Ist der Vertrieb eines parallelimportierten Arzneimittels im Inland in einer bestimmten Packungsgröße ohne weiteres dadurch möglich, dass die Originalverpackung mit weiteren Blisterstreifen aufgefüllt und umetikettiert wird, kann sich der Markeninhaber dem Vertrieb des Arzneimittels in einer neuen Verpackung unter Wiederanbringung der Marke widersetzen.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die Arzneimittel, die die Beklagte mit einer neuen Verpackung versieht, auf der sie die Klagemarke anbringt, ein zum Konzern der Klägerin gehöriges Unternehmen in der Tschechischen Republik unter dieser Bezeichnung in Verkehr gebracht. Hinsichtlich der Markenrechte der Klägerin sind in Bezug auf diese Waren die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG gegeben. Die Erschöpfung erstreckt sich – vorbehaltlich der Anwendung des § 24 Abs. 2 MarkenG – auf alle Handlungen, die nach § 14 Abs. 3 MarkenG eine Markenverletzung darstellen können. Auch das Recht, die Marke auf einer neuen Verpackung anzubringen und die Ware mit dieser Verpackung zu vertreiben (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 MarkenG), unterliegt der Erschöpfung [1].
Jedoch kann sich die Klägerin als Markeninhaberin dem weiteren Vertrieb der mit der Klagemarke gekennzeichneten umverpackten Arzneimittel aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Ein Umpacken der Ware durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers kann tatsächliche Gefahren für diese Herkunftsgarantie begründen [2].
Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel nach Art. 7 Abs. 2 MarkenRL (§ 24 Abs. 2 MarkenG), der eine Abweichung vom Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellt, ist jedoch nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts durch den Markeninhaber eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV (Art. 30 Satz 2 EG) darstellt [3]. Eine solche verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und der Parallelimporteur das Umpacken unter Beachtung der berechtigten Interessen des Markeninhabers vornimmt. Der Markeninhaber kann danach die Veränderung, die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke versehenen Arzneimittels verbunden ist und die ihrem Wesen nach die Gefahr einer Beeinträchtigung des Originalzustands des Arzneimittels schafft, verbieten, es sei denn, das Umpacken ist für die Vermarktung der parallel importierten Ware erforderlich und die berechtigten Interessen des Markeninhabers sind gewahrt [4]. Der Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels nach Art. 7 Abs. 2 MarkenRL widersetzen, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder angebracht hat, es sei denn, es liegen die fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten Erschöpfungsvoraussetzungen vor [5].
Im Streitfall ging der Bundesgerichtshof von einer künstlichen Marktabschottung aus:
Ob eine künstliche Marktabschottung vorliegt, beurteilt sich nach objektiven Kriterien und nicht danach, ob der Parallelimporteur eine darauf gerichtete Absicht des Markeninhabers nachweist. Von einer künstlichen Marktabschottung ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv zu einem Umpacken des Arzneimittels zwingen, um die betreffende Ware in diesem Mitgliedstaat in Verkehr bringen zu können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist von einer künstlichen Marktabschottung auch auszugehen, wenn der Parallelimporteur nur von einem Teilmarkt im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen wird. Das ist auch anzunehmen, wenn im Ausfuhrmitgliedstaat nur eine Packungsgröße eines Arzneimittels in Verkehr gebracht worden ist, während im Einfuhrmitgliedstaat neben dieser Packungsgröße eine weitere Packungsgröße vom Markeninhaber vertrieben wird. Dadurch wird der Parallelimporteur vom Vertrieb der weiteren Packungsgröße im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen. Dies begründet eine Zwangslage des Parallelimporteurs, die ein Umpacken rechtfertigt [6]. Dagegen begründen rein wirtschaftliche Vorteile, die sich der Parallelimporteur etwa durch eine werbewirksame und absatzfördernde Verwendung einer anderen Verpackung verspricht, grundsätzlich keine das Umpacken rechtfertigende Zwangslage [7].
