Zurückstellung vom Wehrdienst vor Aufnahme eines dualen Studiums

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in Abkehr von einer Vielzahl anderslautender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen entschieden, dass ein Wehrpflichtiger nur dann wegen eines Studiums mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung (dualer Bildungsgang) vom Grundwehrdienst zurückgestellt werden kann, wenn er den dualen Bildungsgang zum Zeitpunkt des vorgesehenen Diensteintritts bereits begonnen hat. Es reicht nicht aus, dass der Wehrpflichtige einen Vertrag über eine Berufsausbildung geschlossen hat, die den praktischen Teil des Studiums bildet.

Zurückstellung vom Wehrdienst vor Aufnahme eines dualen Studiums

Duale Bildungsgänge sind nach dem Wehrpflichtgesetz, was die Möglichkeit einer Zurückstellung vom Wehrdienst anbelangt, gegenüber einem hergebrachten Hochschulstudium privilegiert. Während ein solches nur dann eine Zurückstellung rechtfertigt, wenn zum vorgesehenen Diensteintritt das dritte Semester erreicht ist, stellt ein Studium mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung grundsätzlich schon ab dem Beginn eines der Teile des dualen Bildungsgangs einen Zurückstellungsgrund dar. Noch weitergehend genießen Berufsausbildungen ohne Studium Einberufungsschutz bereits dann, wenn sie rechtsverbindlich zugesagt oder vertraglich gesichert sind.

Der Kläger hatte noch als Schüler von einem Elektrokonzern nach einem Auswahlverfahren die Zusage für eine Ausbildung in einem dualen Bildungsgang erhalten. Er sollte nach seinem Abitur auf der Grundlage eines geschlossenen Ausbildungsvertrages eine betriebliche Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik durchlaufen und parallel – bei Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung – ein Studium mit dem Ziel eines Abschlusses als Bachelor of Engineering in Elektro- und Informationstechnik betreiben. Hierfür beantragte er seine Zurückstellung vom Grundwehrdienst.

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Die beklagte Wehrverwaltung lehnte die Zurückstellung des Klägers ab und berief ihn unmittelbar nach der Ablegung seines Abiturs zum Grundwehrdienst ein. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Ansbach Erfolg1. Auf die Revision der beklagten Wehrverwaltung hat das Bundesverwaltungsgericht nun jedoch einen Zurückstellungsanspruch des Klägers verneint.

Auch dann, wenn der praktische Teil eines dualen Bildungsgangs als eigenständige Berufsausbildung ausgestaltet ist, vermittelt er dem Auszubildenden nicht den gleichen, bereits ab der rechtlichen Sicherung eines Ausbildungsanspruchs eingreifenden Einberufungsschutz wie eine Berufsausbildung ohne Studium. Denn der Gesetzgeber hat die Zurückstellung wegen eines dualen Bildungsgangs in einer speziellen Bestimmung geregelt und dabei nicht an die betriebliche Ausbildung, sondern an das Studium angeknüpft, das die dualen Bildungsgänge prägt. Diese sind zwar mit Blick auf die sie kennzeichnende Verzahnung von Theorie und Praxis anders als herkömmliche Studiengänge von Beginn an vor wehrdienstbedingten Unterbrechungen geschützt. Gleichwohl wollte der Gesetzgeber der Wehrverwaltung die Möglichkeit erhalten, Abiturienten unmittelbar vor dem Beginn der weiterführenden Ausbildung zum Grundwehrdienst einzuberufen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Oktober 2010 – 6 C 20.09

  1. VG Ansbach – AN 15 K 09.00653 und AN 15 K 09.00875[]