Die nicht abgerissene Schlosskapelle

Ein Eigentümer muss es grundsätzlich hinnehmen, dass ihm durch die Denkmalschutzgesetze der Länder eine eine rentablere Nutzung eines mit einem Denkmal bebauten Grundstücks verwehrt wird. Dies gilt regelmäßig bis zu der Grenze, wo für ein geschütztes Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht. Aber auch auf diese Grenze kann sich ein Eigentümer nicht berufen, wenn er hierum bereits beim Erwerb des Grundstücks wusste. Dies zeigt deutlich der Fall einer Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung einer Abrissgenehmigung für ein denkmalgeschütztes Gebäude, die vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen wurde:

Die nicht abgerissene Schlosskapelle

Der Beschwerdeführer beantragte eine Abrissgenehmigung für eine Schlosskapelle. Diese ist Teil einer seit 1984 unter Denkmalschutz stehenden Gesamtanlage, die die Geschwister des Beschwerdeführers Anfang der 1990 Jahre erworben hatten. Das Grundstück, auf dem sich die Schlosskapelle befindet, wurde nachträglich geteilt. Die Geschwister des Beschwerdeführers veräußerten an diesen das neu zugeschnittene Kapellengrundstück. Im Herbst 2006 beantragte er die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des rheinland-pfälzischen Denkmalschutz- und -pflegegesetzes erforderliche Genehmigung zum Abriss der Kapelle (in der bis zum 9. Dezember 2008 gültigen Fassung; zur teilweisen Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung vgl. BVerfGE 100, 226; sowie zu den Anforderungen an eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 25.10.2001 – 1 A 11012/01.OVG, NVwZ-RR 2002, S. 267, 268; vom 21.08.2003 – 1 A 11997/02.OVG; und vom 26.05.2004 – 8 A 12009/03)). Der Antrag, den der Beschwerdeführer vor allem damit begründete, dass er die Kapelle mit möglicherweise erzielbaren Einnahmen nicht erhalten könne, wurde von der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz abgelehnt. Klage und Rechtsmittel dagegen blieben letztinstanzlich vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz erfolglos1.

Das Bundesverfassungsgericht hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung angenommen. Die Versagung der Genehmigung zum Abriss der Schlosskapelle beeinträchtigt zwar die Eigentümerbefugnisse des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, belastet ihn aber nicht unverhältnismäßig.

Der Schutz von Kulturdenkmälern ist grundsätzlich ein legitimes Anliegen, Denkmalpflege eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, die einschränkende Regelungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigt2. Die Verfassung für Rheinland-Pfalz verpflichtet zudem in Art. 40 Abs. 3 das Land, die Denkmäler der Kunst und der Geschichte in seine Obhut und Pflege zu nehmen. Angesichts dieses hohen Ranges des Denkmalschutzes und im Blick auf Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG muss der Eigentümer es grundsätzlich hinnehmen, dass ihm möglicherweise eine rentablere Nutzung des Grundstücks verwehrt wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums3.

Anders liegt es aber, wenn für ein geschütztes Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht. Dazu kann es kommen, wenn die ursprüngliche Nutzung infolge veränderter Verhältnisse hinfällig wird und eine andere Verwendung, auf die der Eigentümer in zumutbarer Weise verwiesen werden könnte, sich nicht verwirklichen lässt. Wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch nicht veräußern kann, wird dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt. Nimmt man die gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Rechtsposition des Betroffenen nähert sich damit einer Lage, in der sie den Namen „Eigentum“ nicht mehr verdient. Die Versagung einer Beseitigungsgenehmigung ist dann nicht mehr zumutbar4.

Die Zumutbarkeit der Erhaltung eines denkmalgeschützten Gebäudes im Hinblick auf die damit einhergehenden Belastungen lässt sich grundsätzlich nur nach den sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten des denkmalgeschützten Gesamtbestands in der Hand eines Eigentümers beurteilen. Nutzungs und Ertragsmöglichkeiten anderer Eigentümer von Teilen einer denkmalgeschützten Gesamtanlage können grundsätzlich nicht in die wirtschaftliche Zumutbarkeitsprüfung einbezogen werden, sofern kein rechtlich gesichertes Ausgleichsverhältnis zwischen den verschiedenen Grundstückseigentümern besteht.

Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass dem Beschwerdeführer bewusst war, dass das Grundstück mit der Schlosskapelle bereits bei seinem Eigentumserwerb als Teil einer Gesamtanlage unter Denkmalschutz stand. Das vom Beschwerdeführer erworbene Grundstück war also schon zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs denkmalschutzrechtlich vorbelastet. Dieser Umstand beeinflusste notwendig den Wert des von ihm erworbenen Grundstücks. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht des Grundstückseigentümers für eine Altlastensanierung aus Gründen der öffentlichen Gefahrenabwehr betont, dass die Beurteilung dessen, was dem Grundstückseigentümer im Interesse des Gemeinwohls zugemutet werden kann, maßgeblich auch davon beeinflusst wird, ob er die entsprechende Belastung gekannt oder zumindest das Risiko einer solchen Belastung beim Grundstückserwerb bewusst in Kauf genommen hat5.

Die in Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Privatnützigkeit des Eigentums gewährleistet mithin nicht, dass der Grundstücksertrag der Eigentümer einer denkmalgeschützten Gesamtanlage, deren Erhalt für sich genommen wirtschaftlich zumutbar ist, dadurch gesteigert wird, dass einzelne, wirtschaftlich unrentable Teile mit Denkmalbestand eigentumsrechtlich aus einem solchen Ensemble „herausgeschnitten“ werden und dadurch der Erhalt dieser Denkmäler infrage gestellt oder dessen Kosten letztlich der Allgemeinheit auferlegt werden.

Ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer würde eine unter Denkmalschutz gestellte Gesamtanlage nicht zu dem Zweck, die Voraussetzungen einer (vermeintlichen) Unzumutbarkeit der Erhaltung eines Teils des Denkmals zu schaffen, oder jedenfalls unter Inkaufnahme dieser Folge eigentumsrechtlich aufspalten, und eine dem Denkmalschutz aufgeschlossene Person würde eine derartige Eigentumsposition nicht erwerben.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. April 2010 – 1 BvR 2140/08

  1. Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.07.2008 – 1 A 10430/08.OVG[]
  2. BVerfGE 100, 226, 242[]
  3. BVerfGE 91, 294, 310; 100, 226, 242 f.[]
  4. BVerfGE 100, 226, 243[]
  5. vgl. BVerfGE 102, 1, 21 f.[]