Der Annahme einer künstlichen Marktabschottung steht nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte im Inland die aus der Tschechischen Republik importierte Packungsgröße mit 96 Tabletten vertreiben könnte. Diese Möglichkeit ändert – unabhängig von der Frage, welcher Absatz sich mit Packungen von 96 Tabletten erzielen lässt – nichts daran, dass die Beklagte ohne Umpacken im Inland von dem Teilmarkt der Packungen mit 120 Tabletten ausgeschlossen ist.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne das Umpacken in eigene Verpackungen unter Wiederanbringung der Klagemarke vornehmen. Sie sei nicht gehalten, das Umpacken durch Verwendung der Originalverpackungen vorzunehmen, indem diese mit zwei weiteren Blisterstreifen aufgefüllt und umetikettiert würden. Die Wahl zwischen dem Umpacken durch Neuverpackung einschließlich dem Wiederanbringen der Marke und dem Auffüllen der Originalverpackung mit Umetikettierung betreffe nur die Art und Weise des Umpackens, für die es nicht auf die Erforderlichkeit der Maßnahme ankomme. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Erfordernis, dass das Umpacken notwendig ist, um die Ware im Einfuhrmitgliedstaat vermarkten zu können, gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union für das Umpacken der Ware als solche sowie für die Wahl zwischen Neuverpackung und Überkleben im Hinblick darauf, den Vertrieb dieser Ware auf dem Markt des Einfuhrmitgliedstaates zu ermöglichen [8]. Dementsprechend schließt das Kriterium der Erforderlichkeit auch die Frage ein, ob das Umpacken durch Neuverpackung oder durch Umetikettierung der Originalverpackung zu geschehen hat [9], während die Gestaltung einer neuen Umverpackung eine Frage der Art und Weise des Umpackens ist [10]. Das Umpacken in neu hergestellte Kartons und die Wiederanbringung der Marke sind objektiv nicht erforderlich, um einen Zugang des Parallelimporteurs zum Markt zu gewährleisten, wenn dieser mit neuen Etiketten überklebte Originalkartons verwenden kann, in die weitere Blisterstreifen gefüllt werden. In einer solchen Fallkonstellation sind durch eine Verwendung einer neu gestalteten Verpackung mit Wiederanbringung der Marke statt der umetikettierten Originalpackung nur wirtschaftliche Interessen des Parallelimporteurs in Gestalt werbewirksamerer oder absatzfördernder Maßnahmen betroffen, die den an sich gegebenen Eingriff in die Rechte des Markeninhabers nicht rechtfertigen.
Hierzu bedarf es keines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, wenn der Lösung der Rechtsfrage eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrunde liegt [11]. Davon ist im Streitfall aufgrund der zahlreichen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu umgepackten Arzneimitteln auszugehen. Die Umsetzung dieser Entscheidungspraxis im konkreten Fall ist Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten [12].
Danach ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, auf die Erforderlichkeit der Neuverpackung und Wiederanbringung der Marke komme es im Streitfall nicht an, weil bei der Verwendung der Originalverpackung ein Auffüllen mit zwei Blisterstreifen und damit ein Umpacken erforderlich sei. Nach den vorstehenden Grundsätzen bezieht sich das Kriterium der Erforderlichkeit auch auf die Frage der Neuverpackung im Verhältnis zur Umetikettierung der Originalverpackung, die im Streitfall ohne weiteres möglich ist. Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, dass die Packung mit 96 Tabletten ohne weiteres mit zwei zusätzlichen Blisterstreifen auf eine Packungsgröße von 120 Tabletten aufgestockt werden kann. Die Beklagte ist in der Vergangenheit auch entsprechend verfahren. Dass die Verbraucher eine Abneigung gegen derart aufgefüllte Packungen haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revisionserwiderung hat auch nicht gerügt, dass entsprechender Vortrag der Beklagten übergangen worden wäre.
