Einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts – von Amts wegen

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts – von Amts wegen

Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren, hier also die Verfassungsbeschwerde, erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet1.

Die erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde sind zu berücksichtigen, wenn ein Abwarten den Grundrechtsschutz vereitelte2

Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre3. Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen4. Im Zuge der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gebotenen Folgenabwägung legt das Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung in aller Regel die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde5. Anderes ist dann geboten, wenn die getroffenen Tatsachenfeststellungen offensichtlich fehlsam sind oder die Tatsachenwürdigungen unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsnormen offensichtlich nicht tragen6. In Sorgerechtsstreitigkeiten ist auch zu berücksichtigen, dass die Abwägung vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist7

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. September 2021 – 1 BvR 1750/21

  1. vgl. BVerfGE 88, 185 <186> 103, 41 <42> stRspr[]
  2. vgl. BVerfGE 111, 147 <153> BVerfG, Beschluss vom 15.04.2020 – 1 BvR 828/20, Rn. 9 f.; Beschluss vom 29.04.2020 – 1 BvQ 44/20, Rn. 7[]
  3. vgl. BVerfGE 88, 185 <186> stRspr[]
  4. vgl. BVerfGE 87, 107 <111> stRspr[]
  5. vgl. BVerfGE 34, 211 <216> 36, 37 <40>[]
  6. vgl. BVerfGK 3, 97 <99> BVerfG, Beschluss vom 07.12.2020 – 1 BvR 2719/20, Rn. 7 m.w.N.[]
  7. vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.08.2020 – 1 BvR 1780/20, Rn. 9 m.w.N.[]

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