Nießbrauch an GmbH-Anteilen – und ihre Ablösung

§ 20 Abs. 5 Satz 3 EStG setzt für eine Zurechnung der Einnahmen aus einer Beteiligung an einer GmbH für den Nießbrauchsberechtigten voraus, dass diesem auch das wirtschaftliche Eigentum im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung an den Geschäftsanteilen, an denen der Nießbrauch eingeräumt wurde, zusteht. Ist der Nießbrauchsberechtigte nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile, ist die Ablösung des Nießbrauchs ein für ihn nicht steuerbarer Vorgang.

Nießbrauch an GmbH-Anteilen – und ihre Ablösung

Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Anteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht und daher wegen § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend.

Die Beteiligten in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenene Fall streiten über die steuerliche Behandlung der entgeltlichen Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs an Geschäftsanteilen an einer GmbH bei der Nießbrauchsberechtigten. Die klagende Mutter war mit einem Geschäftsanteil von 49 % an der … GmbH (A-GmbH) beteiligt. Diesen Geschäftsanteil teilte sie im Jahr 2012 in zwei Geschäftsanteile zu je 24, 5 % und trat je einen Anteil im Wege der Schenkung sowie unter Vorbehalt eines Nießbrauchs an ihre Töchter ab. Nach dem Schenkungsvertrag beschränkte sich der Nießbrauch auf die Ziehung der Nutzungen aus den Geschäftsanteilen, wozu insbesondere der anteilige Bilanzgewinn zählte. Nicht vom Nießbrauch erfasst wurde die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte. Im Streitjahr 2019 veräußerten die Töchter die Geschäftsanteile. Aufgrund dessen gab die Mutter den Nießbrauch gegen Zahlung eines Ablösebetrags auf. Das Finanzamt unterwarf den Ablösebetrag bei der Mutter als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 24 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung.

Die hiergegen erhobene Klage war vor dem Finanzgericht Köln erfolgreich. Das Finanzgericht entschied, dass der Ablösebetrag nicht steuerbar sei1. Nach den Feststellungen des Finanzgerichtes waren die Töchter der Mutter im Jahr 2012 auch wirtschaftliche Eigentümer der Geschäftsanteile der A-GmbH geworden. Die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamtes hat der Bundesfinanzhof als unbegründet zurückgewiesen; die entgeltliche Ablösung des der Mutter vorbehaltenen Nießbrauchs an den Geschäftsanteilen der A-GmbH unterliegt nicht der Besteuerung:

Der Ablösebetrag ist nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu versteuern.

Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehören auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Eine Steuerbarkeit der Entschädigung nach dieser Vorschrift setzt jedenfalls voraus, dass dem Steuerpflichtigen die Einkünfte, für die diese gewährt wird, auch steuerlich zuzurechnen sind2. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erfüllt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung -AO-).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG, wonach ein Nießbrauchsberechtigter als Anteilseigner gilt, wenn ihm die Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen sind. Diese Norm regelt keine abweichende Zurechnung der Einnahmen, sondern setzt diese voraus und fingiert den Nießbrauchsberechtigten sodann als Anteilseigner3. § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG setzt mithin für eine Zurechnung der Einnahmen aus einer Beteiligung an einer GmbH zum Nießbrauchsberechtigten voraus, dass diesem auch das wirtschaftliche Eigentum im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an den Geschäftsanteilen, an denen der Nießbrauch eingeräumt wurde, zusteht4.

Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind5. Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchsberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einräumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt6.

Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Geschäftsanteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, bleibt indes eine Tatfrage des Einzelfalls. Die dem Finanzgericht obliegende Würdigung bindet den Bundesfinanzhof (§ 118 Abs. 2 FGO). Als Revisionsgericht prüft er lediglich, ob das Finanzgericht die gesetzlichen Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend gewürdigt hat7. Verstößt die Sachverhaltswürdigung des Finanzgerichtes nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, ist sie für den Bundesfinanzhof selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist8.

Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist der Ablösebetrag nicht als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG von der Mutter zu versteuern.

Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist das wirtschaftliche Eigentum an den streitgegenständlichen Geschäftsanteilen bereits 2012 von der Mutter auf ihre Töchter übergegangen. Dies schließt eine Zurechnung der Einkünfte hieraus nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Mutter aus. Die rechtsirrige Zurechnung der Dividenden als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Mutter für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2018 bindet für das Streitjahr 2019 nicht. Da § 24 Nr. 1 EStG keine die Einkünfte erweiternde Bedeutung hat, liegen bei der Mutter insoweit keine steuerbaren Einkünfte vor.

