Infrastrukturbeitrag – oder: Das Ferienhaus am See

Lässt sich eine von kommunalen Körperschaften beherrschte juristische Person des Privatrechts in einem Grundstückskaufvertrag neben dem Kaufpreis die Zahlung ei-nes jährlichen „Infrastrukturbeitrags“ für kommunale Einrichtungen versprechen, verstößt die Vereinbarung gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Verbot, öffentliche Abgaben anders als nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen zu erheben, und ist daher nichtig.

Infrastrukturbeitrag – oder: Das Ferienhaus am See

Merke: Auch eine Gemeinde darf halt nicht zu erfinderisch bei ihren Gebühren werden.

Bei der Verpflichtung, einen jährlichen Infrastrukturbeitrag zu zahlen, kann es sich, so der Bundesgerichtshof, um eine verdeckte kommunale Abgabe handeln. Verhält es sich so, verletzt die Vereinbarung den Grundsatz, dass die Erhebung öffentlicher Abgaben nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen erfolgen darf, und wäre damit nichtig1. Im Einzelnen:

Die Grundstücksverkäuferin nimmt möglicherweise öffentliche Aufgaben in der Form einer juristischen Person des Privatrechts wahr (sog. Verwaltungsprivatrecht). Hierfür spricht neben dem unstreitigen Umstand, dass Gesellschafter der Klägerin die Samtgemeinde B. und der Landkreis O. sind, die Ausgestaltung der mit dem Beklagten geschlossenen Kaufverträge. Sie enthalten Bauverpflichtungen und Nutzungsbindungen, wie sie für einen städtebaulichen Vertrag im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB typisch sind2.

Nimmt die Grundstücksverkäuferin kommunale Aufgaben wahr, unterliegt sie den einschlägigen Bindungen des öffentlichen Rechts. Denn eine Verwaltungsbehörde kann sich den für die Erfüllung ihrer Aufgaben bestehenden gesetzlichen Vorgaben nicht unter Hinweis auf die Grundsätze der Privatautonomie entziehen. Zwar stehen ihr die privatrechtlichen Rechtsformen zur Verfügung; die Normen des Privatrechts werden aber durch die Bindungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert. Diese gelten auch dann, wenn die Verwaltung einen privatrechtlich organisierten Dritten mit der faktischen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betraut3.

Zu den grundlegenden öffentlich-rechtlichen Bindungen einer Verwaltungsbehörde gehört das in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Verbot, Abgaben anders als nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen zu erheben1. Es gilt gleichermaßen für die Modifizierung bestehender Abgabepflichten wie für die Begründung von Zahlungspflichten, welche einer Abgabe gleichkommen oder diese ersetzen sollen4. Die Gesetzesbindung der Verwaltung erstreckt sich auf die Vorschriften, die Form und Voraussetzungen der Abgabenerhebung regeln, und gewährleistet damit das aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgende Gebot der Abgabengerechtigkeit und Belastungsgleichheit5. Dieses würde verfehlt, wenn die Erhebung von Abgaben nicht allgemeinverbindlich geregelt wäre, sondern Gegenstand privatrechtlicher Einzelvereinbarungen sein könnte und damit letztlich im Belieben staatlicher Organe stünde6.

Die Voraussetzungen, unter denen Gemeinden und Landkreise Abgaben zur Finanzierung ihrer öffentlichen Einrichtungen erheben können, sind in den Kommunalabgabengesetzen der Länder geregelt. Dazu zählt die Bestimmung in § 2 Abs. 1 des hier einschlägigen Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG), wonach Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden dürfen. Sie schließt Vereinbarungen über abgabenähnliche Entgelte im Rahmen privat-rechtlicher Verträge aus. Einen solchen Charakter hat der Infrastrukturbeitrag, wenn es sich bei den dem Fremdenverkehr dienenden Einrichtungen im Erholungs- und Ferienpark A. see – ganz oder teilweise – um öffentliche Einrichtungen handelt7.

