Die nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fortgeltenden Regelungen der §§ 127 bis 135 BauGB zum Erschließungsbeitrag sind in Bayern spätestens durch Art. 5a des bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 08.03.20161 gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG durch Landesrecht ersetzt worden.

Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG in der Fassung des Gesetzes vom 27.10.19942 erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht mehr auf das Erschließungsbeitragsrecht, das daher nach Art. 70 Abs. 1 GG in die alleinige Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Zwar gelten die erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen der §§ 127 bis 135 BauGB, die nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnten, nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fort. Sie können aber nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG durch Landesrecht ersetzt werden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat der bayerische Landesgesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die §§ 127 bis 135 BauGB durch Art. 5a BayKAG ersetzt und – soweit sie entsprechend anwendbar bleiben – in Landesrecht überführt3. An diese Auslegung des Landesrechts ist das Bundesverwaltungsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 560 ZPO gebunden4.
Sie steht auch mit Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG im Einklang. Diese Regelung ermächtigt die Länder, das nach Wegfall der Gesetzgebungskompetenz des Bundes als Bundesrecht fortbestehende Recht durch Landesrecht zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es den Ländern aber verwehrt, bei Fortbestand der bundesrechtlichen Regelung einzelne Vorschriften zu ändern. Denn die andernfalls entstehende Mischlage aus Bundes- und Landesrecht für ein und denselben Regelungsgegenstand im selben Anwendungsbereich wäre im bestehenden System der Gesetzgebung ein Fremdkörper. Eine Ersetzung des Bundesrechts erfordert vielmehr, dass der Landesgesetzgeber die Materie, gegebenenfalls auch nur einen abgegrenzten Teilbereich, in eigener Verantwortung regelt. Dabei ist er nicht gehindert, ein mit dem bisherigen Bundesrecht weitgehend gleichlautendes Landesrecht zu erlassen5. Erforderlich ist insoweit ein eindeutig bekundeter Rezeptionswillen, der nach außen deutlich macht, dass es sich bei den bisher als Bundesrecht fortgeltenden Bestimmungen künftig um Landesrecht handeln soll6.
Dies zugrunde gelegt, geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof7 im Einklang mit Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG davon aus, dass der bayerische Landesgesetzgeber die bundesrechtlichen Regelungen der §§ 127 bis 135 BauGB durch Landesrecht ersetzt hat. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 09.08.2013 – 9 B 31.13 – ( 3)) Zweifel daran geäußert haben sollte, ob Art. 5a BayKAG in der Fassung der Gesetze vom 27.12.19968; und vom 25.07.20029 die Anforderungen erfüllte, die an ein die §§ 127 bis 135 BauGB ersetzendes Landesgesetz von Verfassungs wegen zu stellen sind10, bestehen solche Zweifel für den hier einschlägigen Art. 5a BayKAG 2016 nicht, so dass die §§ 127 bis 135 BauGB spätestens mit dessen Inkrafttreten durch Landesrecht ersetzt worden sind.
Der bayerische Landesgesetzgeber hat das Erschließungsbeitragsrecht durch Art. 5a BayKAG 2016 vollständig in eigener Verantwortung geregelt. Bereits nach dem Wortlaut von Art. 5a Abs. 1 BayKAG 2016, wonach die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die in Art. 5a Abs. 2 BayKAG 2016 genannten Erschließungsanlagen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und damit der übrigen Absätze der Regelung Erschließungsbeiträge erheben, enthält Art. 5a BayKAG 2016 eine abschließende Regelung des Erschließungsbeitragsrechts. Dass eine solche, das fortgeltende Bundesrecht ersetzende landesrechtliche Regelung bezweckt ist, betont die Gesetzesbegründung ausdrücklich11. Es wird darüber hinaus nach außen daran deutlich, dass in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 BayKAG in der Fassung des Gesetzes vom 08.03.20161 als Grundlage für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht mehr das Baugesetzbuch, sondern Art. 5a BayKAG genannt wird und dass die zur Anwendung kommenden erschließungsbeitragsrechtlichen Regelungen des Baugesetzbuchs nach Art. 5a Abs. 9 BayKAG 2016 ausdrücklich nur noch entsprechend gelten.
Der Ersetzung des Bundesrechts steht auch nicht entgegen, dass der Wortlaut der zu übernehmenden Regelungen des Baugesetzbuchs in Art. 5a BayKAG 2016 nicht wiedergegeben wird, sondern diese Vorschriften stattdessen durch Art. 5a Abs. 9 BayKAG 2016 für entsprechend anwendbar erklärt werden12. Der Landesgesetzgeber ist, wie ausgeführt, nicht gehindert, im Rahmen der Ersetzung des Bundesrechts ein mit dem bisherigen Bundesrecht weitgehend gleichlautendes Landesrecht zu erlassen13. Ob dies durch die Aufnahme der mit bisherigem Bundesrecht übereinstimmenden Regelungen in den Gesetzestext oder durch eine Verweisung auf die betreffenden bundesrechtlichen Vorschriften geschieht, ist lediglich eine Frage der Gesetzgebungstechnik.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. November 2021 – 9 B 7.21
- GVBl S. 36[↩][↩]
- BGBl. I S. 3146[↩]
- stRspr, vgl. etwa BayVGH, Beschlüsse vom 19.04.2002 – 6 B 00.755 2 f.; vom 26.04.2002 – 6 B 99.44 – BayVBl 2003, 21; vom 09.08.2016 – 6 CS 16.10 32 12; und vom 25.03.2019 – 6 ZB 18.14 16 18[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 09.08.2013 – 9 B 31.13 2[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.10.2015 – 2 BvR 568/15 11 unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 09.06.2004 – 1 BvR 636/02, BVerfGE 111, 10 <29 f.>[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 23.10.2017 – 9 B 61.16, Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 56 Rn. 4[↩]
- BayVGH, Beschluss vom 14.12.2020 – VGH 6 B 20.1619[↩]
- GVBl S. 541[↩]
- GVBl S. 322[↩]
- vgl. dazu Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand April 2021, Rn. 8; Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, vor §§ 127 ff. Rn. 3[↩]
- LT-Drs. 17/8225 S. 17[↩]
- a.A. Rottenwallner, NVwZ 2016, 1290 <1293>[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.10.2015 – 2 BvR 568/15 11[↩]