Sonderkündigungsschutz für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten

Ein Arbeitgeber kann seinem zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs verpflichtend bestellten Datenschutzbeauftragten nur außerordentlich aus wichtigem Grund kündigen. Der durch § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BDSG in Verbindung mit § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG normierte Sonderkündigungsschutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist sowohl mit europäischem Unionsrecht als auch mit nationalem Verfassungsrecht vereinbar.

Sonderkündigungsschutz für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten

Für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes ist es ohne Bedeutung, dass die Kündigung während der im Arbeitsvertrag vereinbarten Probezeit von sechs Monaten sowie der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) zugegangen ist1. Anderes wäre weder mit dem Wortlaut der Regelung vereinbar, der insoweit keine Einschränkungen vorsieht, noch mit dem Zweck des Sonderkündigungsschutzes, durch den die „Position“ des Datenschutzbeauftragten gestärkt werden soll2.

Ist die Stellung des Arbeitnehmers als Datenschutzbeauftragter aufgrund Abberufung beendet, kann er sich auf den nachwirkenden Kündigungsschutz gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 BDSG berufen.

Vereinbarkeit des Sonderkündigungsschutzes mit Unionsrecht

Dem durch § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG bewirkten Sonderkündigungsschutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten steht Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO, der nur ein Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Datenschutzbeauftragten „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ vorsieht, nicht entgegen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 22.06.20223 aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 30.07.20204) entschieden, dass Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der einem bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigten Datenschutzbeauftragten nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, auch wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, sofern diese Regelung die Verwirklichung der Ziele der Datenschutz-Grundverordung nicht beeinträchtigt.

Durch die Kündigungsschutzbestimmungen in § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG wird die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt.

Ziel des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ist nach dem Erwägungsgrund 97 zur DSGVO, dass die Datenschutzbeauftragten unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Beschäftigte des Verantwortlichen handelt oder nicht, ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit „ausüben können sollten“5. Es soll im Wesentlichen die funktionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gewahrt und damit die Wirksamkeit der Bestimmungen der DSGVO gewährleistet werden6. Dabei steht es jedem Mitgliedstaat frei, in Ausübung seiner vorbehaltenen Zuständigkeit besondere, strengere Vorschriften für die arbeitgeberseitige Kündigung eines Datenschutzbeauftragten vorzusehen, sofern diese mit dem Unionsrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der DSGVO, vor allem Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO, vereinbar sind7. Diese führen dann zu einer unzulässigen Beeinträchtigung der mit der DSGVO verfolgten Ziele, wenn ein strengerer nationaler Schutz jede durch einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter ausgesprochene Kündigung eines Datenschutzbeauftragten verböte, der nicht mehr die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen beruflichen Eigenschaften besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt8.

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Durch § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG werden die Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt. Die Kündigung – wie auch die Abberufung – des Datenschutzbeauftragten ist nach nationalem Recht zwar an besondere Anforderungen geknüpft, da jeweils die Schwelle des „wichtigen Grundes“ erreicht werden muss. Damit werden die Voraussetzungen, unter denen der Verantwortliche das Arbeitsverhältnis mit einem verpflichtend benannten Datenschutzbeauftragten beenden kann, erhöht, jedoch ist ihm dies weder unmöglich noch unzumutbar erschwert. Insbesondere ist auch nach nationalem Recht nicht „jede“ Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten, der nicht mehr die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen beruflichen Eigenschaften besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt9, verboten. Die personen- oder verhaltensbedingten Gründe müssen nur die Erheblichkeitsschwelle des „wichtigen Grundes“ erreichen. Die Möglichkeit eines Abberufungsverlangens durch die Aufsichtsbehörden der Länder nach § 40 Abs. 6 Satz 2 BDSG unterstreicht, dass Datenschutzbeauftragte, die ihre Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllen, nach nationalem Recht nicht vor jedem Verlust ihrer Rechtsstellung geschützt werden. Zur Sicherung der Ziele der DSGVO wird es im Übrigen in der Regel – neben der Abberufung des Datenschutzbeauftragten – nicht erforderlich sein, dessen Arbeitsverhältnis zu kündigen10.

