Die Kostümparty des Karnevalsvereins – und das steuerbegünstigte Brauchtum

Veranstaltet ein gemeinnütziger Karnevalsverein in der Woche zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch eine Kostüm- und Tanzparty mit typischer Karnevalsmusik, karnevalistischen Tanzdarbietungen und weiteren Elementen klassischer Karnevalssitzungen, so handelt es sich um einen sog. Zweckbetrieb zur Förderung des „traditionellen Brauchtums“. Die Gewinne aus diesen Veranstaltungen sind von der Körperschaftsteuer befreit. Für die Umsätze ist nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % zu zahlen.

Die Kostümparty des Karnevalsvereins – und das steuerbegünstigte Brauchtum

In dem hier vom Finanzgerichts Köln entschiedenen Fall hatte ein Karnevalsverein aus dem Bergischen Land geklagt, der seit Ende der 70er Jahre am Karnevalssamstag die sog. „Nacht der Nächte“ veranstaltet. Hierbei handelt es sich um eine vom Verein selbst als „große Kostümparty“ bezeichnete Veranstaltung, an der im Streitjahr ca.01.200 ausnahmslos kostümierte Karnevalisten teilnahmen. Neben Musikbeiträgen typischer Karnevalsinterpreten und karnevalistischen Tanzdarbietungen standen u.a. der Aufzug des Dreigestirns, Gardetänze und Ordensverleihungen auf dem Programm. Das Finanzamt setzte auf den Gewinn aus der Veranstaltung Körperschaftsteuer fest und verlangte von dem Verein den vollen Umsatzsteuersatz von 19 %. Es vertrat die Auffassung, dass die „Nacht der Nächte“ keine typische Karnevalssitzung sei und deshalb keine „Pflege traditionellen Brauchtums“ darstelle. Es handele sich vielmehr um eine Musik- und Tanzveranstaltung, bei der die al lgemeine Unterhaltung der Besucher im Vordergrund stehe und die deshalb dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sei.

Das Finanzgericht Köln Finanzgericht sah dies anders und gab der Klage in vollem Umfang statt. Zumindest in der Karnevalswoche könne es nicht entscheidend darauf ankommen, ob bei einer Veranstaltung gesellige Elemente, Musik und Tanz oder aber typische Elemente einer Karnevalssitzung im Vordergrund stünden. Gesellige Veranstaltungen, die durch Kostümierung der Teilnehmer, Karnevalsmusik, Karnevalstänze und ausgelassenes Feiern geprägt seien, gehörten jedenfalls zum Wesen der rheinischen Karnevalstradition und damit zum „traditionellen Brauchtum“ im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO. Wenn Karneval in seiner gewachsenen Form stets auch Geselligkeit und Volksbelustigung beinhalte, der Gesetzgeber den Karneval aber in Kenntnis dessen bewusst in den Gemeinnützigkeitskatalog des § 52 Abs. 2 AO einbezogen und für förderungswürdig befunden habe, könnten einem Karnevalsverein hinsichtl ich einer Veranstaltung mit eindeutig karnevalistischer Ausrichtung und karnevalistischem Bezug nicht die an die Gemeinnützigkeit anknüpfenden Steuervergünstigungen mit der Begründung abgeschnitten werden, die Veranstaltung sei „zu gesellig“.

Der gemeinnützige Verein ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit und gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG nur mit den Einkünften aus seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb körperschaftsteuerpflichtig, soweit dieser nicht als Zweckbetrieb einzustufen ist. Ferner unterliegt er mit seinen umsatzsteuerpflichtigen Leistungen im unternehmerischen Bereich des Zweckbetriebs gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG sind Körperschaften, die nach ihrer Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Diese persönliche Steuerbefreiung ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG jedoch sachlich ausgeschlossen, soweit ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten wird. In diesem Fall verliert die Körperschaft gemäß § 64 Abs. 1 AO die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Einkünfte, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist. Dies führt zu einer partiellen Körperschaftsteuerpflicht hinsichtlich der Einkünfte aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Zudem unterliegen umsatzsteuerpflichtige Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar Zwecke im vorgenannten Sinne verfolgen, nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 und 2 UStG nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz i.H.v. 7 %, soweit diese Leistungen nicht im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines solchen Geschäftsbetriebes aufgeführt werden, gelangt demgegenüber nach § 64 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 UStG der Regelsteuersatz von 19 % zur Anwendung, es sei denn, der Geschäftsbetrieb ist als Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65 bis 68 AO einzustufen. In diesem Fall ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz jedoch nur dann anzuwenden, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer Zweckbetriebe ihre satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG).

