Rundfunkgebühren und das Einkommen der Mitbewohner

Einkommen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert einschließlich der Sozialleistungen, vermindert um die Absetzungsbeträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII.

Rundfunkgebühren und das Einkommen der Mitbewohner

Sozialhilfeempfänger fallen in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV, weil die Sozialhilfe regelmäßig auch Leistungen für die Unterkunft umfasst und damit den „einfachen Sozialhilferegelsatz“ übersteigt.

Diese Personengruppe kann entsprechend der Systematik der §§ 5 und 6 RGebStV eine Entlastung von den Rundfunkgebühren durch einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV erreichen.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV ist Rundfunkteilnehmer, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer – vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV – für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten.

Eine Rundfunkgebühr ist allerdings nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV nicht zu leisten für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehalten werden, wobei aber für Rundfunkempfangsgeräte in mehreren Wohnungen für jede Wohnung eine Rundfunkgebühr zu entrichten ist. Eine Rundfunkgebührenpflicht im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV besteht nach dessen Satz 2 auch nicht für Zweitgeräte, die von Personen zum Empfang bereitgehalten werden, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben und deren Einkommen den einfachen Sozialhilferegelsatz nicht übersteigt.

Einkommen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, vermindert um die Absetzungsbeträge nach § 76 Abs. 2 BSHG bzw. für Zeiträume ab dem 1.01.2005 nach § 82 Abs. 2 SGB XII1, weil diese Berechnung des nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV maßgeblichen Einkommens (u. a.) wegen der Anknüpfung an den Sozialhilferegelsatz bzw. der Gegenüberstellung der Begriffe „Einkommen“ und „einfacher Sozialhilferegelsatz“ in dieser Vorschrift, die einen Vergleich dieser beiden Parameter erfordert und damit auch deren Vergleichbarkeit voraussetzt, geboten ist2.

Insoweit – d. h. zur Ermittlung der von den Einkünften abzusetzenden Beträge – hat der Gesetzgeber den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff des § 76 BSHG bzw. des § 82 SGB XII in Bezug genommen. Es bestehen aber keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dieser Einkommensbegriff auch im Übrigen zur Anwendung gelangen soll, was zur Folge hätte, dass beispielsweise Leistungen nach dem SGB XII die gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht zum Einkommen gehören, im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV unberücksichtigt blieben.

Gegen eine umfassende Geltung des sozialhilferechtlichen Einkommensbegriffs im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV spricht bereits dessen Wortlaut. Denn hätte der Gesetzgeber in jeder Hinsicht an den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff anknüpfen und die sozialhilferechtliche Einkommens- und Bedarfsberechnung umfassend in Bezug nehmen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er das Einkommen nicht nur dem Sozialhilferegelsatz, sondern dem gesamten sozialhilferechtlichen Bedarf gegenübergestellt und § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV etwa wie folgt formuliert hätte: „Eine Rundfunkgebührpflicht im Rahmen des Satzes 1 besteht auch nicht für weitere Rundfunkempfangsgeräte, die von Personen zum Empfang bereitgehalten werden, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben und deren Einkommen im Sinne des SGB XII … den nach dem SGB XII … zu berücksichtigenden Bedarf nicht übersteigt.“ Dann hätte der Gesetzgeber insoweit aber auch gleich – wie in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV – an den Bezug von Sozialhilfe anknüpfen können. Stattdessen hat er in § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV die gesamten Einkünfte – unabhängig von deren Herkunft – dem „einfachen Sozialhilferegelsatz“ gegenüber gestellt und damit nur in diesem eingeschränkten Umfang einen Vergleich zwischen dem Einkommen der betreffenden Person und dem Bedarf, der durch den sozialhilferechtlichen Regelsatz gedeckt wird, vorgesehen.

Auch die Systematik der §§ 5 und 6 RGebStV spricht für die oben dargestellte Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV. Würde man diese Vorschrift entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung dahingehend auslegen, dass der sozialhilferechtliche Einkommensbegriff des § 82 SGB XII im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV umfassend zur Anwendung käme, würden Sozialhilfeleistungen nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht zum Einkommen gehören, so dass Sozialhilfeempfänger, die mit Rundfunkteilnehmern in häuslicher Gemeinschaft leben und selbst Rundfunkgeräte zum Empfang bereithalten, regelmäßig von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV freigestellt wären. Dies hätte wiederum die vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollte Folge, dass ein Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV mit der Nachweispflicht nach § 6 Abs. 2 RGebStV in den Fällen, in denen Personen mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben, selbst Rundfunkgeräte zum Empfang bereithalten und Sozialhilfe beziehen, regelmäßig überflüssig wäre und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV in diesen Fällen leer liefe.

