Veräußerungskosten – und die Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte

Den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 10.04.2019; und vom 09.04.20141 lässt sich kein abstrakter Rechtssatz entnehmen, dass die Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte in die Veräußerungskosten nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG eine zu 100 % feststehende, gegenläufige Korrelation der Geschäfte voraussetzt.

Veräußerungskosten – und die Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte

Im vorliegenden Fall hatte das Hessische Finanzgericht den Verlust aus der Veräußerung von X-Wandelanleihen als Veräußerungskosten des steuerfreien Verkaufs der Y-Aktien behandelt2. Der Bundesfinanzhof wies die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das finanzgerichtliche Urteil als unbegründet zurück:

Ist das Urteil des Finanzgericht kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen3. Diese Voraussetzung ist im Streitfall für die selbständig tragende Begründung des Finanzgericht, der Verlust aus der Veräußerung der X-Wandelanleihen stelle Veräußerungskosten des steuerfreien Verkaufs der Y-Aktien dar, nicht erfüllt.

Die Qualifizierung dieser Verluste als Veräußerungskosten i.S. des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG führt zu keiner Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 FGO.

Eine Divergenz setzt voraus, dass das Finanzgericht seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von den tragenden abstrakten Rechtsausführungen einer Divergenzentscheidung abweicht. Die Entscheidungen müssen zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangen sein und dieselbe Rechtsfrage betreffen4.

Gemessen daran ist das Finanzgericht weder von dem BFH, Urteil vom 10.04.2019 – I R 20/165 noch von dem BFH, Urteil vom 09.04.2014 – I R 52/126 abgewichen. Dies folgt bereits daraus, dass sich diesen Entscheidungen nicht die von der Klägerin formulierten abstrakten Rechtssätze entnehmen lassen.

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Zutreffend ist, dass beide Entscheidungen die Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte in die Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG betreffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Bundesfinanzhof aber keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass nur solche Geschäfte in die Berechnung nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG einzubeziehen seien, für die dem Grunde nach eine zu 100 % feststehende, gegenläufige Korrelation bestehe. Vielmehr lautet der abstrakte Rechtssatz des Bundesfinanzhofs, dass es auf den „Veranlassungszusammenhang“ mit der Veräußerung ankommt. Hierfür ist „auf das ‚auslösende Moment‘ für die Entstehung der Aufwendungen und ihre größere Nähe zur Veräußerung oder zum laufenden Gewinn“ abzustellen.

Soweit der Bundesfinanzhof in dem Urteil in BFHE 265, 63, BStBl II 2020, 674 ausführt, Verluste aus Termingeschäften, die „ausschließlich“ zum Ausschluss bzw. zur Minderung des Währungskursrisikos einer konkret geplanten, in Fremdwährung abzuwickelnden Anteilsveräußerung abgeschlossen worden seien, gehörten zu den Veräußerungskosten i.S. des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG, und in dem Urteil in BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861 darauf abstellt, dass die dortigen Zertifikatsgeschäfte „nur“ zur Gegenfinanzierung der Gewinne aus den Veräußerungen eingegangen worden seien, folgt daraus nichts anderes. Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass zwischen den Geschäften zwingend eine zu 100 % gegenläufige Korrelation der Geschäfte gegeben sein muss, um einen Veranlassungszusammenhang zu begründen.

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Zum einen werden damit keine abstrakten Voraussetzungen für das Vorliegen eines Veranlassungszusammenhangs aufgestellt, sondern die Ausführungen gehören zur Subsumtion im Wege einer wirtschaftlich wertenden Gesamtbetrachtung bzw. geben das Ergebnis dieser Subsumtion wieder. Zum anderen beziehen sich die von der Klägerin hervorgehobenen Formulierungen „ausschließlich“ und „nur“ allein auf den Zweck des Geschäfts und nicht darauf, ob die angestrebte gegenläufige Korrelation tatsächlich in jedem Fall eintritt.

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die BFH, Urteile in BFHE 265, 63, BStBl II 2020, 674 und in BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861 ist das Finanzgericht exakt von den dort entwickelten abstrakten Rechtssätzen ausgegangen. Im Rahmen einer umfangreichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des Ergebnisses einer Zeugenvernehmung ist es (lediglich) zu der Überzeugung gelangt, dass im Streitfall bei wirtschaftlich wertender Betrachtung ein ausreichender Veranlassungszusammenhang vorliegt und die Verluste aus der Veräußerung der X-Wandelanleihen als Veräußerungskosten des Verkaufs der Y-Aktien anzusehen sind. Eine solche Einzelfallwürdigung kann aber nicht zu einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 FGO führen.

Darüber hinaus ist die Revision weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 1 FGO) zuzulassen.

Sowohl die Grundsatzrevision als auch die speziellere Rechtsfortbildungsrevision setzen eine Rechtsfrage voraus, die im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist7.

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Die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage, „ob die Ausschließlichkeit zur Einordnung der Verluste aus einem anderen Geschäft als Veräußerungskosten einer Anteilsveräußerung nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG einer bloßen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung weichen kann und welchem Maßstab diese Wahrscheinlichkeit dann genügen müsste“, ist nicht im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig.

Denn durch die BFH, Urteile in BFHE 265, 63, BStBl II 2020, 674 und in BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861 ist bereits geklärt, dass für die Zuordnung von Ergebnissen eines anderen Geschäfts zu den Veräußerungskosten i.S. des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG auf den „Veranlassungszusammenhang“ mit der Veräußerung abzustellen ist. Maßgebend ist das „auslösende Moment“ für die Entstehung der Aufwendungen und ihre größere Nähe zur Veräußerung oder zum laufenden Gewinn.

Zwar kommt es in diesem Zusammenhang auch auf den Grad der Korrelation zwischen zwei Geschäften an. Welcher Grad der Korrelation dabei erforderlich ist, lässt sich aber nicht allgemeingültig beantworten, sondern hängt von der wirtschaftlich wertenden Betrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls ab. Fragen, deren Beantwortung wesentlich von den Umständen des Einzelfalls abhängen, sind nicht allgemein klärungsbedürftig8.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 4. Januar 2022 – I B 83/20

  1. BFH, Urteile vom 10.04.2019 – I R 20/16, BFHE 265, 63, BStBl II 2020, 674; und vom 09.04.2014 – I R 52/12, BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861[]
  2. Hess. FG, Urteil vom 21.10.2020 – 4 K 1644/18, EFG 2021, 669[]
  3. z.B. BFH, Beschluss vom 22.12.2008 – IX B 143/08, BFH/NV 2009, 547, m.w.N.[]
  4. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 20.03.2012 – I B 93/11, BFH/NV 2012, 1143, m.w.N.[]
  5. BFHE 265, 63, BStBl II 2020, 674[]
  6. BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861[]
  7. z.B. BFH, Beschlüsse vom 11.09.2013 – I B 17/13, BFH/NV 2014, 184; vom 01.03.2016 – I B 32/15, BFH/NV 2016, 1141; jeweils m.w.N.[]
  8. vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 25.03.2013 – I B 26/12, BFH/NV 2013, 1061, m.w.N.[]
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