Der tätowierte Soldat – Rechtsschutz gegen eine Dienstvorschrift

Eine Verwaltungs- oder Dienstvorschrift kann Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens sein, wenn sie eine unmittelbar an den einzelnen Soldaten gerichtete Anordnung enthält, die keiner weiteren Konkretisierung durch einen Befehl mehr bedarf (hier: die Pflicht, beim Tragen der Uniform sichtbare Tätowierungen in geeigneter und dezenter Weise abzudecken). Diese Möglichkeit entbindet den Soldaten jedoch nicht von seiner verfahrensrechtlichen Verpflichtung, im Einzelnen darzulegen, inwieweit er durch die angefochtene Regelung in eigenen Rechten verletzt wird1.

Der tätowierte Soldat – Rechtsschutz gegen eine Dienstvorschrift

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte (nur) anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die – obwohl an andere Soldaten gerichtet – in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken. Der Antragsteller muss insoweit die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte oder ihm gegenüber bestehender Pflichten eines Vorgesetzten substantiiert darlegen. Eine vom Einzelfall losgelöste allgemeine Nachprüfung von Anordnungen oder Erlassen auf ihre Rechtmäßigkeit im Sinne eines Normenkontrollverfahrens sieht die Wehrbeschwerdeordnung nicht vor. Das Wehrbeschwerdeverfahren dient nicht dazu, das Handeln der Vorgesetzten im Allgemeinen zu überprüfen, sondern setzt vielmehr stets einen auf einer rechtswidrigen Maßnahme oder Unterlassung beruhenden unmittelbaren Eingriff in die Rechte des Soldaten voraus.

In Ausnahmefällen kann auch eine Verwaltungs- oder Dienstvorschrift Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens sein, wenn sie eine unmittelbar an den einzelnen Soldaten gerichtete Anordnung enthält, die keiner weiteren Konkretisierung durch einen Befehl mehr bedarf. Die in Nr. 603 Punkt 3 ZDv A-2630/1 enthaltene Pflicht, beim Tragen der Uniform sichtbare Tätowierungen in geeigneter und dezenter Weise abzudecken, stellt eine solche unmittelbar anfechtbare Anordnung dar. Da es sich dabei um eine Daueranordnung handelt, ist der dagegen gerichtete Antrag an keine Frist gebunden.

Die Möglichkeit der unmittelbaren Anfechtung dieser Dienstvorschrift entbindet den Antragsteller jedoch nicht von seiner verfahrensrechtlichen Verpflichtung, im Einzelnen darzulegen, inwieweit er durch die angefochtene Regelung in eigenen Rechten verletzt wird. Dieser Verpflichtung ist der Antragsteller nicht nachgekommen.

Der Antragsteller hat im vorliegenden Fall nichts dafür vorgetragen, dass er sein äußeres Erscheinungsbild, von den allgemein geltenden Uniformvorschriften abgesehen, gerade infolge der Neuregelung durch Nr. 603 Punkt 3 ZDv A-2630/1 in irgendeiner Weise hätte verändern müssen. Er hat – auch auf Nachfragen durch das Gericht – keine Situation und keinen Anlass dargelegt, in dem z.B. seine Tätowierung im dienstlichen Bereich beanstandet und er zum Abdecken der Tätowierung aufgefordert wurde. Damit fehlt es an einer persönlichen Beschwer, die Voraussetzung für einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist. Dafür spricht auch seine Anmerkung, dass es nicht allein um seine Person gegangen sei, sondern allgemein um die Sache.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Februar 2015 – 1 WB 31.14

  1. Bestätigung von BVerwG, Beschlüsse vom 08.05.2001 – 1 WB 25.01, Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 42; und vom 03.07.2001 – 1 WB 29.01, Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 43[]