Es ist weder verfassungsrechtlich noch unionsrechtlich geboten, die steuerliche Auswirkung der Kinderfreibeträge in dem Umfang herzustellen, der sich bei Steuerpflicht der ausländischen Einkünfte ergäbe.
Gegenstand der Rüge der Steuerpflichtigen im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ist die Höhe der Entlastungswirkung der Berücksichtigung von Abzugsbeträgen des Familienleistungsausgleichs; die finanzielle Auswirkung wäre höher, wenn die ausländischen Einkünfte als steuerpflichtige Einkünfte die inländische Bemessungsgrundlage erhöht hätten. Die auf den Familienleistungsausgleich bezogene Rechtsanwendung im angefochtenen Bescheid lässt allerdings keinen Rechtsfehler erkennen; auch verfassungsrechtliche oder unionsrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen nicht. Die von den Steuerpflichtigen begehrte Erhöhung der finanziellen Auswirkung der (nationalen) Abzugsposten ist weder verfassungsrechtlich noch unionsrechtlich geboten.
Zwar kann eine nationale Regelung des Wohnsitzstaats, die bei grenzüberschreitenden Erwerbsbetätigungen steuerliche Vergünstigungen betreffend die persönliche oder familiäre Situation beschränkt oder ausschließt, unter dem Gesichtspunkt der zu wahrenden Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn der Beschäftigungsstaat, in dem ein Teil der Einkünfte bezogen wird, derartige Vergünstigungen entweder auf freiwilliger Basis oder auf Grundlage eines bilateralen Abkommens gewährt1. Voraussetzung für eine solche Entpflichtung des Wohnsitzstaats ist allerdings, dass -unabhängig von der Art der Aufteilung- die gesamte persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen „im Ganzen gebührend“ berücksichtigt wird2. Aus diesem Grund kann die Ausgewogenheit der Besteuerungsbefugnisse nur dann gewahrt werden, wenn zwischen der nationalen Steuerregelung im Wohnsitzstaat, die eine Vergünstigung beschränkt beziehungsweise ausschließt, und der im Beschäftigungsstaat gewährten Vergünstigung für die dort zu besteuernden Einkünfte eine wechselseitige Beziehung besteht3. Eine vergleichbare Situation4 liegt im Streitfall nicht vor. Denn die gesetzlichen Regelungen sehen keine Kürzungen im Familienleistungsausgleich vor, wenn (teilweise) Einkünfte im Ausland erwirtschaftet werden. Vielmehr führt das Erzielen der ausländischen Einkünfte im Streitfall dazu, dass die finanzielle Auswirkung der Abzugsmöglichkeiten höher ist, als wenn die Steuerpflichtigen diese Einkünfte nicht erzielt hätten. Dass sich „faktisch“ ein finanzieller Nachteil gegenüber der Situation der Erzielung dieser Einkünfte im Inland errechnen lässt, ist nicht rechtserheblich5. Die Steuerpflichtigen haben weder verfassungs- noch unionsrechtlich einen Anspruch darauf, dass für die Bemessung der Abzugsposten von der inländischen Bemessungsgrundlage der abkommensrechtliche Anwendungsbefehl einer Steuerfreistellung der Einkünfte bei der Ermittlung der inländischen Bemessungsgrundlage negiert wird. Weder das Prinzip der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit noch das Unionsrecht stellen spezifische Anforderungen dazu auf, wie die persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen im Ganzen im Rahmen des (nationalen) Besteuerungssystems (ungeachtet der grundlegenden Kritik an der Ausgestaltung des Familienleistungsausgleichs wegen einer „Vermengung von Steuer- und Sozialrecht“)6 hier: als Abzugsposten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage auf der Grundlage der durch inländische Einkünfte bestimmten Summe der Einkünfte als Ausdruck objektiver Leistungsfähigkeit auszugestalten ist7. Jedenfalls geben mittelbare Auswirkungen der vorgegebenen Normstruktur (hier: keine Berücksichtigung der steuerfreien ausländischen Einkünfte auf einen positiven oder negativen Posten der inländischen Bemessungsgrundlage) keinen belastbaren Grund für die Annahme einer verfassungs- oder unionsrechtlichen Grundrechts- beziehungsweise Grundfreiheitsbeeinträchtigung8, so dass der Bundesfinanzhof auch insoweit von einer Vorlage an das BVerfG oder den EuGH absehen kann.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11. Oktober 2023 – I R 53
- EuGH, Urteile de Groot vom 12.12.2002 – C-385/00, EU:C:2002:750, Slg. 2002, I-11819, Rz 99 ff.; Beker vom 28.02.2013 – C-168/11, EU:C:2013:117, BStBl II 2015, 431, Rz 56[↩]
- EuGH, Urteil de Groot vom 12.12.2002 – C-385/00, EU:C:2002:750, Slg. 2002, I-11819, Rz 101; ebenso EuGH, Urteil Imfeld und Garcet vom 12.12.2013 – C-303/12, EU:C:2013:822, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2014, 183, Rz 70[↩]
- EuGH, Urteile Imfeld und Garcet vom 12.12.2013 – C-303/12, EU:C:2013:822, HFR 2014, 183, Rz 73 sowie Bechtel vom 22.06.2017 – C-20/16, EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271, Rz 74; BFH, Urteil vom 05.11.2019 – X R 23/17, BFHE 267, 34, BStBl II 2020, 763, Rz 31; s.a. BFH, Beschluss vom 16.09.2015 – I R 62/13, BFHE 251, 204, BStBl II 2016, 205, Rz 39 f.[↩]
- s. etwa zu einem Sonderausgabenabzug von Beiträgen zu einem inländischen Versorgungswerk: BFH, Urteil vom 13.04.2021 – I R 19/19, BFH/NV 2021, 1357 als Revisionsinstanz zu dem von den Steuerpflichtigen angeführten Urteil des Finanzgerichtes Nürnberg vom 13.02.2019 – 5 K 887/18, EFG 2019, 764; BFH, Beschluss vom 22.02.2023 – I R 55/20, BFH/NV 2023, 801[↩]
- gleicher Ansicht Wackerbeck, EFG 2021, 1727[↩]
- z.B. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., Rz 8.94 f.; Kanzler in I. Ebling [Hrsg.], Besteuerung von Einkommen, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Bd. 24, 2001, 417, 447 ff.[↩]
- BFH, Beschluss vom 22.02.2023 – I R 55/20, BFH/NV 2023, 801; s.a. EuGH, Urteil de Groot vom 12.12.2002 – C-385/00, EU:C:2002:750, Slg. 2002, I-11819[↩]
- so im Ausgangspunkt auch BVerfG, Beschluss vom 07.06.2023 – 2 BvL 6/14 Rz 54; s.a. zu „systembedingten technischen Folgen ohne diskriminierende Wirkungen“ BeckOK EStG/Lammers, § 32b Rz 20.4[↩]
Bildnachweis:
- Vater mit Kind: Tatiana Syrikova