Der Verein dient nach seiner Satzung und seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken, denn er fördert durch die Veranstaltung von Karnevalssitzungen und ähnlichen Veranstaltungen, die Teilnahme an traditionellen Festumzügen und die Verleihung von Karnevalsordnen den Karneval als gesetzlich ausdrücklich genannte Form des traditionellen Brauchtums im Sinne des § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO. Das Vorliegen der formellen und materiellen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit des Vereins ist zwischen den Beteiligten unstreitig; dementsprechend wurde der Verein durch den Beklagten als gemeinnützig anerkannt.

Die der Höhe nach unstreitigen Einkünfte bzw. Umsätze des Vereins aus der Veranstaltung „Nacht der Nächte“ sind nicht körperschaftsteuerpflichtig und lediglich dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterworfen. Bei der streitbefangenen Veranstaltung handelt es sich zwar um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG, 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG i.V.m. § 14 AO. Dieser erfüllt jedoch die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs und führt daher gemäß §§ 64 Abs. 1 AO, 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG nicht zum partiellen Verlust der Steuervergünstigungen nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG, 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG.

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb wird gemäß § 14 Satz 1 AO durch eine selbständige nachhaltige Tätigkeit begründet, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist gemäß § 14 Satz 2 AO nicht erforderlich. Von einer bloßen Vermögensverwaltung ist nach § 14 Satz 3 AO in der Regel auszugehen, wenn Vermögen genutzt, z.B. Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird.

Die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO sind danach hinsichtlich der vom Verein durchgeführten Veranstaltung „Nacht der Nächte“ gegeben. Mit der Durchführung der Veranstaltung hat der Verein eine Tätigkeit im eigenen Namen entfaltet und wurde dabei auch selbständig, d.h. abgrenzbar von seinen übrigen Tätigkeiten, tätig. Ein Zusammenhang mit anderen Betätigungen des Vereins dergestalt, dass die Durchführung der „Nacht der Nächte“ ohne die sonstigen Veranstaltungen und Aktivitäten des Vereins nicht möglich gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch anderweitig erkennbar. Die Tätigkeit war auch auf Wiederholung angelegt und damit nachhaltig. Der Umstand, dass sich die Durchführung der Veranstaltung in einem größeren zeitlichen Abstand wiederholte, steht der Annahme der Nachhaltigkeit dabei nicht entgegen; auch eine jährlich oder lediglich alle zwei Jahre durchgeführte Veranstaltung ist nachhaltig1. Dies dürfte zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso unstreitig sein wie der weitere Umstand, dass der Verein mit der Durchführung der „Nacht der Nächte“ über die reine Vermögensverwaltung hinausgegangen ist und aus dem Verkauf von Eintrittskarten zu der Veranstaltung Einnahmen erzielt hat. Weitere Ausführungen zum Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S.d. § 14 AO erscheinen aus Sicht des erkennendas Finanzgerichts daher entbehrlich.

Der in der Durchführung der Veranstaltung „Nacht der Nächte“ bestehende wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Vereins stellt jedoch einen Zweckbetrieb i.S.d. § 65 AO dar.

Sofern – wie im vorliegenden Streitfall – keiner der in §§ 66-68 AO als leges speciales mit rechtsbegründender Wirkung aufgezählten Katalogzweckbetriebe vorliegt, ist ein Zweckbetrieb nach § 65 AO dann zu bejahen, wenn der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Nach der Rechtsprechung des BFH muss es sich somit um einen für Vereinszwecke „unentbehrlichen Hilfsbetrieb“ handeln2. Sämtliche der drei genannten Voraussetzungen des § 65 AO müssen für die Annahme eines Zweckbetriebes kumulativ erfüllt sein3.