Eine Beeinträchtigung der Ziele der DSGVO durch die Sonderkündigungsschutznorm des § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG ist auch vorliegend nicht gegeben. Der dazu gehaltene pauschale Vortrag der Arbeitgeberin, wonach es sich nach kurzer Zeit herausgestellt habe, dass die anfallenden Aufgaben von einer internen Datenschutzbeauftragten nicht hätten erledigt werden können, viele Aufgaben unbearbeitet geblieben seien und diese auch nicht zeitnah und termingerecht „von einer einzigen Datenschutzbeauftragten“ hätten erbracht werden können, ist nicht geeignet, eine unzulässige Beeinträchtigung der Ziele der DSGVO allein durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund der nationalen Kündigungsschutzregelung aufzuzeigen.

Vereinbarkeit des Sonderkündigungsschutzes mit den Grundrechten der Arbeitgeberin

Die normative Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes von betrieblichen Datenschutzbeauftragten verstößt nicht gegen die Grundrechte der Arbeitgeberin aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG.

Eine grundrechtliche Prüfung der Sonderkündigungsschutznorm für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG und ihrer Anwendung ist primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes vorzunehmen11. Es handelt sich hierbei um unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bestehen hinsichtlich datenschutzrechtlicher Regelungen und den diese ergänzenden arbeitsrechtlichen Regelungen „geteilte Zuständigkeiten“ der Union und der Mitgliedstaaten12. Die DSGVO enthält zahlreiche Öffnungsklauseln, mit denen sie die Normsetzungskompetenz ausdrücklich auf die Mitgliedstaaten überträgt, wodurch sie sich von einer klassischen Verordnung unterscheiden und in die Nähe einer Richtlinie rücken lässt13.

In Bezug auf das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG ist schon der Schutzbereich nicht berührt. Die Eigentumsgarantie schützt das Erworbene, also die Ergebnisse geleisteter Arbeit, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, mithin die Betätigung selbst. Da sich die Arbeitgeberin gegen Regelungen wendet, die ihre Erwerbs- und Leistungstätigkeit als Unternehmerin beeinträchtigen (können), ist allein der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt14. Die Begrenzung der Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, für die der Schutz des Art. 14 GG grundsätzlich in Betracht kommt, sind dabei nur mittelbare Folgen der angegriffenen Handlungsbeschränkung; Art. 14 Abs. 1 GG wird daher von Art. 12 Abs. 1 GG als dem sachnäheren Grundrecht verdrängt15.

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Hinsichtlich des Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG16 ist die gesetzliche Regelung gemessen an der Regelungsabsicht eine geeignete, erforderliche wie auch angemessene Einschränkung der Berufsfreiheit, die im Wesentlichen dem Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte (§ 15 Abs. 1 KSchG) oder Immissionsschutzbeauftragte (§ 58 Abs. 2 BImSchG) entspricht.

Der Sonderkündigungsschutz ist dazu geeignet, dass betriebliche Datenschutzbeauftragte ihre sich aus § 7 BDSG ergebenden Aufgaben und Befugnisse selbstbewusst gegenüber dem Arbeitgeber durchführen und einfordern sowie ihre Unabhängigkeit im Interesse eines effektiven Datenschutzes zu stärken17. Soweit die Arbeitgeberin diese Zielsetzung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22.06.202218 nicht mehr für maßgeblich hält, verkennt sie, dass der Gerichtshof nicht zur Auslegung des nationalen Rechts berufen ist19.

Das verfassungsrechtliche Geeignetheitsgebot verlangt keine vollständige Zielerreichung, sondern lediglich eine Eignung zur Förderung des legislativen Ziels. Der Gesetzgeber verfügt in der Beurteilung der Eignung einer Regelung über eine Einschätzungsprärogative. Verfassungsrechtlich genügt es grundsätzlich, wenn die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt20.

Durch den Sonderkündigungsschutz wird der Datenschutzbeauftragte vor einem Arbeitsplatzverlust bewahrt, der ihm – und sei es in verschleierter Form – wegen der Ausübung seiner Tätigkeit drohen kann. Durch den besonderen Kündigungsschutz wird seine Unabhängigkeit bei der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben geschützt, was der Durchsetzung der Ziele des BDSG und der DSGVO zugutekommt. Eine solche Sicherstellung der Amtsausübung hält sich jedenfalls im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative.

Der besondere Kündigungsschutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist für die vom Gesetzgeber erstrebten Ziele erforderlich.

Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu21.

