Der Angeklagte, der in Verteidigungsabsicht handelte, durfte diesen Angriff mit dem Mittel abwehren, das einen unmittelbaren Erfolg versprach. Nach allgemeinen notwehrrechtlichen Grundsätzen ist der Angegriffene berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet; der Angegriffene muss sich nicht mit der Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel begnügen, wenn deren Abwehrwirkung zweifelhaft ist.

Angesichts der Verfolgung durch drei Angreifer, von denen einer ihn bereits körperlich verletzt hatte, ist der Schütze nicht gehalten, zunächst mit der Waffe zu drohen oder einen Warnschuss abzugeben, zumal sich das gesamte Geschehen in weniger als einer Minute abspielte1.
Unter den gegebenen Umständen waren daher die nach unten gerichteten Schüsse auf einen der Angreifer durch Notwehr gerechtfertigt. Dies gilt auch für den Schuss auf einen weiteren Angreifer, der zum Zeitpunkt der Schussabgabe auf ihn den Angriff auf den Angeklagten nicht erkennbar abgebrochen hatte.
Hinsichtlich eines weiteren Angreifers, der unerkannt vom Schützen seinen Angriff beendet hatte, billigte es der Bundesgerichtshof, dem Schützen in analoger Anwendung des § 16 StGB einen Erlaubnistatbestandsirrtum zugzuilligen. Dieser Irrtum über die tatbestandlichen Voraussetzungen der Notwehr führt zum Ausschluss des Körperverletzungsvorsatzes2. Auch eine fahrlässige Körperverletzung verneint der Bundesgerichtshof, soweit der Schütze den Irrtum in der konkreten Situation nicht vermeiden konnte.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. Juli 2015 – 4 StR 561/14