Ferner enthält das Kommunalabgabengesetz inhaltliche Vorgaben für die Erhebung von Abgaben zur Finanzierung öffentlicher Einrichtungen. § 6 NKAG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet, an den der Gemeinde bzw. dem Landkreis entstehenden Kosten für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung dieser Einrichtungen beteiligt werden können. § 9 NKAG enthält eine ähnliche Regelung für Kosten, die u.a. aus der Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung, Unterhaltung und Verwaltung von dem Fremdenverkehr dienenden Einrichtungen entstehen; sie können gemäß § 9 Abs. 2 NKAG auf alle selbständig tätigen Personen oder Unternehmen umgelegt werden, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Die damit verbundenen Beschränkungen bei der Beitragserhebung – beispielsweise dürfen nur Gemeinden, die als Kur-, Erholungs- oder Küstenbadeort staatlich anerkannt sind, Fremdenverkehrbeiträge nach § 9 NKAG erheben – folgen wiederum aus der Gesetzesbindung der öffentlichen Hand bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben; sie können durch den Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen nicht umgangen werden.

Das Abgabenrecht ist allerdings nicht ausnahmslos dispositionsfeindlich, vielmehr kann der Gesetzgeber Ausnahmen zulassen8.

Aus § 6 Abs. 1 Halbsatz 2 NKAG („soweit nicht privatrechtliche Entgelte erhoben werden“) folgt eine solche Ausnahme allerdings nicht. Hiermit wird dem Träger der öffentlichen Einrichtung nicht gestattet, Grundstückseigentümern anstelle eines Beitrages funktionsgleiche Zahlungen im Rahmen privatrechtlicher Vereinbarungen aufzuerlegen. Ihm wird vielmehr ein Wahlrecht eingeräumt, die jeweilige öffentliche Einrichtung entweder über Beiträge im Sinne von § 6 Abs. 1 NKAG oder aber über privatrechtlich ausgestaltete, an die tatsächliche Nutzung der Einrichtung anknüpfende Benutzungsentgelte zu finanzieren9.

Die Vereinbarung über den Infrastrukturbeitrag lässt sich auch nicht auf die den Gemeinden in § 11 Abs. 1 BauGB eingeräumte Befugnis zum Abschluss städtebauliche Folgenkostenverträge stützen. Zwar kann Gegenstand eines solchen – öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen – Vertrages auch die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB). Hierzu zählen von der Gemeinde zu schaffende, der Allgemeinheit dienende Anlagen und Einrichtungen10. Die Vereinbarung über den Infrastrukturbeitrag genügt aber nicht den gesetzlichen Anforderungen an einen städtebaulichen Folgekostenvertrag.

Es ist schon fraglich, ob der Grundstückskäufer als Träger eines Vorhabens im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB angesehen werden kann. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen kausalen Verknüpfung zwischen seinem Bauvorhaben (der Errichtung eines Ferienhauses) und der von ihm mitzufinanzierenden Folgemaßnahme. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB müssen die Maßnahmen, deren Kosten in einem städtebaulichen Vertrag übernommen werden, Voraussetzung oder Folge des Bauvorhabens des Bürgers sein; dass beide in einem sachlichen Zusammenhang stehen, genügt nicht11. Das Erfordernis der unmittelbaren Ursächlichkeit stellt sicher, dass kein unzulässiger „Verkauf von Hoheitsrechten“ stattfindet. Die Gemeinde darf sich den Erlass eines Bebauungsplans nicht durch eine weit gefasste Kostenübernahme „abkaufen“ lassen, sondern nur eine Entlastung von den Aufwendungen verlangen, zu denen der Erlass des Bebauungsplans geführt hat oder führen wird.

Folgekostenverträge müssen sich daher auf das beschränken, was von einem bestimmten Bauvorhaben an Folgen ausgelöst wird oder Voraussetzung für seine Verwirklichung ist; diese Kausalität definiert die Grenzen ihrer Zulässigkeit12.