Nach diesen Kriterien ist im Streitfall hinsichtlich der „Nacht der Nächte“ ein Zweckbetrieb des Vereins gegeben.

Das Finanzgericht hegt insoweit keine Zweifel daran, dass die Durchführung der streitbefangenen Veranstaltung ausgehend von ihrer Gesamtrichtung im Sinne des § 65 Nr. 1 AO dazu diente, das traditionelle Brauchtum in Form des Karnevals und damit die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins zu fördern. Soweit die Finanzverwaltung in der Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 07.08.19914 sowie dem Schreiben der OFD Rheinland vom 13.01.2006 die Auffassung vertritt, Veranstaltungen gemeinnütziger Karnevalsvereine, bei denen die Pflege der Geselligkeit im Vordergrund stehe oder der Veranstaltung das Gepräge gebe, dienten nicht der Pflege des traditionellen Brauchtums und seien daher nicht als Zweckbetrieb einzuordnen, vermag sich das Finanzgericht dieser Differenzierung jedenfalls in Bezug auf in der Karnevalswoche zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch stattfindende und inhaltlich eindeutig karnevalistisch geprägte Veranstaltungen wie der vorliegend im Streit stehenden „Nacht der Nächte“ nicht anzuschließen.

Nach Überzeugung des erkennendas Finanzgerichts gehören neben Karnevalsveranstaltungen im Stile einer klassischen Sitzung mit Büttenreden, Ordensverleihungen, Einmarsch des Karnevalsprinzen, -prinzenpaars oder Dreigestirns, Auftritten eines sog. „närrischen Duos“ und Show, Tanz- und Gesangsdarbietungen etc., sowie Karnevalsumzügen auch in der Karnevalswoche stattfindende gesellige Veranstaltungen, die durch Kostümierung der Teilnehmer, musikalische und tänzerische Darbietungen mit typisch karnevalistischem Inhalt und ausgelassenes Feiern geprägt sind, zum Wesen jedenfalls der rheinischen Karnevalstradition und damit zum „traditionellen Brauchtum“ i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO, welches den Karneval zumindest im Rheinland ausmacht. Anders als in anderen Bereichen des Katalogzwecks der „Förderung des traditionellen Brauchtums“ ist Geselligkeit, Musik und Tanz im Bereich des im Karneval bestehenden traditionellen Brauchtums gerade nicht zweckfremd, sondern vielmehr zweckimmanent.

Als Karneval werden gemeinhin die Bräuche bezeichnet, mit denen die Zeit vor der sechswöchigen Fastenzeit – beginnend mit dem Aschermittwoch – ausgelassen gefeiert wird. Dabei wird der Karneval durchaus sehr unterschiedlich zelebriert, jedoch haben Karnevalsumzüge, Masken, Kostüme und Musik seit jeher einen festen Platz innerhalb karnevalistischer Sitten und Gebräuche. Gerade beim Rheinischen Karneval handelt sich letztlich um ein großes Volksfest, dass traditionell von Ausgelassenheit, Musik, Tanz und geselligem Feiern in Kostümierung geprägt ist. Diese Elemente gehören untrennbar zur Kulturgeschichte jedenfalls des rheinischen Karnevals und damit zum regionalen traditionellen karnevalistischen Brauchtum. Gerade weil das karnevalistische Brauchtum per se untrennbar mit Spektakel, Volksbelustigung und Geselligkeit verbunden ist5, waren Karnevalsvereine vor Einführung des § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO a.F. durch das Gesetz zur Verbesserung und Vereinfachung der Vereinsförderung (Vereinsförderungsgesetz) vom 18.12.19896 generell nicht als gemeinnützig anerkannt7. Ungeachtet dessen hat sich der Gesetzgeber mit dem Vereinsförderungsgesetz gleichwohl zu einer klarstellenden Erweiterung des gesetzlichen Gemeinnützigkeitskatalogs u.a. um die beispielhafte Nennung des Karnevals als Form des traditionellen Brauchtums entschieden und damit aus Sicht des erkennendas Finanzgerichts einer pauschal verallgemeinernden Differenzierung danach, ob eine Karnevalsveranstaltung „überwiegend gesellig“ und damit wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb oder „überwiegend dem traditionellen Brauchtum förderlich“ und damit Zweckbetrieb ist, den Boden entzogen. Wenn Karneval in seiner gewachsenen Form immer auch Geselligkeit und Volksbelustigung beinhaltet, der Gesetzgeber den Karneval aber in Kenntnis dessen bewusst in den Gemeinnützigkeitskatalog des § 52 Abs. 2 AO einbezogen und für förderungswürdig befunden hat, dann können einem Karnevalsverein hinsichtlich einer Veranstaltung mit eindeutig karnevalistischer Ausrichtung und karnevalistischem Bezug nicht die an die Gemeinnützigkeit anknüpfenden Steuervergünstigungen abgeschnitten werden, weil die Veranstaltung „zu gesellig“ ist. Denn mit der ausdrücklichen Nennung des Karnevals als Ausprägung traditionellen Brauchtums unterstellt der Gesetzgeber hierbei einen in der Brauchtumspflege bestehenden Schwerpunkt, selbst wenn dies nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen mag8.

