Gewerbesteuermessbescheide richtete, nicht von der GmbH & atypisch Still, sondern von der GmbH erhoben wurde. Dieser möglichen –Rechtsschutz gewährenden– Auslegung steht auch der Schriftsatz der Klägerseite vom 09.10.2009 nicht entgegen. Dort heißt es zwar zunächst, es werde klargestellt, dass Klägerin die GmbH & atypisch Still sei und nicht Herr X. Diese Erklärung ist jedoch im Zusammenhang mit der vorangehenden Stellungnahme des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) vom 15.06.2009 zu sehen, auf die sie sich bezieht. Dort hatte das FA Herrn X als Kläger bezeichnet, der an der GmbH als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt war. Wenn in dem Schriftsatz der Klägerseite vom 09.10.2009 dazu „klargestellt“ wird, dass Klägerin die GmbH & atypisch Still sei und nicht Herr X persönlich, der am Verfahren nur als Vertreter der Klägerin beteiligt sei, lässt sich daraus nicht eindeutig der Schluss ziehen, dass Klägerin allein die GmbH & atypisch Still sein sollte und nicht jedenfalls hinsichtlich der geänderten Gewerbesteuermessbescheide die diesbezüglich allein klagebefugte GmbH.

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Die Klage gegen den geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2003, die allein noch Gegenstand des angegriffenen Urteils des Finanzgerichts war, ist danach im Wege Rechtsschutz gewährender Auslegung als eine solche der GmbH anzusehen. Das Finanzgericht hätte sie somit nicht als eine solche der GmbH & atypisch Still ansehen und mangels Klagebefugnis als unzulässig abweisen dürfen.

  1. vgl. BFH, Beschlüsse vom 19.07.2005 – XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68; und vom 20.11.2003 – VII B 124/03, BFH/NV 2004, 362[]
  2. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 28.03.2003 – VIII B 194/01, BFH/NV 2003, 1308; BFH, Urteil vom 31.08.1999 – VIII R 22/98, BFH/NV 2000, 420[]