Die nicht angegriffene Feststellung des Finanzgerichtes, dass die Töchter der Mutter im Jahr 2012 nicht nur zivilrechtliche, sondern auch wirtschaftliche Eigentümer der Geschäftsanteile geworden sind, bindet den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO. Das Finanzgericht hat die für die Auslegung und Durchführung des Schenkungsvertrags vom xx.xx.2012 sowie des Vertrags vom xx.xx.2019 [Veräußerung der Geschäftsanteile sowie Ablösung Nießbrauchsrechte] maßgeblichen Umstände untersucht und gewürdigt. Anhaltspunkte dafür, dass das Finanzgericht bei der Auslegung der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen die gesetzlichen Auslegungsregeln nicht beachtet oder Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, liegen nicht vor. Die Vorinstanz hat bei ihrer Würdigung mit schlüssigen Erwägungen im Einklang mit der Bundesfinanzhofsrechtsprechung zum wirtschaftlichen Eigentum an Kapitalgesellschaftsanteilen9 insbesondere berücksichtigt, dass der Nießbrauch ausweislich der vertraglichen Vereinbarungen nicht die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte umfasste. Diese standen alleinig den Töchtern zu.

Der Ablösebetrag unterliegt nicht der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG.

Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehören nach § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG auch Entschädigungen, die gewährt werden für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche. Als Gewinnbeteiligung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG kommen lediglich gesellschaftsrechtliche Beteiligungen in Betracht10. Rein schuldrechtliche Rechtsgrundlagen für Leistungen einer Gesellschaft oder gewinnabhängige Tantiemen begründen hingegen keine Gewinnbeteiligung im Sinne der Norm.

Diesen Anforderungen genügt der zugunsten der Mutter vorbehaltene Nießbrauch nicht. Die Mutter war nicht gesellschaftsrechtlich an der A-GmbH beteiligt. Zwar stand ihr aufgrund des Nießbrauchs der Anspruch zu, die auf die Geschäftsanteile entfallenden Gewinnausschüttungen zu vereinnahmen. Darüber hinaus hatte sie aber keine mit den Geschäftsanteilen verbundenen Rechte inne. Insbesondere war die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte aus den Geschäftsanteilen durch die Mutter im Schenkungsvertrag ausgeschlossen.

Der Ablösebetrag ist nicht als Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 17 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG zu versteuern. Aufgrund der Unentgeltlichkeit der Anteilsübertragung im Jahr 2012 fehlte es bereits an der Verwirklichung von Einkünften im Sinne von § 17 EStG11. Der Vorbehalt eines Nießbrauchs bei der Übertragung steht der Unentgeltlichkeit der Anteilsübertragung nicht entgegen12. Die Vorschrift des § 24 EStG knüpft an eine bereits vorliegende Verwirklichung eines Einkünftetatbestands an und hat -wie oben ausgeführt- keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung.

Besteht auf der Grundlage der Feststellungen des Finanzgerichtes kein erkennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der zunächst erfolgten Übertragung der Anteile unter Nießbrauchsvorbehalt und der später für die Ablösung des Nießbrauchsrechts geleisteten Zahlung, ist der entgeltliche Verzicht auf das Nutzungsrecht als selbständiges Rechtsgeschäft einzustufen, das auf die zuvor erfolgte unentgeltliche Übertragung des nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils keinen Einfluss hat13. Die Frage, ob der Rechtsgrund für die spätere Ablösung des Nießbrauchs bereits bei der Anteilsübertragung im Jahr 2012 angelegt war und nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu einer rückwirkenden Änderung führen würde, ist jedenfalls nicht für das Streitjahr 2019 zu entscheiden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Februar 2025 – IX R 14/24

  1. FG Köln, Urteil vom 29.02.2024 – 7 K 95/23, EFG 2025, 100[]
  2. BFH, Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 13[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 14.02.2022 – VIII R 30/18, BFHE 276, 58, BStBl II 2022, 548, Rz 16, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 16[]
  5. ständige Rechtsprechung des BFH, , vgl. u.a. BFH, Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 17, m.w.N.[]
  6. BFH, Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 17, m.w.N.[]
  7. BFH, Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 18, m.w.N.[]
  8. ständige Rechtsprechung, BFH, Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 18, m.w.N.[]
  9. vgl. BFH, Urteile vom 24.01.2012 – IX R 51/10, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308, Rz 15 sowie vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 17[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 10.10.2001 – XI R 50/99, BFHE 197, 51, BStBl II 2002, 347, unter II. 3., m.w.N.; Brandis/Heuermann/Heuermann, § 24 EStG Rz 56; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, § 24 EStG Rz 54[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 20.09.2024 – IX R 5/24, Rz 27[]
  12. BFH, Urteil vom 14.06.2005 – VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15, unter II. 1.[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 14.06.2005 – VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15, unter II. 2.c aa; BFH, Urteil vom 18.11.2014 – IX R 49/13, BFHE 247, 435, BStBl II 2015, 224, Rz 13[]