Einer zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch stattfindenden Veranstaltung eines Karnevalsvereins mit ausnahmslos kostümierten Teilnehmern, Musikbeiträgen mit karnevalistischem Liedgut, karnevalistischen Tanzdarbietungen und einem Auftritt der „Tollitäten“ die Zweckbetriebseigenschaft aufgrund ihres vorwiegend auf Geselligkeit, Musik und Tanz ausgerichteten Charakters abzusprechen, würde vor diesem Hintergrund einen Zirkelschluss bedeuten und widerspräche dem mit der gesonderten gesetzlichen Aufführung des Karnevals als Form des traditionellen Brauchtums zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen. Etwas anderes mag für von einem Karnevalsverein außerhalb der Karnevalszeit veranstaltete Sommer, Grill, Oktoberfeste oder Weihnachtsfeiern sowie Kostümpartys (z.B. ähnlich der Veranstaltung „Jeck im Sunnesching“) gelten, da es aus Sicht des Finanzgerichts insoweit bereits in zeitlicher Hinsicht an einem hinreichenden Bezug zum Karneval und damit zum traditionellen Brauchtum fehlt. Für die vorliegend streitbefangene Veranstaltung „Nacht der Nächte“ ist ein eindeutiger Bezug zum Karneval angesichts des Zeitpunkts und der langjährigen Tradition ihrer Durchführung, des vom Verein beschriebenen Programms und des Inhalts der dargebotenen Musik- und Tanzbeiträge jedoch nicht von der Hand zu weisen. Das traditionelle Brauchtum des rheinischen Karnevals stand bei der vom Verein durchgeführten „Nacht der Nächte“ unzweifelhaft inhaltlich im Vordergrund, da die Veranstaltung am Abend des Karnevalssamstag als einem der Höhepunkte abendlicher Veranstaltungen in der Karnevalswoche stattfand, die Teilnehmer ausnahmslos kostümiert erschienen, nahezu ausschließlich Karnevalsmusik gespielt wurde, die im Rahmen der Veranstaltung aufgetretenen Künstler und Gruppen sämtlich typische Karnevalsinterpreten waren, die karnevalistisches Liedgut präsentierten, oder – wie die Cheerleader des 1. FC Köln – traditionell während der Karnevalszeit tänzerisch auf Karnevalsveranstaltungen in und um Köln aktiv sind und mit dem Aufzug und den Gesangseinlagen des Dreigestirns, Gardetänzen, Ordensverleihungen, Mariechentanz usw. zudem weitere Programmpunkte vorhanden waren, die typischerweise zum Ablauf einer jeden Karnevalssitzung gehören. Durch die damit eindeutig vorhandene karnevalistische Ausrichtung der Veranstaltung wird aus Sicht des Finanzgerichts bereits indiziert, dass die „Nacht der Nächte“ der Förderung des traditionellen Brauchtums diente, ohne dass es insoweit noch darauf ankäme, ob und inwieweit Geselligkeit, Musik und Tanz für den Gesamtcharakter der Veranstaltung prägend waren.