Der Gesetzgeber hat sich mit der Frage der Erforderlichkeit des Sonderkündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte ausdrücklich beschäftigt und angenommen, dass sich das bis zum Jahr 2009 bestehende gesetzliche Benachteiligungsverbot sowie die erschwerte Möglichkeit der Abberufung des Datenschutzbeauftragten als in der Praxis nicht ausreichend erwiesen habe, vor allem dann, wenn die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten – was der Regelfall sei – nur als Teilaufgabe wahrgenommen werde22. Dass eine das Grundrecht der Arbeitgeberin aus Art. 12 Abs. 1 GG weniger belastende, aber sachlich in jeder Hinsicht gleichwertige Regelung zur Zweckerreichung des gesetzgeberischen Ziels möglich wäre, ist – auch angesichts des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers – nicht zu erkennen. Insbesondere ist nicht offensichtlich, dass ein Sonderkündigungsschutz, der – ähnlich wie das Benachteiligungsverbot – allein an die „Erfüllung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten“ anknüpfte, dieselbe Wirksamkeit hätte.

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Der Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne.

Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die entgegenstehenden verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter unter Ausnutzung seines Einschätzungs, Wertungs- und Gestaltungsspielraums gegeneinander abzuwägen und in einen Ausgleich zu bringen23.

Der Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Arbeitgeberin, in ihrem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die ihren Vorstellungen entsprechen, und deren Zahl auf das von ihr bestimmte Maß zu beschränken, ist durchaus erheblich. Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber genommen, selbst wenn der Kündigungssachverhalt nichts mit der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zu tun hat. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber der Sache nach an das einmal gewählte Konzept eines betriebsinternen Datenschutzbeauftragten gebunden bleibt, da auch die Abberufung nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG nur in entsprechender Anwendung des § 626 BGB zulässig ist. Eine organisatorische Änderung, nach der der betriebliche Datenschutz zukünftig durch einen externen statt durch einen internen Datenschutzbeauftragten gewährleistet werden soll, rechtfertigt den Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund nicht24. Dadurch wird die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in besonderer Weise erschwert und zwar bereits in der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG), während der das Arbeitsverhältnis regelmäßig unter erleichterten Bedingungen beendet werden kann.

Dem stehen aber die vom Gesetzgeber als besonders wichtig angesehenen Ziele des Datenschutzes gegenüber, dessen Effizienz von einem unabhängigen Datenschutzbeauftragten besonders gefördert werden kann. Das BDSG dient der Umsetzung der DSGVO und soll ein reibungsloses Zusammenspiel mit ihr ermöglichen25. Die DSGVO hebt in Erwägungsgrund 1 hervor, dass der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ein Grundrecht ist (vgl. Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 16 Abs. 1 AEUV). Angesichts dieser Bedeutung des Datenschutzes, die sich der deutsche Gesetzgeber zu eigen gemacht hat, können auch erhebliche Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit von Grundrechtsträgern als verhältnismäßig angesehen werden. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass von dem Verantwortlichen nichts Unzumutbares verlangt wird. Die Kündigung (und auch die Abberufung) des Datenschutzbeauftragten ist zwar erschwert, aber an den Maßstab des § 626 Abs. 1 BGB („wichtiger Grund“) gebunden, der gerade auf die Unzumutbarkeit der Beschäftigung bis zum Ablauf der (ordentlichen) Kündigungsfrist abstellt.

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Insoweit geht die Arbeitgeberin zu Unrecht davon aus, sie könne einem internen Datenschutzbeauftragten „auf Lebenszeit“ nicht mehr betriebsbedingt kündigen. Vielmehr kommt nach das Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anderenfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde26.

Darüber hinaus hat sich die Arbeitgeberin freiwillig dafür entschieden, ihre gesetzlichen Aufgaben auf einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu übertragen, dessen Arbeitsverhältnis während dieser Zeit einem besonderen Kündigungsschutz unterliegt. Bei der erstmaligen Benennung eines Datenschutzbeauftragten kann eine nichtöffentliche Stelle frei entscheiden, ob sie einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten benennen will27. Davon unterscheidet sich der ähnlich starke Sonderkündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds in § 15 Abs. 1 KSchG (der durch das Erfordernis der Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG sogar noch verstärkt wird). Wenn der Arbeitgeber hingegen von seinem Wahlrecht Gebrauch macht und sich für einen internen Datenschutzbeauftragten entscheidet, ist der in diesem Zusammenhang bereits feststehende Sonderkündigungsschutz nach § 38 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG nicht unverhältnismäßig, sondern beruht ebenso auf einer freien Entscheidung des Verantwortlichen wie die Benennung eines Arbeitnehmers zum internen Datenschutzbeauftragten, der sich noch in der gesetzlichen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG befindet.