Für eine umfassende Anwendung des sozialhilferechtlichen Einkommensbegriffs bzw. der sozialhilferechtlichen Einkommensberechnung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV besteht auch von vornherein keine Notwendigkeit, weil § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV für die Personengruppe der Empfänger von Sozialhilfe und anderer in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV im Einzelnen aufgeführter Sozialleistungen eine spezielle Regelung (mit einer besonderen Nachweispflicht nach § 6 Abs. 2 RGebStV) trifft. Auch im vorliegenden Fall hätte die Klägerin, die Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, ohne weiteres gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden können, wenn sie – wie in der Vergangenheit – auch für den hier streitigen Zeitraum von Dezember 2007 bis Februar 2008 den nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV erforderlichen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gestellt und die Voraussetzungen hierfür nach § 6 Abs. 2 RGebStV nachgewiesen hätte.

Dem Interesse der Bezieher von Sozialhilfe, wegen ihrer wirtschaftlichen Situation keine Rundfunkgebühren zahlen zu müssen, wird dementsprechend auch nicht in § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV, sondern durch § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV Rechnung getragen. § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV hat hingegen in der Regel den Fall zum Gegenstand, dass Kinder, die zu Hause leben, über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügen, aber wegen der Unterhaltsleistungen ihrer Eltern keine Soziahilfe beziehen. In diesem Fall soll ein einfacher Vergleich zwischen dem Einkommen des Kindes, vermindert um die Absetzungsbeträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII, und dem Sozialhilferegelsatz klären, ob es in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt. Dies wäre jedoch nicht mehr gewährleistet, wenn zwischen den Einkunftsarten (Einkünfte aus Erwerbstätigkeit oder aus Sozialleistungen) zu unterscheiden und eine umfassende (sozialhilferechtliche) Einkommensberechnung erforderlich wäre.

Schließlich spricht auch ein Vergleich von Personen, die Erwerbseinkommen und ergänzende Sozial-(hilfe-)leistungen in verschiedener Höhe beziehen, dafür, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV die sozialhilferechtliche Einkommensberechnung nur insoweit in Bezug nimmt, als es um die vom Einkommen abzusetzenden Beträge geht:

Eine Person, die mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, selbst ein Rundfunkgerät zum Empfang bereithält und nach Abzug der Beträge gemäß § 82 Abs. 2 SGB XII beispielsweise 400 EUR monatliches Erwerbseinkommen hat und monatlich 200 EUR ergänzende Leistungen nach dem SGB XII in Form von Leistungen für die Unterkunft bzw. Wohngeld in dieser Höhe bezieht, kommt nicht in den Genuss der Rundfunkgebührenfreiheit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV, da bereits ihr in jedem Falle anzurechnendes Erwerbseinkommen über dem Sozialhilferegelsatz liegt.

Eine Person, die hingegen nur 200 EUR Nettoerwerbseinkommen im Monat und damit weniger als den einfachen Sozialhilferegelsatz und darüber hinaus 400 EUR ergänzende Leistungen nach dem SGB XII bezieht, käme hingegen in den Genuss des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV, wenn die SGB XIILeistungen in Anwendung des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht zum Einkommen gerechnet würden.

Dies würde zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen, da beide Personen über insgesamt gleich hohe Einkünfte aus eigenem Erwerbseinkommen und ergänzenden Sozialleistungen verfügen. Diese Ungleichbehandlung wird vermieden, wenn die Sozialleistungen bei der Einkommensermittlung ebenfalls berücksichtigt werden mit der Folge, dass beide Personen in dem oben gebildeten Beispiel Einkünfte über dem einfachen Sozialhilferegelsatz haben und deshalb nicht in den Genuss der Rundfunkgebührenfreiheit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV gelangen, aber stattdessen – wie vom Gesetzgeber für diese Fälle vorgesehen – eine Rundfunkgebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV beantragen können.

Nach allem sind Einkommen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV alle Einkünfte einschließlich der Sozialleistungen in Geld oder Geldeswert, vermindert um die Absetzungsbeträge nach § 76 Abs. 2 BSHG bzw. für Zeiträume ab dem 1.01.2005 nach § 82 Abs. 2 SGB XII. Sozialhilfeempfänger fallen danach in aller Regel nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV, weil die Sozialhilfe regelmäßig auch Leistungen für die Unterkunft umfasst und damit den „einfachen Sozialhilferegelsatz“ übersteigt. Diese Personengruppe kann entsprechend der oben dargestellten Systematik der §§ 5 und 6 RGebStV eine Entlastung von den Rundfunkgebühren nur durch einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV erreichen.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 20. Januar 2012 – 4 LB 71/10

  1. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 26.08.2009 – 4 LC 460/07 ; ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2011 – 2 S 685/10; und Hessischer VGH, Urteil vom 19.05.2009 – 10 A 2476/08 ; a. A.: Bayerischer VGH, Urteil vom 17.10.2006 – 7 BV 05.2898 , und OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.12.2008 – 3 O 55/08[]
  2. siehe hierzu ausführlich Nds. OVG, Beschluss vom 26.08.2009 – 4 LC 460/07[]