Die von der Finanzverwaltung demgegenüber zugrunde gelegte Abgrenzung danach, ob Elemente des traditionellen Brauchtums oder Elemente der allgemeinen Belustigung oder Unterhaltung der Zuschauer oder der Pflege der Geselligkeit einer karnevalistischen Veranstaltung „das Gepräge geben“, erscheint aus Sicht des Gerichts letztlich nicht praktikabel. Die in den einschlägigen Verwaltungsanweisungen genannten Abgrenzungskriterien erscheinen wenig aussagekräftig, unscharf und zum Teil widersprüchlich. So sollen u.a. „tänzerische und musikalische Darbietungen karnevalistischer Art“ typischer Bestandteil von Karnevalssitzungen sein, bei denen das traditionelle Brauchtum inhaltlich im Vordergrund steht und die daher als Zweckbetrieb einzustufen sind. Bei „Musikveranstaltungen (Konzerte mit externen Künstlern), Tanzveranstaltungen sowie Masken- und Kostümbällen“ soll demgegenüber nicht die Pflege des traditionellen Brauchtums, sondern die allgemeine Belustigung oder Unterhaltung der Zuschauer oder die Pflege der Geselligkeit im Vordergrund stehen, so dass derartige Veranstaltungen stets dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sein sollen. Ob eine Veranstaltung aufgrund des wesentlichen Gewichts „tänzerischer /musikalischer Darbietungen karnevalistischer Art“ zu einer als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einzustufenden „Musik- und Tanzveranstaltung“ wird und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sein soll, lassen die Verwaltungsanweisungen jedoch ebenso wenig erkennen wie eindeutige Kriterien zur Beantwortung der Frage, wann zweckbetriebsschädliche Elemente einer gemischten Veranstaltung das „Gepräge“ geben bzw. zweckbetriebstypische Elemente lediglich „zur Auflockerung“ einer vornehmlichen Musik- und Tanzveranstaltung dienen.

Sollte es insoweit – wovon der Verein offensichtlich ausgeht – auf die jeweiligen Zeitanteile der einzelnen Veranstaltungsbeiträge an der Gesamtdauer der Veranstaltung ankommen, stellen sich unweigerlich Abgrenzungs- und Nachweisprobleme, z.B. wenn einzelne Beiträge unerwartet mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich bei der Planung des Veranstaltungsprogramms vorgesehen. Wird eine dem geplanten Ablauf nach eher als typische Karnevalssitzung und damit nach Verwaltungsauffassung grundsätzlich als Zweckbetrieb zu qualifizierende gemischte Veranstaltung zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, wenn einer der im Rahmen der Veranstaltung auftretenden Interpreten seine Auftrittszeit überzieht und die Gesamtdauer der Veranstaltung damit faktisch zu mehr als 50 % auf musikalische Beiträge karnevalistischer Art entfällt? Wie ist vom Steuerpflichtigen gegenüber den Finanzbehörden nachzuweisen, welche Zeitanteile auf die jeweiligen Veranstaltungsblöcke einer gemischten Veranstaltung entfallen sind (Vorlage des Veranstaltungsprogramms oder „Messen mit der Stoppuhr“)? All diese Fragen lassen die einschlägigen Verwaltungsanweisungen unbeantwortet. Angesichts dieser Unschärfen und des untrennbaren Zusammenhangs zwischen karnevalistischem Brauchtum, Musik, Tanz und Geselligkeit, sind die Verwaltungsanweisungen zur Abgrenzung zwischen Zweckbetrieb und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb bei Karnevalveranstaltungen aus Sicht des Finanzgerichts daher ungeeignet und folglich insgesamt zu verwerfen.