Die Arbeitgeberin beruft sich ohne Erfolg auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat mit dem Kündigungsschutz aus § 38 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen28. Selbst wenn wegen des Rechts der Arbeitgeberin aus Art. 12 Abs. 1 GG vorliegend nicht nur eine bloße Willkürkontrolle, sondern eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen wäre29, läge keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG vor.

Soweit die Arbeitgeberin auf eine ungleiche Behandlung von Arbeitgebern, die (interne) Datenschutzbeauftragte beschäftigen und solchen, die (interne) Immissionsschutzbeauftragte (vgl. § 58 Abs. 2 BImSchG; sh. zB auch Gewässerschutzbeauftragte (§ 66 WHG iVm. § 58 Abs. 2 BImSchG), Störfallbeauftragte (§ 58d iVm. § 58 Abs. 2 BImSchG) oder Abfallbeauftragte (§ 60 Abs. 3 KrWG iVm. § 58 Abs. 2 BImSchG) beschäftigen, abstellt, liegt eine „wesentlich ungleiche“ Behandlung der betroffenen Arbeitgebergruppen hinsichtlich der Beachtung eines Sonderkündigungsschutzes der jeweiligen „Beauftragten“ nicht vor. Vielmehr ist der Sonderkündigungsschutz sogar „gleich“ ausgestaltet. Es kommt nach § 38 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG ebenso wie nach § 58 Abs. 2 Satz 1 BImSchG nur eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht.

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Der von der Arbeitgeberin in diesem Zusammenhang in den Vordergrund gerückte, unterschiedlich ausgestaltete Abberufungsschutz von Datenschutzbeauftragten und – beispielsweise – Immissionsschutzbeauftragten, ist für die grundrechtliche Beurteilung des Sonderkündigungsschutzes ohne Bedeutung. Selbst wenn die Abberufung der Arbeitnehmerin wegen einer „Unwirksamkeit“ der Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG ohne jeden Grund und mit sofortiger Wirkung gleichzeitig mit der Kündigung vom 13.07.2018 oder sogar unmittelbar nach ihrer Bestellung möglich gewesen wäre, stünde der Arbeitnehmerin der nachwirkende Sonderkündigungsschutz aus § 38 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 3 BDSG zu, der ebenfalls nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zulässt. Auch dieser ist wie für die anderen „Beauftragten“ (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 BImSchG) beziehungsweise für Betriebsratsmitglieder (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG) ausgestaltet, so dass insoweit keine „wesentlich ungleiche“, sondern sogar eine „wesentlich gleiche“ Behandlung vorliegt.

Soweit eine Gruppenbildung der Datenschutzbeauftragten vorgenommen (interner Datenschutzbeauftragter gegenüber externem Datenschutzbeauftragten) und ein Defizit beim Kündigungsschutz des Dienstvertrags des externen Datenschutzbeauftragten gesehen wird, wodurch dessen Abberufungsschutz in § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG „unterlaufen“ werde, ist schon nicht erkennbar, welche für die Arbeitgeberin günstigen Rechtsfolgen daraus abgeleitet werden sollen. Unabhängig davon verkennt die Arbeitgeberin, dass sich das Arbeitsverhältnis eines internen Datenschutzbeauftragten gemäß § 611a BGB vom freien Dienstverhältnis eines externen Datenschutzbeauftragten nach § 611 BGB „wesentlich“ unterscheidet, wie schon die prinzipiell freie Kündbarkeit des letzteren (§ 620 Abs. 2 BGB) zeigt30. Die Arbeitgeberin wendet sich darüber hinaus auch hier der Sache nach gegen die Abberufungsvorschriften, die sie als belastend empfindet. Deren Wirksamkeit spielt aber – wie in Rn. 37 ausgeführt – vorliegend keine Rolle.

Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund

Nach § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit greift der Gesetzgeber die Formulierung aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG auf, die sich wiederum an § 626 Abs. 1 BGB anlehnt, wo der Fall einer außerordentlichen Kündigung geregelt ist.

Für die Wirksamkeit einer solchen außerordentlichen Kündigung reicht es nicht aus, dass ein wichtiger Grund für sie „objektiv“ vorgelegen hat, wenn nur eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde31. Auch zu § 15 Abs. 1 KSchG ist anerkannt, dass allein das Bestehen eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung nicht ausreicht, sondern eine solche auch ausgesprochen sein muss32.

