Der Bestand des Einlagekontos eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebs gewerblicher Art (BgA) ist nach § 27 Abs. 7 i.V.m. § 27 Abs. 2 KStG weder an die Gewinnermittlungsart noch an das Überschreiten der jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG gebunden.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG hat eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in ihr Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres auf einem besonderen Konto, dem sog. steuerlichen Einlagekonto, auszuweisen. Das Konto ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 KStG ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben. Der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird dabei nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG gesondert festgestellt. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist nach § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt1. Für die gesonderte Feststellung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG gelten nach § 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß.
Die Regelungen in § 27 Abs. 1 bis 6 KStG gelten gemäß § 27 Abs. 7 KStG sinngemäß für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, die Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 oder 10 EStG gewähren können. Zwischen den Beteiligten steht insoweit nicht im Streit, dass die Kommune zu diesen anderen Körperschaften gehörte, die im Streitjahr Leistungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG gewährt hat. Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn und verdeckte Gewinnausschüttungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA i.S. des § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt oder Umsätze erzielt, die bestimmte Grenzbeträge überschreiten2. Die Kommune unterhielt mit der Trinkwasserversorgung einen BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit und überschritt im Streitjahr erstmals die in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ausgewiesenen Grenzbeträge – also Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 10 des Umsatzsteuergesetzes, von mehr als 350.000 € im Kalenderjahr oder einen Gewinn von mehr als 30.000 € im Wirtschaftsjahr. Insoweit hat die Kommune mit ihrem BgA „Trinkwasserversorgung“, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, erstmals im Streitjahr einen Gewinn von mehr als 30.000 € erzielt. Demgemäß waren die Kapitalerträge des Streitjahres bei der Trägerkörperschaft steuerpflichtig und das steuerliche Einlagekonto gemäß § 27 KStG zum 31.12.2011 gesondert festzustellen.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 KStG ist das steuerliche Einlagekonto ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu ermitteln. Eine bindende Feststellung des Vorjahres, die Grundlage für die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos im Streitjahr sein könnte, liegt indessen bislang nicht vor. Der bestandskräftige Bescheid zum 31.12.2006 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG, in dem das steuerliche Einlagekonto mit 0 € festgestellt wurde, kann schon deshalb kein Grundlagenbescheid für den Bescheid zum 31.12.2011 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG sein, weil er nach § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG Grundlagenbescheid nur für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt sein kann. Eine Bindungswirkung über diesen Zeitpunkt hinaus ist nach dem eindeutigen Normwortlaut ausgeschlossen.
Eine gesonderte Feststellung kann auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 AO).
Hierdurch soll verhindert werden, dass die rechtliche Verselbständigung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu materiell unrichtigen Steuerfestsetzungen führt, obwohl die entsprechenden Steuern (hier: Körperschaftsteuer 2012) noch nicht verjährt sind3.
Das setzt voraus, dass eine entsprechende Feststellung möglich ist. Das Finanzgericht ist insoweit unzutreffend davon ausgegangen, dies sei deshalb nicht der Fall, weil in den Jahren 2007 bis 2010 die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG nicht vorlagen. Eine solche konkrete Betrachtungsweise4 lässt sich mit dem Wortlaut und dem Telos des § 27 KStG indessen nicht vereinbaren5.
Hiernach kommt es nicht auf die tatsächliche Leistungsgewährung entsprechend den vorgenannten Einkunftstatbeständen in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen, sondern -entsprechend der konjunktivischen Wortfassung („können“)- lediglich darauf an, ob die persönlichen Voraussetzungen dieser Tatbestände (hier: Kommune als Trägerkörperschaft des BgA) erfüllt sind. Die Feststellung des Einlagekontos ist hingegen weder an die Gewinnermittlungsart noch an das Überschreiten der jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG gebunden (sachlich-abstrakte Betrachtung).
Nur dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Telos des § 27 KStG. Das Einlagekonto soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers fortlaufend festgestellt werden. Feststellungsunterbrechungen würden diesem Konzept zuwiderlaufen. Das gilt insbesondere, soweit mit Blick auf die angesprochenen Betragsgrenzen ansonsten nur für einzelne Jahre Feststellungen zu erfolgen hätten. Demgemäß ist die Frage nach der Feststellung des Einlagekontos von der Höhe der Gewinne und der Gewinnermittlungsart zu trennen; auch kann es in Jahren ohne Gewinn zu Einlagen oder Einlagerückzahlungen kommen. Dafür spricht auch, dass § 27 Abs. 7 KStG nur die Regelungen der vorstehenden Absätze für andere Körperschaften anwendbar machen soll6.
Soweit das Finanzamt vorgetragen hat, der Erlass nachträglicher Feststellungsbescheide führe zu erheblichem Verwaltungsaufwand, ist dem aus zwei Gründen entgegenzutreten: Soweit das Finanzamt insoweit den mit der Ermittlung der Höhe des steuerlichen Einlagekontos zu den jeweiligen Feststellungszeitpunkten verbundenen Verwaltungsaufwand anspricht, so fällt dieser -wie die vom Finanzamt im Streitfall für die Jahre 2007 bis 2010 vorgenommene informelle Berechnung zeigt- ohnehin an, weil ansonsten die Ermittlung des Bestandes zum streitrelevanten Feststellungszeitpunkt (hier: 31.12.2011) ausgeschlossen wäre. Es ist auch unzutreffend, wenn das Finanzamt meint, die vom Bundesfinanzhof befürwortete Auslegung führe nun zu einer generellen Feststellungspflicht. Die Feststellungen sind nur dann nachträglich zu treffen, wenn ein entsprechender Anlass (hier: erstmaliges Erreichen der in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG genannten Betragsgrenzen) besteht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. September 2020 – I R 12/17
- BFH, Urteil vom 11.09.2013 – I R 77/11, BFHE 242, 481, BStBl II 2015, 161[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 242, 481, BStBl II 2015, 161[↩]
- BFH, Urteil vom 23.09.1999 – IV R 56/98, BFHE 189, 351[↩]
- ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.03.2006 – 6 K 177/03, EFG 2006, 1008; Blümich/Oellerich, § 27 KStG Rz 75c; Endert in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 27 KStG Rz 259; wohl auch Bundesministerium der Finanzen vom 09.01.2015, BStBl I 2015, 111, Rz 46 i.V.m. Rz 43[↩]
- zutreffend FG Köln, Urteil vom 14.01.2010 – 13 K 3157/05, EFG 2010, 1066; Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 27 Rz 197; Berninghaus in Herrmann/Heuer/Raupach, § 27 KStG Rz 145; Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 27 Rz 129; Schober, EFG 2017, 692[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/6882, S. 38, dort zur gleichlautenden Vorgängerregelung[↩]