Der satzungsmäßige Zweck des Vereins – „Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums, insbesondere Förderung des Karnevals in seinem historischen Sinne“ – kann nach Überzeugung des Gerichts ferner im Sinne des § 65 Nr. 2 AO nur durch die Durchführung von Karnevalsveranstaltungen, deren Programm die Teilnehmer in der heutigen Zeit noch anspricht und die daher auf ein entsprechend breites Interesse in der Bevölkerung stoßen, verwirklicht werden. Ohne die Durchführung von Karnevalsveranstaltungen, zu denen unzweifelhaft auch die „Nacht der Nächte“ gehört, ist sein steuerbegünstigter Zweck nicht erreichbar, da der darin bestehende wirtschaftliche Geschäftsbetrieb untrennbar mit der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks verbunden ist9. Die Durchführung der „Nacht der Nächte“ dient aus diesem Grunde selbst der Zweckerreichung und nicht lediglich der Mittelbeschaffung zur anderweitigen Verwirklichung der vom Verein verfolgten steuerbegünstigter Zwecke10.

Das Finanzgericht teilt insoweit die Auffassung des Vereins, dass auch ein Verein, der sich für die Erhaltung „traditionellen“ karnevalistischen Brauchtums einsetzt, den Entwicklungen der Zeit stellen muss. Das vom Verein verfolgte Ziel der Erhaltung und Weitergabe karnevalistischer Traditionen und Bräuche kann realistisch nur dann erreicht werden, wenn er mit seinen Angeboten innerhalb der Bevölkerung auf möglichst breite Resonanz stößt und sich insbesondere auch jüngere Generationen durch seine Veranstaltungen angesprochen fühlen. Während bis vor wenigen Jahren insbesondere von den großen Kölner Karnevalsvereinen noch möglichst viele Formen der Karnevalssitzungen für möglichste viele verschiedene Zielgruppen angeboten wurden (z.B. Herren, Damen, Senioren, Kindersitzungen etc.), kann dies inzwischen nicht zuletzt aufgrund stark gestiegener Eintrittspreise infolge höhere Kosten für Mieten, Genehmigungen, Auflagen und Künstler und damit sinkender Zuschauerzahlen nicht mehr geboten werden. Viele Karnevalsvereine bieten daher nur noch ein bis zwei Veranstaltungen an und dies manchmal sogar nur noch in Kooperation mit anderen Gesellschaften. Um eine gute Auslastung zumindest dieser ein bis zwei Veranstaltungen zu gewährleisten und zukunftsfähig zu bleiben, bedarf es interessengerechter Konzepte, um die Veranstaltungen für die breite Masse attraktiver zu gestalten und insbesondere das jüngere Publikum anzusprechen. Dass das Programm von Veranstaltungen wie der „Nacht der Nächte“ weniger Gewicht auf Wortbeiträge, Ordensverleihungen und Ehrungen etc. als auf musikalische und tänzerische Darbietungen mit karnevalistischem Inhalt legt, erscheint vor diesem Hintergrund eine zwingende Notwendigkeit.

Der Verein tritt schließlich mit seiner Veranstaltung „Nacht der Nächte“ auch nicht in größerem Umfang in Wettbewerb zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art, als es bei Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO).

Die Frage, ob der – tatsächliche oder potentielle – Wettbewerb unvermeidbar i.S. von § 65 Nr. 3 AO ist, ist vor dem Hintergrund der von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geforderten staatlichen Wettbewerbsneutralität zu beantworten. Ein steuerlicher Eingriff in den Wettbewerb ist vor Art. 3 Abs. 1 GG nur dann gerechtfertigt, wenn ein hinreichender sachlicher Grund für eine steuerliche Bevorzugung bzw. Benachteiligung vorliegt11. Durch steuerliche Regelungen sollen weder Marktzutrittsschranken errichtet oder Wettbewerber vom Markt verdrängt werden noch soll in sonstiger Weise der Wettbewerb beeinträchtigt werden. Diesem umfänglichen Wettbewerbsschutz unterliegt daher auch der potentielle Wettbewerb, unabhängig davon, ob im Einzelfall eine konkrete Wettbewerbssituation besteht. Wettbewerb i.S. des § 65 Nr. 3 AO setzt danach nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig ist, in der sie tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art tritt12. Entscheidend ist allein, ob ein nicht steuerbegünstigter Unternehmer gleiche Leistungen wie die steuerbegünstigte Körperschaft in ihrem Einzugsbereich erbringt oder erbringen könnte.13. In diesem Fall ist abzuwägen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem intakten Wettbewerb und an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten. Sind die von der Körperschaft verfolgten steuerbegünstigten Zwecke auch ohne steuerlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu erreichen, dann ist das Interesse an der Wahrung der Wettbewerbsneutralität vorrangig und aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar14.

