Ein von einem kranken Fahrerlaubnisinhaber bei der Polizei mit dem Hinweis, er fühle sich im Moment nicht imstande, sicher ein Fahrzeug zu führen, abgegebener Führerschein ist wieder herauszugeben, da kein Verzicht auf die Fahrerlaubnis vorliegt.

Der Anspruch der Fahrerlaubnisinhaberin auf Herausgabe ihres derzeit im Besitz der Straßenverkehrsbehörde befindlichen Führerscheins (bzw. auf Ausstellung und Aushändigung eines Ersatzführerscheins für den Fall, dass ihr Führerschein bereits vernichtet worden sein sollte) ergibt sich daraus, dass sie Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klasse CE/79 ist und als solche einen Anspruch darauf hat, dass ihr ein Führerschein ausgehändigt wird, der diese Fahrerlaubnis dokumentiert (s. § 22 Abs. 3 FeV). Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber bereits ein Führerschein ausgehändigt worden ist, dieser dann aber – wie hier am 11.08.2013 – freiwillig bei der Polizei abgegeben wird. Wie die Regelung in § 25 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz FeV zeigt, würde der Anspruch des Fahrerlaubnisinhabers auf Wiederherausgabe des vorhandenen Führerscheins (bzw. auf Ausstellung und Aushändigung eines Ersatzführerscheins im Falle der Vernichtung des bisherigen Führerscheins) nur dann entfallen, wenn in der Abgabe des Führerscheins ein wirksamer Verzicht auf die Fahrerlaubnis zu sehen sein sollte. Dies ist im Falle der Fahrerlaubnisinhaberin jedoch nicht anzunehmen. Denn sie hat ausweislich des polizeilichen Berichts auf der Polizeiwache lediglich erklärt, sie fühle sich "im Moment" nicht imstande, sicher ein Fahrzeug zu führen. Sie hat nicht erklärt, sich für immer hierzu nicht imstande zu fühlen und deshalb auf die Fahrerlaubnis verzichten zu wollen. Die ihr von der Straßenverkehrsbehörde mit Schreiben vom 21.08.2013 übersandte Verzichtserklärung hat sie nicht unterzeichnet. Auch auf die nochmalige Übersendung einer Verzichtserklärung hat sie nicht den Verzicht auf die Fahrerlaubnis erklärt. Selbst wenn die Fahrerlaubnisinhaberin im Übrigen den Verzicht auf die Fahrerlaubnis erklärt hätte, wäre dieser Verzicht nicht wirksam, da zum damaligen Zeitpunkt noch für die Fahrerlaubnisinhaberin eine Betreuung eingerichtet war und somit ohne eine Genehmigung der Betreuerin, deren Aufgabenkreis u.a. die Vertretung gegenüber Behörden umfasste und die die Fahrerlaubnisinhaberin im Rahmen dieses Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich vertrat, eine solche Willenserklärung gegenüber der Straßenverkehrsbehörde gar nicht hätte abgegeben werden können.
Da ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis somit nicht vorliegt, ist die Fahrerlaubnisinhaberin unzweifelhaft weiter Inhaberin der Fahrerlaubnis der Klasse CE/79. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Straßenverkehrsbehörde ihr unter dem 20.02.2014 eine Anordnung zur Vorlage eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation zugesandt und ihr eine Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 20.03.2014 gesetzt hat mit der Ankündigung, bei nicht fristgerechter Beibringung des Gutachtens die Fahrerlaubnis zu entziehen. Denn zum einen macht die Straßenverkehrsbehörde nicht geltend, dass sie der Fahrerlaubnisinhaberin entsprechend dieser Ankündigung zwischenzeitlich tatsächlich ihre Fahrerlaubnis entzogen hat. Zum anderen wäre sie hierzu auch gar nicht berechtigt, denn die Anordnung zur Vorlage eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 20.02.2014 ist unwirksam, da sie der Fahrerlaubnisinhaberin persönlich und nicht ihrer Betreuerin zugestellt worden ist. Der Straßenverkehrsbehörde ist ausweislich ihrer Sachakte die damalige Betreuung bekannt gegeben worden. Die Betreuerin hatte in ihrem Schreiben vom 28.10.2013 auch ausdrücklich darum gebeten, weiteren Schriftwechsel an sie und nicht an die Fahrerlaubnisinhaberin zu richten. Gleichwohl hat die Straßenverkehrsbehörde die Anordnung an die Antragsteller persönlich mit Zustellungsurkunde förmlich zugestellt. Ihren Prozessbevollmächtigten hat sie sie formlos zur Kenntnis gegeben. Der Betreuerin aber, deren Amt damals noch nicht aufgehoben worden war (dies ist erst später geschehen) und der somit seinerzeit die Anordnung zuzustellen war, hat sie die Anordnung noch nicht einmal formlos übersandt. Mangels wirksamer Anordnung zur Beibringung des Gutachtens wäre die Straßenverkehrsbehörde mithin nicht berechtigt, wegen der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisinhaberin zu entziehen.
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat die Fahrerlaubnisinhaberin ebenfalls glaubhaft gemacht. Sie ist nach den obigen Ausführungen weiterhin Inhaberin einer Fahrerlaubnis, verfügt jedoch nicht über ihren Führerschein, mit dem sie bei polizeilichen Kontrollen oder sonstigen Anlässen (z.B. bei der Anmietung eines Mietfahrzeugs) den Besitz der Fahrerlaubnis dokumentieren kann. Sollte sie im Straßenverkehr kontrolliert werden, wäre sie, weil sie keinen Führerschein vorweisen kann, vermutlich Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Aus diesem Grund ist ein Anordnungsgrund zu bejahen 1.
Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 24. April 2014 – 15 E 521/14
- vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14.11.2012 – 7 L 1243/12[↩]
- BGBl. I 2017, 872[↩]