Entstehung der Energiesteuer bei Abgabe an einen Nichtberechtigten

Eine Abgabe von Energieerzeugnissen i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG liegt auch in den Fällen vor, in denen der Abgebende einer anderen Person aufgrund eines vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses den mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen verschafft.

Entstehung der Energiesteuer bei Abgabe an einen Nichtberechtigten

Die in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG getroffene Regelung kann nicht als allgemeine Heilungsvorschrift verstanden werden, die ungeachtet eines Zwischenerwerbs durch einen Nichtberechtigten den in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG normierten Steuerentstehungstatbestand verdrängt.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG entsteht die Steuer nicht, wenn die Energieerzeugnisse untergegangen oder an Personen abgegeben worden sind, die zum Bezug von steuerfreien Energieerzeugnissen berechtigt sind. Entgegen der Auffassung des FG kann § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG nicht als allgemeine Heilungsvorschrift verstanden werden mit der Folge, dass eine Steuer in allen Fällen nicht entsteht, in denen von einem Erlaubnisinhaber abgegebene Energieerzeugnisse an einen berechtigten Letztverwender gelangen, selbst wenn diese zuvor –etwa in einer Lieferkette– auch an einen zur steuerbegünstigten Verwendung nicht berechtigten Abnehmer abgegeben worden sind.

Bei den in § 30 EnergieStG getroffenen Regelungen handelt es sich um Vorschriften, die das in den §§ 24 ff. EnergieStG festgelegte Verfahren der steuerfreien Verwendung und steuerfreien Verteilung näher ausgestalten. Grundsätzlich können die vom Gesetzgeber nach den §§ 25 bis 28 EnergieStG gewährten Steuerbefreiungen nur von Personen in Anspruch genommen werden, die über eine entsprechende Erlaubnis verfügen (§ 24 Abs. 2 EnergieStG). Als Maßnahme der Steueraufsicht dient die Erlaubnis der Überwachung des begünstigten Personenkreises. Durch den Antrag auf Erteilung einer förmlichen Verwender- oder Verteilererlaubnis erlangen die Finanzbehörden Kenntnis von denjenigen Wirtschaftsbeteiligten, die den Umgang mit unversteuerten Energieerzeugnissen begehren. Zugleich erhalten sie Gelegenheit, deren steuerliche Zuverlässigkeit zu überprüfen, die nach § 24 Abs. 5 Satz 1 EnergieStG unabdingbare Voraussetzung für die Erlaubniserteilung ist. Mit der Erteilung der Erlaubnis ist die Erwartung verbunden, der Erlaubnisinhaber werde von ihr in einer ihrem Regelungsgehalt entsprechenden Weise Gebrauch machen.

Für den Fall eines Missbrauchs hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG die Entstehung der Steuer angeordnet. Danach entsteht die Steuer u.a., wenn die Energieerzeugnisse entgegen der in der Erlaubnis genannten Zweckbestimmung verwendet oder abgegeben werden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung lässt bereits die erstmalige Abgabe an einen Nichtberechtigten die Steuer entstehen. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen stellt die Steuerentstehung keine Sanktion dar, sondern sie ist als systemimmanente Folge eines Umgangs mit dem unter Steueraufsicht stehenden Erzeugnis anzusehen, der von den Voraussetzungen des Begünstigungstatbestands und vom Inhalt der diesem entsprechenden Erlaubnis nicht mehr gedeckt ist.

Allerdings soll diese Rechtsfolge dann nicht eintreten, wenn die Steueraufsicht aufgrund besonderer Umstände nachweislich nicht gefährdet ist. Nach den hierzu in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG getroffenen Regelungen entsteht die Steuer nicht, wenn die Energieerzeugnisse untergegangen oder an Personen abgegeben worden sind, die zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse berechtigt sind. Unter Annahme einer vollständigen Eliminierung oder begünstigten Verwendung schließen sowohl der Untergang, als auch die Inbesitznahme des Erzeugnisses durch einen Erlaubnisinhaber eine Gefährdung des Steueranspruchs weitgehend aus. Dies legitimiert ein Absehen von der Steuererhebung durch Verdrängung des in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG festgelegten Entstehungstatbestands.

Anders verhält es sich jedoch bei der Abgabe an einen Nichtberechtigten. Denn im Zeitpunkt der Abgabe an einen Wirtschaftsbeteiligten, der keine Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung oder Verteilung besitzt, kann eine zweckwidrige Verwendung des Erzeugnisses nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Deshalb kann in diesen Fällen die Steuerentstehung nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Erzeugnis nach seiner erstmaligen Abgabe zu irgendeinem Zeitpunkt einen zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse Berechtigten erreicht. Infolgedessen entsteht die Steuer mit der Abgabe an den Nichtberechtigten. Die Steuerentstehung lässt sich auch durch eine spätere Abgabe an einen Erlaubnisinhaber nicht mehr rückgängig machen. Entgegen der Auffassung des FG lassen sich die steuerrechtlichen Folgen einer zwischenzeitlichen Abgabe an einen Nichtberechtigten nicht aus der Sicht des Letztverwenders bestimmen, sondern in den Blick zu nehmen ist der Zeitpunkt der ersten Abgabe, die bei einer Abgabe an einen Nichtberechtigten, der aufgrund der fehlenden Erlaubnis der Finanzbehörde unbekannt sein dürfte, zu einer Unterbrechung der Steueraufsicht führt.