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze gelangt das Finanzgericht zu dem Ergebnis, dass der Verein mit seiner Veranstaltung „Nacht der Nächte“ zwar in zumindest potentiellen Wettbewerb mit nicht steuerbegünstigten kommerziellen Anbietern vergleichbarer Veranstaltungen tritt. Allerdings findet der Wettbewerb nur in dem Rahmen statt, der bei Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke des Vereins unvermeidbar erscheint. Die Durchführung von Veranstaltungen wie der „Nacht der Nächte“ ist für den Verein notwendiges Mittel zum Erreichen des von ihm verfolgten, in der Förderung des Karnevals bestehenden ideellen Zwecks, während ein steuerpflichtiger Eventveranstalter, der in der Karnevalszeit eine ähnliche Veranstaltung ausrichten würde, lediglich kommerzielle Zwecke verfolgt. Stellen die Leistungen einer gemeinnützigen Körperschaft aber – wie vorliegend – notwendiges Mittel zur Erreichung eines ideellen Zwecks dar, den Wettbewerber ihrerseits nicht verfolgen, so tritt der Wettbewerbsgedanke hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten zurück und sind die Voraussetzungen des § 65 Nr. 3 AO als erfüllt anzusehen15.

Im Ergebnis sind die Einkünfte des Vereins aus der Veranstaltung „Nacht der Nächte“ dementsprechend als Zweckbetriebseinkünfte von der Körperschaftsteuer befreit. Da Zweckbetriebe i.S.d. § 65 AO auf Grund der Vorgabe des § 65 Nr. 3 AO per se die Voraussetzung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3, 2. Alt. UStG erfüllen, gelangt hinsichtlich der Umsätze aus der streitbefangenen Veranstaltung zudem der ermäßigte Umsatzsteuersatz zur Anwendung.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 20. August 2015 – 10 K 3553/13

  1. vgl. FG München, Urteil vom 29.11.2001 – 14 K 109/99, UStB 2002, 175[]
  2. ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 05.08.2010 – V R 54/09, BStBl II 2011, 191 m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 13.06.2012 – I R 71/11, BFH/NV 2013, 89; BFH, Beschluss vom 19.07.2010 – I B 203/09, BFH/NV 2011, 1, jeweils m.w.N.[]
  4. S-0184 A – 9 – St – II 12[]
  5. so auch Krüger in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 Rz. 47; Thiel/Eversberg, DB 1990, 290[]
  6. BGBl I 1989, 2212[]
  7. vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.09.1979 – V 489/78, n.v.[]
  8. vgl. Koenig in: Koenig, AO, 3. Aufl., § 52 Rz. 60; Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 Rz. 61[]
  9. vgl. BFH, Urteil vom 01.08.2002 – V R 21/01, BStBl II 2003, 438; BFH, Beschlüsse vom 06.06.2000 – V B 159/99, BFH/NV 2000, 1506; vom 23.02.1999 – XI B 128/98, – XI B 130/98, BFH/NV 1999, 1055, 1089[]
  10. vgl. u.a. BFH, Urteil vom 18.03.2004 – V R 101/01, BStBl II 2004, 798; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl., S. 378; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl., S. 463[]
  11. vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.1976 – 1 BvR 191/74, BVerfGE 43, 58, 70[]
  12. vgl. BFH, Urteile vom 27.10.1993 – I R 60/91, BStBl II 1994, 573; und vom 29.01.2009 – V R 46/06, BStBI – II 2009, 560[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 13.08.1986 – II R 246/81, BStBl II 1986, 831[]
  14. vgl. BFH, Urteil vom 17.02.2010 – I R 2/08, BStBl II 2010, 1006[]
  15. vgl. BFH, Urteil vom 26.04.1995 – I R 35/93, BStBl II 1995, 767; vom 17.02.2010 – I R 2/08, BStBl II 2010, 1006[]