Gesellschafterwechsel und die Anzeige des Erwerbsvorgangs nach dem GrEStG

§ 16 Abs. 2 GrEStG ist auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG anzuwenden, wenn Anteile am Gesellschaftsvermögen vom neuen Gesellschafter auf den alten Gesellschafter ganz oder teilweise zurückübertragen werden und infolgedessen ein Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist. Die Anzeige eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist nur dann ordnungsgemäß i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG, wenn ihr u.a. diejenigen Rechtsvorgänge eindeutig und vollständig entnommen werden können, die den Tatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst oder zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben. Grundstücksbezogene Angaben sind nicht erforderlich (Änderung der Rechtsprechung). Enthält die Anzeige keine oder nur unvollständige Angaben über die für § 1 Abs. 2a GrEStG maßgeblichen Rechtsvorgänge, erlangt aber das Finanzamt innerhalb der Anzeigefrist durch eigene Ermittlungen oder von dritter Seite vollständige Kenntnis von diesen Vorgängen, steht § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des Abs. 2 des § 16 GrEStG nicht entgegen.

Gesellschafterwechsel und die Anzeige des Erwerbsvorgangs nach dem GrEStG

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Auf M sind aufgrund der in den Jahren 2008 und 2009 vorgenommenen Anteilsübertragungen sämtliche Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin übergegangen. Die Änderung des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann – wie im Streitfall – auch in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen1.

Gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG wird unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurückerwirbt. Diese Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gelten, wenn u.a. ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG voraus2.

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§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG setzt im Hinblick auf Erwerbsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht den Rückerwerb sämtlicher Anteile voraus, deren Übergang zur Verwirklichung des Steuertatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat. Es reicht vielmehr aus, einen Gesellschafterwechsel, der zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, insoweit rückgängig zu machen, als dadurch im Ergebnis ein Übergang von weniger als 95 % erfolgt3 und damit die Voraussetzungen für den fiktiven Übergang der Gesellschaftsgrundstücke „auf eine neue Gesellschaft“ wieder entfallen sind. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 16 GrEStG und den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG. § 16 GrEStG ist eine am Besteuerungszweck orientierte gegenläufige Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG4. Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist ausschließlich dann erfüllt, wenn – unter näher bestimmten Voraussetzungen – 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Wird daher eine nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Änderung des Gesellschafterbestands in der Weise beseitigt, dass das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen unterschritten wird, ist der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht (mehr) erfüllt. Demgemäß setzt ein Rückerwerb i.S. des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in Bezug auf § 1 Abs. 2a GrEStG auch nicht voraus, dass die zur Tatbestandsverwirklichung führende (letzte) Anteilsübertragung insgesamt rückgängig gemacht wird.

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Die teilweise Beseitigung der Steuer auslösenden Änderung des Gesellschafterbestands erfordert lediglich, dass der frühere Gesellschafter einen Anteil am Gesellschaftsvermögen erwirbt. Bezüglich des neu erworbenen Anteils darf die Verfügungsbefugnis auch nicht teilweise beim zwischenzeitlichen Gesellschafter verbleiben5. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass der frühere Gesellschafter seine ursprüngliche Gesellschafterstellung ganz oder zum Teil rückwirkend zurückerlangt oder schuldrechtlich so gestellt wird, als ob er Gesellschafter geblieben wäre. Es genügt vielmehr, wenn er innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG einen Anteil am Gesellschaftsvermögen mit Wirkung für die Zukunft erwirbt und der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht worden wäre, wenn er mit diesem Anteil durchgehend Gesellschafter geblieben wäre.

Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Es reicht dabei für die Nichtfestsetzung der Steuer oder die Aufhebung der Steuerfestsetzung für den ursprünglichen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus, wenn der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für diesen Erwerbsvorgang zurückerwirbt oder die in § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 GrEStG bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Rückwirkende Vereinbarungen sind dabei nicht erforderlich. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG setzt nicht voraus, dass der vorangegangene Erwerbsvorgang aufgehoben wird und deshalb ein Rückerwerb erfolgt; die Vorschrift betrifft in gleicher Weise den schlichten Rückkauf6.

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Diese Voraussetzungen für die auf § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG beruhende Aufhebung der Steuerfestsetzung für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG sind im Streitfall erfüllt. D hat innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für diesen Erwerbsvorgang erneut eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Klägerin erworben, und zwar in Höhe von 6 %. Im Ergebnis ist somit die in § 1 Abs. 2a GrEStG bestimmte Grenze von 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen, die innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen müssen, nicht mehr erreicht.

Allein dies ist für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entscheidend. Unerheblich ist demgegenüber, dass die von M aufgrund des Vertrags vom 15.05.2009 zu erbringende Gegenleistung für den Anteilserwerb nicht deshalb herabgesetzt wurde, weil D eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Klägerin in Höhe von 6 % erworben hat. Die Gegenleistung für einen Anteilserwerb spielt im Rahmen des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG und somit auch im Zusammenhang mit der Nichtfestsetzung der Steuer oder der Aufhebung der Steuerfestsetzung für einen dieser Vorschrift unterfallenden Erwerbsvorgang gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG keine Rolle.

Wird aufgrund einer Anteilsübertragung, durch die ein Altgesellschafter aus der Personengesellschaft ausscheidet, der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht und erfüllt der Anteilsrückerwerb durch diesen Altgesellschafter wiederum diesen Steuertatbestand, ist gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG für beide Erwerbsvorgänge die Steuer nicht festzusetzen bzw. die Steuerfestsetzung aufzuheben. Diese Rechtsfolge muss erst recht dann eintreten, wenn wie im Streitfall- der Rückerwerb lediglich einen Anteil von 6 % am Gesellschaftsvermögen betrifft und daher für sich nicht die Besteuerungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt.

