Begründungserfordernisse bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten

Nach Art.19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden1. Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leer laufen“ lassen2. Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt3. Dies gilt für die Begründungsanforderungen nach § 24 EGGVG ebenso wie für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO.

Begründungserfordernisse bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten

Die erhöhten Darlegungsanforderungen im Klageerzwingungsverfahren, die das Bundesverfassungsgericht für zulässig erachtet hat4, sind jedoch nicht auf das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG übertragbar. Während der Verletzte einer Straftat kein subjektives Recht auf Erhebung der öffentlichen Klage gegen den der Tat Verdächtigen hat5, ist Gegenstand des Verfahrens nach §§ 23 ff. EGGVG eine unmittelbare Verletzung eines subjektiven Rechts des Antragstellers durch eine staatliche Maßnahme oder ihre Ablehnung bzw. Unterlassung (vgl. § 24 Abs. 1 EGGVG). Insoweit handelt es sich um klassische Eingriffe – hinsichtlich der Ablehnung eines positiven Bescheids gilt dies hier jedenfalls deshalb, weil dadurch dem Beschwerdeführer die Wiedererlangung der persönlichen Freiheit verwehrt wird. Die Grundrechtsrelevanz führt dazu, dass Art.19 Abs. 4 GG besondere Bedeutung gewinnt6 und an den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz jedenfalls nicht dieselben strengen Anforderungen wie im Klageerzwingungsverfahren gestellt werden können.

Eine vom Oberlandesgericht verlangte, eine Schlüssigkeitsprüfung ermöglichende Darlegung schränkt den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz zwar noch nicht unverhältnismäßig ein. Art.19 Abs. 4 GG fordert nicht zwingend eine Auslegung des § 24 EGGVG im Sinne der „Möglichkeitstheorie“, wonach lediglich ein Sachverhalt vorgetragen werden muss, aus dem sich ein möglicher Rechtsanspruch ergeben kann, der verletzt sein könnte7. Die vom Oberlandesgericht aufgestellten Anforderungen bewegen sich auch unterhalb der strengen Darlegungsanforderungen für das Klageerzwingungsverfahren.

Im hier vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall hat das Oberlandesgericht jedoch dadurch, dass es die Annahme einer fehlenden Begründung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung allein darauf gestützt hat, dass hinreichende Ausführungen zu den strafrechtlichen Urteilsfeststellungen fehlten, das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art.19 Abs. 4 GG verletzt. Die formale Sichtweise des Oberlandesgerichts, wonach der Sachverhalt nur durch Ausführungen im Antrag selbst und nicht durch Beifügung und Inbezugnahme entsprechender Schriftstücke dargelegt werden kann, führt zur Verweigerung der inhaltlichen Schlüssigkeitskontrolle. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer dem Oberlandesgericht Celle offenbar den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Celle vorgelegt hat, in dem die wesentlichen Urteilsfeststellungen wiedergegeben und gewürdigt worden sind.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. April 2012 – 2 BvR 211/12

  1. vgl. BVerfGE 40, 272, 274; 78, 88, 99; 88, 118, 124[]
  2. vgl. BVerfGE 77, 275, 284; 96, 27, 39[]
  3. vgl. BVerfGE 88, 118, 125[]
  4. vgl. BVerfGK 2, 45, 50; 5, 45, 48; 14, 211, 214 f.[]
  5. vgl. BVerfGE 51, 176, 187[]
  6. vgl. BVerfGE 60, 253, 266[]
  7. vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl.2011, § 24 EGGVG Rn. 1; Rauscher/Pabst, MünchKomm-ZPO, 3. Aufl.2008, § 24 EGGVG Rn. 2 f.; jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung[]