Andere Maßstäbe ergeben sich auch nicht aus der jüngeren BGH-Rechtsprechung. In dem der Entscheidung „STILNOX“ [13] zugrunde liegenden Sachverhalt vertrieb die Markeninhaberin im Ausfuhrmitgliedstaat eine Packung mit drei Blisterstreifen zu je 10 Tabletten, während sie im Einfuhrmitgliedstaat Packungen mit 10 und 20 Tabletten in Verkehr brachte. Bei dieser Konstellation hat der Bundesgerichtshof die Erforderlichkeit des Umpackens durch Neuverpackung für den gesamten Inhalt der importierten Originalpackung bejaht. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, weil für keinen der Blisterstreifen eine Neuverpackung notwendig ist. Entsprechendes gilt für die Entscheidung „CORDARONE“ [14], in der der Vertrieb des im Ausfuhrmitgliedstaat in der Packungsgröße zu 60 Tabletten in Verkehr gebrachten Produkts in der Originalverpackung im Einfuhrmitgliedstaat nicht in Rede stand. Auch in dem der Entscheidung „Micardis“ [15] zugrunde liegenden Sachverhalt bestand die Alternative zur Neuverpackung mit Wiederanbringung der Marke nicht in der Verwendung der umetikettierten Originalverpackung.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Februar 2011 – I ZR 172/09 – RENNIE
- vgl. EuGH, Urteil vom 11.07.1996 – C427/93, C429/93 und C436/93, Slg. 1996, I3457 = GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 34 bis 37, 49 f. – Bristol-Myers Squibb; BGH, Urteile vom 14.06.2007 – I ZR 173/04, GRUR 2007, 1075 Rn. 14 = WRP 2007, 1472 – STILNOX; und vom 12.07.2007 – I ZR 147/04, BGHZ 173, 217 Rn. 15 – Aspirin II[↩]
- vgl. EuGH, Urteile vom 23.04.2002 – C143/00, Slg. 2002, I3759 = GRUR 2002, 879 Rn. 29 – Boehringer Ingelheim/Swingward I; und vom 26.04.2007 – C348/04, Slg. 2007, I3391 = GRUR 2007, 586 Rn. 15, 30 – Boehringer Ingelheim/Swingward II[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 16 – Boehringer Ingelheim/Swingward II; Urteil vom 22.12. 2008 – C276/05, Slg. 2008, I10499 = GRUR 2009, 154 Rn. 23 – Wellcome/Paranova[↩]
- EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 19 – Boehringer Ingelheim/Swingward II; BGHZ 173, 217 Rn. 18 – Aspirin II[↩]
- vgl. EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 79 – Bristol-Myers Squibb; GRUR 2007, 586 Rn. 21 – Boehringer Ingelheim/Swingward II[↩]
- vgl. EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 52 bis 54 – Bristol-Myers Squibb; BGH, Urteil vom 05.06.2008 – I ZR 208/05, GRUR 2008, 1089 Rn. 34 = WRP 2008, 1554 – KLACID PRO[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2002, 879 Rn. 46 bis 48 – Boehringer Ingelheim/Swingward I; BGHZ 173, 217 Rn. 22 – Aspirin II[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 38 – Boehringer Ingelheim/Swingward II[↩]
- vgl. EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 55 – Bristol-Myers Squibb; EuGH, Urteil vom 23.04.2002 – C443/99, Slg. 2002, I3703 = EuZW 2002, 542 Rn. 28 f. – Merck, Sharp & Dohme/Paranova; EuGH, GRUR 2002, 879 Rn. 49 f. – Boehringer Ingelheim/Swingward I; hierzu auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 12.07.2001 in der Rechtssache C443/99, Slg. 2002, I3703 Rn. 111 – Merck, Sharp & Dohme/Paranova; BGH, Urteil vom 11.07.2002 – I ZR 219/99, GRUR 2002, 1059, 1062 = WRP 2002, 1163 – Zantac/Zantic; Urteil vom 11.07.2002 – I ZR 35/00, GRUR 2002, 1063, 1066 = WRP 2002, 1273 – Aspirin I[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2009, 154 Rn. 25 – Wellcome/Paranova; vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 11.07.1996 – C71 bis 73/94, Slg. 1996, I3603 = WRP 1996, 867 Rn. 38 – EurimPharm[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 30.09. 2003 – C224/01, Slg. 2003, I10239 = NJW 2003, 3539 Rn. 118 – Köbler[↩]
- vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 06.04.2006 in der Rechtssache C348/04, Slg. 2007, I3391 Rn. 3 – Boehringer Ingelheim/Swingward II[↩]
- BGH, GRUR 2007, 1075[↩]
- BGH, Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 148/04, BGHZ 173, 230[↩]
- BGH, Urteil vom 13.12. 2007 – I ZR 89/05, GRUR 2008, 707 = WRP 2008, 944[↩]