Sind Aktien Gegenstand eines „Treuhandvertrags“, so sind auf sie entfallende Dividenden nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs nur dann steuerlich dem „Treugeber“ zuzurechnen, wenn dieser sowohl nach den mit dem „Treuhänder“ getroffenen Absprachen als auch bei deren tatsächlichem Vollzug das Treuhandverhältnis in vollem Umfang beherrscht.

Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. „Eigentümer“ i.S. dieser Regelung ist der zivilrechtliche Eigentümer bzw. Inhaber des Wirtschaftsguts; dies war in Bezug auf die in Rede stehenden Aktien der E-AG in den Streitjahren die Klägerin. Abweichend von § 39 Abs. 1 AO bestimmt zwar § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, dass bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen sind. Diese Vorschrift greift jedoch nur dann ein, wenn im konkreten Einzelfall ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis besteht. Daran fehlt es im Streitfall.
Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sind weder im Zivilrecht noch für das Steuerrecht gesetzlich bestimmt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung führt jedoch nicht jede als „Treuhandvertrag“ bezeichnete Vereinbarung zum Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses1. Ein solches ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht so zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als „leere Hülle“ erscheint2. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichem Vollzug3. Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt4.
Wesentliches und im Grundsatz unverzichtbares Merkmal einer solchen Beherrschung ist eine Weisungsbefugnis des Treugebers –und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders– in Bezug auf die Behandlung des Treuguts2. Zudem muss der Treugeber berechtigt sein, jederzeit die Rückgabe des Treuguts zu verlangen5, wobei die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist unschädlich ist6. Die Vereinbarung eines Treuhandentgelts ist nicht notwendige Bedingung, kann aber ein Anzeichen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sein7. Schließlich kommt bei der Frage nach der Durchführung einer Treuhandvereinbarung der bilanziellen Behandlung des Treuguts indizielle Bedeutung zu8.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. November 2009 – I R 12/09
- BFH, Urteil vom 20.01.1999 – I R 69/97, BFHE 188, 254, BStBl II 1999, 514[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 188, 254, 258, BStBl II 1999, 514, 516[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 15.07.1997 – VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152[↩]
- BFH, Urteil vom 28.02.2001 – I R 12/00, BFHE 194, 320, 323 f., BStBl II 2001, 468, 470[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 10.12.1992 – XI R 45/88, BFHE 170, 487, 492, BStBl II 1993, 538, 540[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156[↩]
- BFH in BFHE 183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156; Schmieszek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 39 AO Rz 36.1[↩]