Sofern das Gesetz auch den Untergang eines Erzeugnisses als den Steuerentstehungstatbestand verdrängendes Ereignis ansieht, lässt sich darauf das vom FG gefundene Auslegungsergebnis nicht stützen. Sowohl nach den unionsrechtlichen als auch nach den Vorgaben des nationalen Verbrauchsteuerrechts entfaltet der Untergang verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht stets eine Sperrwirkung, die eine Steuerentstehung bzw. Steuererhebung verhindert. Art. 7 und Art. 37 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG1 ordnen eine Verdrängung der Steuerentstehung bzw. ein Absehen von der Steuererhebung nur für die Fälle an, in denen sich die Waren in einem Steueraussetzungsverfahren bzw. in einem Beförderungsverfahren befinden. Wie die Mitgliedstaaten den Untergang von Waren regeln, die aus dem Steueraussetzungsverfahren entnommen worden sind, oder die sich als Waren des freien Verkehrs nicht in einem Beförderungsverfahren befinden, bleibt ihnen überlassen. Von der in § 18a Abs. 2 EnergieStG normierten Ausnahme abgesehen, führt der Untergang von Energieerzeugnissen des freien Verkehrs grundsätzlich nicht zur Verdrängung des Steuerentstehungstatbestands oder zur Entstehung von Vergütungs- oder Erstattungsansprüchen. Der Senat vermag deshalb die Auffassung des FG nicht zu teilen, dass § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG lediglich auf den Untergang als objektivem Sachverhalt abstellt, ohne zu berücksichtigen, bei wem das Erzeugnis untergeht, so dass die Steuer selbst dann nicht entsteht, wenn das Erzeugnis bei einem Nichtberechtigten untergeht.

Aus den bereits genannten Gründen legen das System und die Ausgestaltung des Verfahrens der steuerfreien Verwendung eine Deutung nahe, nach der eine Steuer nur dann nicht entsteht, wenn die Erzeugnisse bei einem Erlaubnisinhaber untergehen. Bei dieser Betrachtung kann sich die Frage nach den steuerrechtlichen Folgen eines Untergangs bei der Abgabe an Nichtberechtigte nicht stellen, denn mit der Abgabe der Erzeugnisse entsteht die Steuer, ohne dass diese Rechtsfolge durch einen späteren Untergang beeinträchtigt werden könnte.

Somit lässt allein der Umstand, dass das Gasöl an ein Unternehmen abgegeben worden ist, das als Betreiber eines Seeschiffs über eine allgemeine Erlaubnis nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, § 55 EnergieStV i.V.m. Nr. 3 Buchst. a der Anlage 1 zur EnergieStV verfügte, nicht ohne Weiteres den Schluss zu, eine Steuer könne nach § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG nicht entstanden sein. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die streitgegenständlichen Energieerzeugnisse vor ihrer Lieferung an die Firma T an die Klägerin zu 1. und damit an einen Nichtberechtigten abgegeben worden sind.

Das Gasöl ist im Streitfall an die Klägerin zu 1. mit der Folge der Steuerentstehung nach § 30 Abs. 1 EnergieStG abgegeben worden. Hierfür ist es ausreichend, dass die Klägerin zu 1. zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrags ein Besitzmittlungsverhältnis begründet und damit mittelbaren Besitz an dem Gasöl erlangt hat.

Der Begriff der Abgabe erfährt im EnergieStG keine nähere Definition. Es bedarf jedoch keiner Begründung, dass in der Verschaffung des unmittelbaren Besitzes in der Regel eine Abgabe i.S. des § 30 Abs. 1 EnergieStG zu sehen ist. Um die im Mineralölhandel üblichen und nach § 57 Abs. 4 EnergieStV im Energiesteuerrecht ausdrücklich vorgesehenen Streckengeschäfte in den Anwendungsbereich des § 30 EnergieStG mit einzubeziehen und auch für diese Fälle des Handels mit Energieerzeugnissen die energiesteuerrechtlichen Folgen einer Abgabe an Nichtberechtigte zu regeln, ist von einer Abgabe auch dann auszugehen, wenn dem Erwerber der mittelbare Besitz verschafft wird, also ein auf einem Besitzmittlungswillen beruhendes Besitzmittlungsverhältnis begründet wird, nach dem der unmittelbare Besitzer seinen Besitz in Anerkennung eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers ausübt. Denn nur auf diese Weise lassen sich die Erzeugnisse aufgrund klarer Besitzverhältnisse eindeutig zuordnen.

Aufgrund dieser Überlegungen kann ein sog. Geheißerwerb nach § 929 Satz 2 BGB, bei dem die Lieferung durch den Veräußerer an einen vom Erwerber benannten Dritten ausreichend sein soll, ohne dass dem Erwerber Besitz vermittelt wird2, nicht als ausreichend für eine Abgabe i.S. des § 30 Abs. 1 EnergieStG angesehen werden3.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Mai 2013 – VII R 39/11

  1. ABl.EU Nr. L 9/12[]
  2. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., § 929 Rz 19; Soergel-Mühl, BGB, 12. Aufl., § 929 Rz 8; zweifelnd, ob ein Geheißerwerb, bei dem der Erwerber Eigentümer werden soll, ohne Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses überhaupt möglich ist: BGH, Urteil vom 10.12.1975 – VIII ZR 179/74, WM 1976, 153[]
  3. vgl. zu § 26 Abs. 3 und § 33 Abs. 8 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, S. 145; Schröer-Schallenberg in Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rz F 50; Peters, Das Verbrauchsteuerrecht, Rz 329a; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.10.1988 VII R 17/85, BFH/NV 1989, 464[]