Ob die Umdeutung einer von der Arbeitgeberin erklärten ordentlichen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger oder sozialer Auslauffrist nach § 140 BGB überhaupt möglich ist, konnte das Bundesarbeitsgericht im hier entschiedenen Fall dahinstehen lassen. Vorliegend kam dies jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil kein wichtiger Grund für die Kündigung vorlag. 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. August 2022 – 2 AZR 225/20

  1. vgl. zur Probezeit: ErfK/Franzen 22. Aufl. BDSG § 38 Rn. 10; zur Wartezeit: Schaub ArbR-HdB/Rinck 19. Aufl. § 145 Rn. 7[]
  2. vgl. BT-Drs. 16/12011 S. 30 zu § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG aF[]
  3. EuGH 22.06.202 – C-534/20 – [Leistritz][]
  4. BAG 30.07.2020 – 2 AZR 225/20 (A[]
  5. EuGH 22.06.2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 26 f.[]
  6. vgl. EuGH 22.06.2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 28[]
  7. vgl. EuGH 22.06.2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 34[]
  8. vgl. EuGH 22.06.2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 35[]
  9. so ausdrücklich EuGH 22.06.2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 35[]
  10. vgl. APS/Greiner 6. Aufl. DSGVO Art. 38 Rn. 30[]
  11. vgl. BVerfG 6.11.2019 – 1 BvR 16/13 – [Recht auf Vergessen I] Rn. 42, BVerfGE 152, 152[]
  12. vgl. EuGH 22.06.2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 30 ff.[]
  13. so ausdrücklich EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts de la Tour vom 27.01.2022 – C-534/20 – [Leistritz] Fn. 28[]
  14. vgl. BVerfG 30.07.2008 – 1 BvR 3262/07 ua., zu B I 1 a der Gründe, BVerfGE 121, 317[]
  15. vgl. BVerfG 8.06.2010 – 1 BvR 2011/07 ua., zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 126, 112[]
  16. vgl. BVerfG 30.07.2003 – 1 BvR 792/03, zu B II 1 a der Gründe[]
  17. vgl. BAG 5.12.2019 – 2 AZR 223/19, Rn. 45 f., BAGE 169, 59; zu den Zielen des Sonderkündigungsschutzes nach dem BDSG aF, die der Gesetzgeber in der Neufassung der Sache nach fortgeschrieben hat, vgl. BT-Drs. 18/11325 S. 82[]
  18. - C-534/20 – [Leistritz] Rn. 31[]
  19. vgl. EuGH 6.03.2018 – C-52/16 und – C-113/16 – [SEGRO und Horváth] Rn. 98[]
  20. vgl. BVerfG 7.04.2022 – 1 BvL 3/18 ua., Rn. 300; 8.07.2021 – 1 BvR 2237/14 ua., Rn. 131 mwN, BVerfGE 158, 282[]
  21. vgl. BVerfG 23.03.2022 – 1 BvR 1187/17, Rn. 125; 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 ua., Rn.204[]
  22. vgl. BT-Drs. 16/12011 S. 30[]
  23. vgl. BVerfG 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, Rn.203; 23.03.2022 – 1 BvR 1187/17, Rn. 134 mwN[]
  24. BAG 23.03.2011 – 10 AZR 562/09, Rn. 18 ff.[]
  25. vgl. BT-Drs. 18/11325 S. 1[]
  26. vgl. BAG 27.06.2019 – 2 AZR 50/19, Rn. 13; 18.06.2015 – 2 AZR 480/14, Rn. 30, BAGE 152, 47[]
  27. vgl. BAG 23.03.2011 – 10 AZR 562/09, Rn.19[]
  28. vgl. zu Letzterem BVerfG 8.06.2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 16 mwN; 26.01.1993 – 1 BvL 38/92 ua., zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 88, 87[]
  29. vgl. dazu BVerfG 21.03.2015 – 1 BvR 2031/12, Rn. 6 ff.[]
  30. vgl. zur wesentlichen Ungleichheit sogar von Arbeitnehmern und arbeitnehmerähnlichen Personen BAG 8.05.2007 – 9 AZR 777/06, Rn. 25 ff.[]
  31. vgl. BAG 19.06.1980 – 2 AZR 660/78, zu 3 a der Gründe, BAGE 33, 220[]
  32. vgl. BAG 23.04.1981 – 2 AZR 1112/78, zu II 2 a der Gründe; 5.07.1979 – 2 AZR 521/77, zu III 2 der Gründe[]
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