Überschreiten die Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung zum Firmenjubiläum die Freigrenze von 110 € je teilnehmendem Arbeitnehmer, so liegt nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf in vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Zu den zu berücksichtigenden Aufwendungen gehörten neben den Kosten des Programms auch die Kosten des äußeren Rahmens der Veranstaltung.

Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25% „erheben“, soweit er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Die Pauschalierung bietet die Möglichkeit, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei einer derartigen Betriebsveranstaltung eine lohnsteuerliche Belastung der Arbeitnehmer mit der jeweils auf den Einzelnen entfallenden Lohnsteuer aus Gründen der Praktikabilität ausgeschlossen ist1.
Eine Jubiläumsfeier ist eine derartige Betriebsveranstaltung, anlässlich derer es zu einem Zufluss von Arbeitslohn kam. Arbeitslohn ist nach dem Einkommensteuerrecht gemäß § 19 Abs. 1 EStG und § 2 Abs. 1 LStDV jede Einnahme, die dem Arbeitnehmer zufließt, gleich unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Insbesondere sind Einnahmen auch alle Güter, die in Geldeswert bestehen (§ 8 Abs. 1 EStG). Um einen solchen geldwerten Vorteil handelte es sich bei den Zuwendungen anlässlich der Veranstaltung zum Firmenjubiläum. Die Veranstaltung erfüllte zudem die Anforderungen an eine Qualifizierung als Betriebsveranstaltung, indem sie die Belegschaft als Gesamtheit umfasste, gesellschaftlichen Charakter hatte und der betrieblichen Ebene zuzuordnen war2.
Zwar kann bei Betriebsveranstaltungen ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers den Entlohnungscharakter in Frage stellen3, die gewährten Vorteile können lediglich notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung und keine Entlohnung sein4. Im hier vom Finanzgericht Düsseldorf Streitfall hatte die Bereicherung der Arbeitnehmer der Klägerin im Zusammenhang mit der Jubiläumsfeier jedoch einen Umfang erreicht, der das vorhandene eigenbetriebliche Interesse für Zwecke der Einkommensbesteuerung zurücktreten lässt5.
Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob es sich um eine unübliche Betriebsveranstaltung oder um eine übliche bzw. herkömmliche Betriebsveranstaltung gehandelt hat6. Wollte man die Veranstaltung der Klägerin als unübliche Betriebsveranstaltung einordnen, wäre damit verbunden, dass von einer Entlohnungsabsicht auszugehen wäre7.
Das Finanzgericht Düsseldorf sieht in der Feier zum Firmenjubiläum jedoch eine übliche Veranstaltung. Es ist bei Firmen jeder Größenordnung nicht unüblich, dass ein langwährendes Bestehen gefeiert wird, wenn sich die Firmengründung jährt8. Die Tatsache, dass es sich bei der Feier der Klägerin um eine, auch der Größe der Firmengruppe, der die Klägerin angehört, geschuldete, herausragend aufwändige Feier gehandelt hat, ändert nichts an der Üblichkeit dieser Art von Betriebsveranstaltung. Der betriebene Aufwand bestimmt sodann die über den Entlohnungscharakter entscheidende typisierende Quantifizierung.
Der Abgrenzung des überwiegenden Eigeninteresses von dem überwiegenden Entlohnungscharakter erfolgt im Wege richterlicher Rechtsfortbildung dahingehend, dass die Quantifizierung der zugewandten Vorteile entscheidend für die Beantwortung der Frage ist, ob und wann diese Vorteile ein derartiges Eigengewicht erlangen, dass sie in voller Höhe als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu werten sind. Diese Rechtsfortbildung ist zulässig und überschreitet nicht die Grenze, die der Entwicklung des Rechts von Verfassungs wegen gesetzt ist9. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und ihm folgend der Finanzgerichte10, der sich das Gericht anschließt, geht davon aus, dass je höher der Wert der Bereicherung des Arbeitnehmers ist, desto mehr tritt das aus Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse hinter dem Entlohnungsinteresse zurück. Die Rechtsprechung hat hierzu eine Freigrenze bestimmt, bei deren Überschreitung die Zuwendungen in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Zugleich entfällt die Besteuerung in diesem Fall auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer bloßen Aufmerksamkeit11.
Diese Freigrenze betrug für das Streitjahr 2005 110 Euro pro Arbeitnehmer. Ein höherer Wert war der Beurteilung nicht zugrundezulegen. Zwar wurde bereits ab dem Veranlagungszeitraum 1993 eine Freigrenze von 200 DM (entspricht 102,26 €) bestimmt12 und ab 2002 mit 110 € (LStR 2002 R 72 Abs. 4 Satz 2) nur relativ geringfügig nach oben verlegt. Die Freigrenze von 110 € war gleichwohl im Streitjahr noch angemessen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Freigrenze nicht laufend anzupassen, sondern nur von Zeit zu Zeit der wirtschaftlichen Entwicklung durch eine neue Bemessung der Höhe der Grenze Rechnung zu tragen ist. Da jedoch in den Jahren bis 2005 die Inflationsrate nach dem Verbraucherpreisindex im Bereich unter zwei Prozent gelegen hat, war, zumal das Gericht schon die ursprüngliche Festlegung der Freigrenze mit 110 Euro als sehr großzügig einschätzt, keine Notwendigkeit der Anpassung gegeben13.
