Eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung zur Erweiterung eines Kalksteinbruchs verstößt gegen Vorschriften des Habitats-, Arten- und Landschaftsschutzes, wenn dafür nicht zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vorliegen. Hat das zuständige Regierungspräsidium das Interesse an der Integrität des betroffenen FFH-Gebiets nicht mit dem erforderlichen Gewicht bei der Abwägung der zu beachtenden Belange berücksichtigt und ist die Änderungsgenehmigung, soweit sie artenschutzrechtliche Ausnahmen zulässt, nicht hinreichend bestimmt, so ist diese aufzuheben.

Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Freiburg einer Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegen die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung zur Erweiterung des Kalksteinbruchs in Bollschweil stattgegeben. Die Änderungsgenehmigung ist der Firma Knauf Marmorit durch das Regierungspräsidium Freiburg am 1. September 2010 erteilt worden.
In seiner Begründung hat das Verwaltungsgericht Freiburg Folgendes ausgeführt: Da die geplante Erweiterungsfläche am Osthang des Urbergs auf der Gemarkung Ehrenkirchen im FFH (Fauna-Flora-Habitat)-Gebiet „Schönberg mit Schwarzwaldhängen“ liege und von der Erweiterung auch nach Einschätzung des Regierungspräsidiums besonders und streng geschützte Arten betroffen seien, sei eine Erweiterung des Steinbruchs nur zulässig, wenn dafür zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vorlägen. Außerdem liege die Erweiterungsfläche im Geltungsbereich der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Schönberg“, von deren Festsetzungen das Steinbruchunternehmen ebenfalls nur aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses befreit werden dürfe.
Die vom Regierungspräsidium insoweit angeführte Sicherung von Rohstoffen und Arbeitsplätzen sowie Gründe des Umweltschutzes seien ihrer Art nach zwar tragfähige Gründe des öffentlichen Interesses. Bei Erteilung der Genehmigung vom 01.09.2010 sei das Regierungspräsidium auch noch davon ausgegangen, dass die Firma Knauf Marmorit dringend auf die Änderungsgenehmigung angewiesen sei, um den Betrieb in Bollschweil fortführen zu können, dass dadurch Arbeitsplätze gesichert würden und der produzierte Kalk in der Region aktuell benötigt werde. Die Firma habe aber kurz danach, im November 2010 erklärt, sie werde den Kalkabbau zum 31.03.2011 einstellen. Da es keine Anhaltspunkte für eine plötzliche Krise bzw. einen plötzlichen Umsatzeinbruch nach dem 01.09.2010 gebe, sei objektiv bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Regierungspräsidiums ungewiss gewesen, ob die Firma von der Genehmigung Gebrauch machen und tatsächlich in Zukunft am Urberg Kalkstein abbauen würde. Damit habe die Möglichkeit bestanden, dass das Vorkommen auch im Falle der Erteilung der Änderungsgenehmigung brach liegen würde. Je weiter aber die Unsicherheiten reichten, desto geringer wiege das öffentliche Interesse an dem Vorhaben. Den Zielen des Vorhabens dürfe kein von der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung unabhängiges Eigengewicht beigemessen werden.
Darüber hinaus habe das Regierungspräsidium das Interesse an der Integrität des betroffenen FFH-Gebiets nicht mit dem erforderlichen Gewicht bei der Abwägung der zu beachtenden Belange berücksichtigt. So habe es nicht erwähnt, dass das Projekt für den Waldmeister-Buchenwald und für die betroffenen Fledermausarten zunächst einem Totalverlust gleichkomme. Es würden zumindest Jahrzehnte vergehen, bis die gerodeten Flächen wieder mit Hochwald bewachsen seien und bis Altholz, Totholz und Baumhöhlen zur Verfügung stünden. Zudem sei die Änderungsgenehmigung, soweit sie artenschutzrechtliche Ausnahmen zulasse, nicht hinreichend bestimmt. Denn es sei weder der Genehmigung noch dem in Bezug genommennen artenschutzrechtlichen Gutachten eindeutig zu entnehmen, bezüglich welcher Arten Ausnahmen zugelassen werden sollten.
Verwaltungsgericht Freiburg, Urteil vom 11. Dezember 2012 – 3 K 1867/10