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Der Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG steht § 16 Abs. 5 GrEStG nicht entgegen.

Nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Vorschriften der Abs. 1 bis 4 des § 16 GrEStG nicht, wenn u.a. ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war (§§ 18, 19 GrEStG). § 16 Abs. 5 GrEStG dient der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG und wirkt dem Anreiz entgegen, durch Nichtanzeige einer Besteuerung der in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgänge zu entgehen. Insbesondere soll die Vorschrift den Beteiligten die Möglichkeit nehmen, einen dieser Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird7. Soweit eine Anzeigepflicht sowohl nach § 18 GrEStG als auch nach § 19 GrEStG besteht, ist den Zwecken des § 16 Abs. 5 GrEStG schon dann genügt, wenn nur einer der Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt.

Unter Berücksichtigung dieses Normzwecks ist nach der BFHRechtsprechung8 eine Anzeige schon dann i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG ordnungsgemäß, wenn der Vorgang innerhalb der Anzeigefristen der §§ 18 Abs. 3 und 19 Abs. 3 GrEStG dem Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG prüfen kann. Dazu muss die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von Veräußerer, Erwerber und Urkundsperson (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 GrEStG) und ggf. der Gesellschaft (§ 20 Abs. 2 GrEStG) ermöglichen; ferner müssen der Anzeige in der Regel die in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG genannten Abschriften beigefügt werden.

Um dem Finanzamt die erforderliche Prüfung zu ermöglichen, ist es für eine ordnungsgemäße Anzeige eines nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgangs erforderlich, dass ihr diejenigen Rechtsvorgänge eindeutig und vollständig entnommen werden können, die den Tatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst oder zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben. Gegebenenfalls sind in die Anzeige – unter Beifügung der in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG genannten Abschriften – auch die vorangegangenen und dem Finanzamt bislang nicht angezeigten Änderungen des Gesellschafterbestands einzubeziehen, die innerhalb von fünf Jahren zum Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter beigetragen haben. Ist der Erwerbsvorgang auf diese Weise eindeutig identifiziert, so kann sich der Steuerpflichtige der Besteuerung nicht mehr entziehen und den Erwerbsvorgang auch nicht mehr, bevor er den Finanzbehörden bekannt wird, ohne steuerliche Folgen wieder aufheben.

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Aufgrund der dem Finanzamt durch eine solche Anzeige eröffneten Ermittlungsmöglichkeiten setzt eine ordnungsgemäße Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG unter Berücksichtigung des Übermaßverbots nicht zusätzlich voraus, dass die Anzeige auch die der betreffenden Gesellschaft gehörenden Grundstücke bezeichnet. Das Finanzamt ist auch bei insoweit fehlenden Angaben in der Lage, sich aufgrund des übrigen Anzeigeinhalts die entsprechenden Informationen aufgrund eigener Ermittlungsmaßnahmen zu verschaffen. An der davon abweichenden bisherigen Rechtsprechung, wonach eine ordnungsgemäße Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG darüber hinaus auch grundstücksbezogener Angaben bedarf9, hält der BFH nicht mehr fest.

Enthält die Anzeige zwar keine oder nur unvollständige Angaben über die für § 1 Abs. 2a GrEStG maßgeblichen Rechtsvorgänge, erlangt aber das Finanzamt innerhalb der Anzeigefrist durch eigene Ermittlungen oder von dritter Seite vollständige Kenntnis von diesen Vorgängen, steht § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des Abs. 2 des § 16 GrEStG nicht entgegen. Dies folgt aus dem Sinn und dem (Sicherungs-)Zweck der Vorschrift, dem Finanzamt zeitnah die für die Besteuerung erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen und dem Steuerpflichtigen, der es auf eine spätere Aufdeckung des Sachverhalts durch das Finanzamt ankommen lässt, eine nachträgliche Gestaltung mit § 16 GrEStG zu verwehren. Diesem Sicherungszweck ist bereits durch die rechtzeitige positive Kenntnis des Finanzamts Genüge getan.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. April 2012 – II R 51/11

  1. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 27.04.2005 – II R 61/03, BFHE 210, 56, BStBl II 2005, 649[]
  2. BFH, Beschluss vom 02.03.2011 – II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009, unter B.IV.02.a cc, m.w.N.[]
  3. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 16 Rz 65; Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 16 Rz 273; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 16 Rz 73; Behrens, DStR 2009, 1611; a.A. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25.02.2010, BStBl I 2010, 245 Rz 9[]
  4. BFH, Urteile vom 19.03.2003 – II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; vom 25.04.2007 – II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726[]
  5. Loose, a.a.O., Rz 273; Behrens, DStR 2009, 1611, 1615[]
  6. BFH, Urteil vom 25.10.1979 – II R 35/75, BFHE 129, 203, BStBl II 1980, 129; Hofmann, a.a.O., § 16 Rz 42; Loose, a.a.O., § 16 Rz 146, 182; Pahlke/Franz, a.a.O., § 16 Rz 50[]
  7. BFH, Beschluss in BFH/NV 2011, 1009, m.w.N.[]
  8. z.B. Beschlüsse vom 20.01.2005 – II B 52/04, BFHE 208, 456, BStBl II 2005, 492, und in BFH/NV 2011, 1009, jeweils m.w.N.[]
  9. BFH, Beschluss in BFHE 208, 456, BStBl II 2005, 492[]