Darüberhinaus war die Freigrenze auch im Einzelfall nicht in Abweichung von dem einheitlichen Wertmaßstab in Höhe von 110 € zu erhöhen. Branchenspezifische Besonderheiten, etwa eines Arbeitgebers, der, wie die Klägerin, eine Vielzahl von Filialen betreibt, bleiben grundsätzlich unberücksichtigt14. Die aufwändige Gestaltung und Durchführung der Veranstaltung und der besonders herausgehobene Anlass, das Firmenjubiläum, rechtfertigen ebenfalls keine Ausnahme. Denn innerhalb der großzügig bemessenen 110-€-Grenze obliegt es dem Arbeitgeber, über den Umfang und die Ausgestaltung der von ihm veranstalteten Feierlichkeiten zu entscheiden. Hat er aus verschiedenen Gründen ein Interesse an einer dem äußeren Rahmen und dem Inhalt nach außergewöhnlichen Feier, dann muss er die dies nach sich ziehende Lohnbesteuerung in Kauf nehmen. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grunde die Bedeutung und wirtschaftliche Größe des Arbeitgebers maßgebend sein soll, für die Höhe des Ansatzes des Betrages, der bestimmend ist, für die Beurteilung, ob der Entlohnungscharakter in den Vordergrund tritt. Auch dem Prinzip der leistungsgerechten Besteuerung und dem Gleichheitsgrundsatz würde eine darauf gegründete Abweichung von der allgemeinen Grenze nicht entsprechen.
Selbst wenn man, wie die Klägerin, die Abgrenzung mittels der Freigrenze von 110 € nicht für richtig halten würde, läge im Streitfall nach der Überzeugung des Senates Arbeitslohn vor. Denn die Betriebsveranstaltung bot, worauf die Klägerin selbst nachdrücklich hingewiesen hat, ein über betriebliches Eigeninteresse hinausgehendes umfängliches Programm. Sie war nicht beschränkt auf die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Verpflegung, sondern bot den Mitarbeitern den Liveauftritt bekannter Künstler mit Orchester und aufwändiger Licht- und Tonanlage.
Der Ermittlung des Über- oder Unterschreitens der 110 € Grenze sind die Gesamtaufwendungen des Arbeitgebers zugrundezulegen. Zu den Gesamtaufwendungen gehören neben den Kosten des Programms auch die Kosten des äußeren Rahmens der Veranstaltung. Nur bei Gelegenheit der Veranstaltung gewährte Vorteile sind nicht einzubeziehen15. Ebenfalls nicht einzubeziehen sind abgrenzbare Kostenstellen, die in keiner Weise den Arbeitnehmern zu Gute kommen.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. Oktober 2010 – 16 K 1294/09 L
- vgl. BFH, Urteil vom 15.01.2009 – VI R 22/06, BStBl II 2009, 476; BFH, Urteil vom 07.02.1997 – VI R 3/96, BStBl II 1997, 365[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 15.01.2009 – VI R 22/06, BStBl II 2009, 476 m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2005 – VI R 151/00, BStBl II 2006, 442[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 31.03.2010 – V B 112/09, BFH/NV 2010, 1313[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2005 – VI R 68/00, BStBl II 2006, 440: Wechselwirkung zwischen Intensität des eigenbetrieblichen Interesses und dem Ausmaß der Bereicherung der Arbeitnehmer[↩]
- vgl. zur Unterscheidung LStR H 72 Abs. 1 und 2[↩]
- vgl. LStR H 72 Abs. 1 Satz 2[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2005 – VI R 68/00, BStBl II 2006, 440, mit Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 28.01.2003 – VI R 48/99, BStBl II 2003, 724; FG Münster, Urteil vom 24.09.2010 – 8 K 2633/08: 100-Jahres-Feier; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort „Betriebsveranstaltungen“ Rz. 3 und 9; Drenseck in Schmidt, Kommentar zum EStG § 19 Rz. 50 „Betriebsveranstaltung“[↩]
- BFH, Urteil vom 16.11.2005 – VI R 151/00, BStBl II 2006, 442 m.w.N.[↩]
- zuletzt BFH, Beschluss vom 31.03.2010 – V B 112/09, BFH/NV 2010, 1313; BFH, Urteil vom 15.01.2009 – VI R 22/06, BStBl II 2009, 476; BFH, Urteil vom 16.11.2005 – VI R 151/00, BStBl II 2006, 442 m.w.N.[↩]
- zum Begriff: BFH, Urteil vom 24.11.1992 – V R 44/88, BFH/NV 1994, 200; auch § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG 2005: Vorteile bis 44 €[↩]
- BFH, Urteil vom 25.05.1992 – VI R 91/89, BStBl II 1992, 856; LStR 1993 Abschn. 72 Abs. 4 Satz 2[↩]
- gleiche Auffassung: Drenseck in Schmidt aaO. § 19 Rz. 50 Betriebsveranstaltung; Heuermann/Wagner, aaO. Teil D Rz. 118[↩]
- so auch ausdrücklich: BFH, Urteil vom 16.11.2005 – VI R 151/00, BStBl II 2006, 442[↩]
- BFH, Urteile vom 07.11.2006 – VI R 58/04, BStBl II 2007, 128; und vom 07.02.1997 – VI R 3/96, BStBl II 1997, 365[↩]