Eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung in einem Altfall ist gemäß § 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 04.05.20111 umsetzt, nur zulässig ist, wenn die hochgradige Gefahr der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist2.

Darüber hinaus ist für die rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e MRK Voraussetzung, dass der Betroffene an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet3.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert es, hinsichtlich beider Elemente der Gefährlichkeitsprognose
- der Erheblichkeit weiterer Straftaten und
- der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung
ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengeren Maßstab anzulegen4.
Dabei ist von § 275a Abs. 4 StPO zur Sicherung einer umfassenden Aufklärung der Kriminalprognose ausdrücklich gesetzlich vorgesehen, die Gutachten zweier erfahrener psychiatrischer Sachverständiger einzuholen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. August 2016 – 2 StR 4/16
- BVerfG, Urteil vom 04.05.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931; BGBl. I S. 1003[↩]
- BVerfG aaO; zusammenfassend BVerfG, Beschluss vom 20.06.2012 – 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268; vgl. auch BGH, Urteil vom 07.08.2012 – 1 StR 98/12; und Beschluss vom 24.07.2012 – 1 StR 57/12[↩]
- vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 24.05.2011 – 5 StR 369/10; Urteile vom 08.11.2011 – 1 StR 231/11; und vom 07.08.2012 – 1 StR 98/12; vgl. zum Begriff „psychisch Kranker“ auch EGMR, Urteil der 5. Sektion vom 19.04.2012 – endgültig seit 19.07.2012 – in der Rechtssache B. gegen Deutschland –, Individualbeschwerde 61272/09 Ziffer 67 ff.[↩]
- vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 31.07.2012 – 3 StR 148/12; BGH, Urteil vom 08.02.2012 – 2 StR 346/11; BGH, Beschluss vom 24.01.2012 – 5 StR 535/11[↩]