Zwei Kioske, die auf S-Bahnhöfen betrieben werden, die an derselben S-Bahnlinie unmittelbar hintereinander liegen, bilden einen einheitlichen Gewerbebetrieb, wenn in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht keine vollständige Trennung besteht. Werden Arbeitnehmer in beiden Kiosken eingesetzt und Waren einheitlich beschafft, liegt eine organisatorische Verflechtung vor. Eine finanzielle Verflechtung besteht, sofern Kosten für Arbeitnehmer oder Betriebsmittel, die in beiden Geschäften eingesetzt werden, nur von einem „Betrieb“ getragen werden.
Nach § 2 Abs. 1 GewStG bildet jeder stehende Gewerbebetrieb einen Steuergegenstand der Gewerbesteuer. Unterhält ein Unternehmer gleichzeitig mehrere sachlich selbstständige Gewerbebetriebe, unterliegt jeder dieser Gewerbebetriebe für sich der Gewerbesteuer1. Eine natürliche Person (Einzelunternehmer) kann daher – im Gegensatz zu Personen- und Kapitalgesellschaften – mehrere gewerbliche Betriebe unterhalten2. Steuergegenstand gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist dann jeweils der einzelne Gewerbebetrieb. Für jeden Gewerbebetrieb ist ein eigener Gewerbesteuermessbescheid zu erlassen, wobei der Gewerbeertrag jeweils um den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG zu kürzen ist3.
Steuerschuldner und Adressat der Gewerbesteuermessbescheide ist aber dieselbe Person, der Unternehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Behandelt das Finanzamt zwei gewerbliche Betätigungen desselben Unternehmers als einheitlichen Gewerbebetrieb und erlässt dementsprechend nur einen Gewerbesteuermessbescheid, kann der Unternehmer diesen auch nur einmal anfechten mit der Begründung, dass der Steuergegenstand unrichtig bestimmt sei.
Für die Entscheidung der Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen sind, kommt es darauf an, ob diese Betätigungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sachlich, insbesondere organisatorisch, wirtschaftlich oder finanziell zusammenhängen4. Die Annahme eines selbständigen Gewerbebetriebs erfordert eine vollkommene Eigenständigkeit. Eine Verbindung darf im Wesentlichen nur in der Person des Steuerpflichtigen bestehen5. Der Steuerpflichtige muss die Betriebe nebeneinander am Wirtschaftsleben teilnehmen lassen. Sobald er die Aktivitäten bündelt, um eine größere Marktwirksamkeit zu erreichen, ist eine Wirtschaftseinheit gegeben2.
Zu den Merkmalen eines Gewerbebetriebs, die nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu gewichten sind, gehören insbesondere die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten, die Organisation und Finanzierung sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens6.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt dabei den Merkmalen der Gleichartigkeit der Betätigungen bzw. bei ungleichartigen Betätigungen der Möglichkeit, dass sich die verschiedenen Tätigkeiten ergänzen, und der räumlichen Nähe der Betriebe eine besondere Bedeutung zu. So werden räumlich weit voneinander entfernt ausgeübte ungleichartige gewerbliche Betätigungen regelmäßig in eigenständigen Gewerbebetrieben ausgeübt, während für einen einheitlichen Gewerbebetrieb gleichartige, in räumlicher Nähe zueinander ausgeübte gewerbliche Betätigungen sprechen7. Im letzten Fall können sachlich selbständige Gewerbebetriebe nur vorliegen, wenn keine finanziellen, organisatorischen oder wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den einzelnen Tätigkeiten bestehen8.
Kennzeichen für einen organisatorischen Zusammenhang ist beispielsweise, dass die Unternehmensbereiche in einem Geschäftslokal untergebracht sind, dass sie unter Einsatz derselben Arbeitskräfte ausgeübt werden, dass die Waren oder Betriebsmittel gemeinsam eingekauft und bezahlt werden oder dass eine gegenseitige Aushilfe in sachlicher oder personeller Hinsicht stattfindet9. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn zwei (oder mehrere) Unternehmensbereiche sich gegenseitig stützen und ergänzen und nur miteinander wirtschaftlich betrieben werden können9. Ein finanzieller Zusammenhang fehlt, wenn getrennte Aufzeichnungen geführt, jeweils eigene Bankkonten unterhalten, getrennte Kassenabrechnungen vorgenommen und für jeden Betrieb gesonderte Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen erstellt werden4.
Der Unternehmer übte durch den Betrieb der beiden Bahnhofskioske in A und B völlig gleichartige gewerbliche Betätigungen in räumlicher Nähe zueinander aus. Dieses wesentliche Indiz für die Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs wird nicht durch eine vollständige organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche Trennung der Betätigungen entkräftet. So liegt bereits eine organisatorische Verflechtung vor, weil nach den Feststellungen des Betriebsprüfers des Beklagten Arbeitnehmer z. T. in beiden Kiosken eingesetzt und die Waren einheitlich beschafft wurden, um bessere Einkaufsbedingungen zu erzielen. Eine finanzielle Verflechtung ist darin zu sehen, dass die Personalkosten für die in beiden Kiosken tätigen Mitarbeiter sowie die Kosten für das vom Unternehmer für beide Kioske genutzte Fahrzeug nach den Feststellungen des Beklagten jeweils nur von einem „Betrieb“ getragen wurden.
Der Unternehmer, der insoweit die Feststellungslast trägt, ist diesem Vortrag des Beklagten nicht entgegengetreten und hat eine völlige organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Trennung der Betätigungen nicht dargelegt und nachgewiesen.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 20. November 2014 – 3 K 99/14
- BFH, Urteil vom 24.10.2012 – X R 36/10, BFH/NV 2013, 252[↩]
- BFH, Urteil vom 09.08.1989 – X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901[↩][↩]
- BFH, Urteile vom 24.06.2009 – X R 36/06, BFHE 225, 407, BStBl II 2010, 171; vom 12.01.1983 – IV R 177/80, BFHE 138, 90, BStBl II 1983, 425[↩]
- BFH, Urteil vom 18.12.1996 – XI R 63/96, BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573[↩][↩]
- BFH, Beschluss vom 21.12.2000 – X B 111/00, BFH/NV 2001, 816[↩]
- BFH, Urteile vom 24.10.2012 – X R 36/10, BFH/NV 2013, 252; vom 18.12.1996 – XI R 63/96, BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573[↩]
- BFH, Urteile vom 24.10.2012 – X R 36/10, BFH/NV 2013, 252; vom 09.08.1989 – X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901, für Lebensmittelgeschäfte gleichen Zuschnitts in räumlicher Nähe; BFH, Beschluss vom 31.07.1996 – III B 38/96, BFH/NV 1997, 229[↩]
- BFH, Beschluss vom 21.12.2000 – X B 111/00, BFH/NV 2001, 816; BFH, Urteil vom 25.04.1989 – VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261[↩]
- BFH, Urteil vom 25.04.1989 – VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261[↩][↩]