Damit sich nachprüfen lässt, ob das Erfordernis der Ursächlichkeit gewahrt wurde, muss sich der Vertragswille der Beteiligten auf bestimmte Zusammenhänge zwischen dem Bauvorhaben und den dadurch veranlassten Folgeeinrichtungen und deren Kosten beziehen. Dem ist nur genügt, wenn die vereinbarten Beträge durch den Vertrag in bestimmter Höhe bestimmten Folgemaßnahmen zugeordnet werden13. Erforderlich ist eine so hinreichende Konkretisierung, dass eine klare Abgrenzung gegenüber schematischen „Zuzugsabgaben“ sichergestellt ist14.

Eine solche Konkretisierung lässt die Regelung über den Infrastrukturbeitrag nicht erkennen. Dessen Zweckbestimmung – Finanzierung von „Einrichtungen, die dem Fremdenverkehr im A. see Ferien- und Erholungspark dienen“ – ist so allgemein gehalten, dass sich nicht feststellen lässt, für welche konkrete Maßnahme der Kostenbeitrag geleistet werden soll. Eine Konkretisierung wäre indes erforderlich gewesen, da nicht jede dem Fremdenverkehr am A. see dienende Einrichtung infolge der Errichtung der Ferienhäuser des Beklagten notwendig geworden ist. Hinzu kommt, dass die Regelung keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Vorhaben und der durch den Beitrag zu finanzierenden Maßnahme herstellt. Die Zahlung des Investitionsbeitrags ist nicht befristet oder der Gesamtsumme nach begrenzt; die Klägerin kann die Zahlungen des Beklagten also noch Jahre nach der Errichtung des Ferienhauses für Investitionen in beliebige öffentliche Einrichtungen des Fremdenverkehrs verwenden. Damit lässt sich der Beitrag nicht von einer allgemeinen Mitfinanzierung des Freizeit- und Erholungsparks abgrenzen15.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. September 2009 – V ZR 2/09

  1. vgl. BVerwGE 64, 361, 363[][]
  2. vgl. Stich, in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Mai 2009, § 11 Rdn. 32; zur Koppelung mit einem Grundstücksvertrag: BGHZ 153, 93, 96 f.[]
  3. vgl. BGHZ 91, 84, 96; BGH, Urteil vom 21.07.2006 – V ZR 158/05, WM 2006, 2101, 2103; Urteil vom 04.05.2007 – V ZR 162/06, ZOV 2007, 30 sowie OVG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2006 – 9 KN 180/04 für einen Kurverein und OVG Bautzen, ZNER 2004, 379 für den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung[]
  4. vgl. BVerwGE 49, 125, 128 für Erschließungskosten[]
  5. vgl. BVerwGE 80, 99, 103; BVerwG ZMR 1979, 88, 89[]
  6. vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.02.2009 – 6 C 47/07[]
  7. vgl. zur Abgrenzung bei einem Kurort: OVG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2006, 9 KN 180/04[]
  8. vgl. BVerwGE 64, 361, 363; 89, 7, 11 f.; 90, 310, 312[]
  9. vgl. OVG Lüneburg, NVwZ 1999, 566, 568; OVG Bautzen, LKV 2008, 429, 431[]
  10. vgl. BVerwG ZfIR 2009, 464, 468[]
  11. vgl. BVerwG, aaO[]
  12. vgl. BVerwGE 42, 331, 343; 90, 310, 311 f.; Birk, Der städtebauliche Vertrag, 4. Aufl., Rdn. 512; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2009, § 11 BauGB Rdn. 164[]
  13. BVerwGE 42, 331, 343[]
  14. vgl. BVerwG, aaO, S. 344; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, aaO[]
  15. vgl. Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, aaO, Rdn. 161 u. 164[]