Die Verwaltungsleistungen von betrieblichen Versorgungseinrichtungen sind jedenfalls dann nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig, wenn die Arbeitnehmer kein Anlagerisiko tragen und der Arbeitgeber zur Zahlung an das Altersversorgungssystem gegenüber seinen Arbeitnehmern gesetzlich verpflichtet ist.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet; vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG in der für das Streitjahr 2003 geltenden Fassung vom 09.08.19941 die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, in der für das Streitjahr 2004 geltenden Fassung vom 15.12 20032, die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Investmentgesetz und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen i.S. des VAG.
Diese Steuerbefreiung beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, u.a. „die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften“.
Gemessen daran steht der Verwaltungsgesellschaft für betriebliche Versorgungswerke im hier entschiedenen Streitfall der begehrte Vorsteuerabzug zu:
Die streitbefangenen Umsätze sind nicht steuerfrei. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG erfasst zwar nach dem Wortlaut „möglicherweise“ auch Verwaltungsleistungen, wie sie die Verwaltungsgesellschaft für betriebliche Versorgungswerke in den Streitjahren erbracht hat; jedoch erfordert eine richtlinienkonforme Auslegung eine einschränkende Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift.
Die Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 8 Buchst. h 2. Alternative UStG wurde durch das Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 09.08.19941 in das UStG aufgenommen. Nach Auffassung des Gesetzgebers beruht die Erweiterung der Steuerbefreiung auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG in der gemeinschaftsrechtlichen Auslegung3; sie ist daher richtlinienkonform auszulegen. Mit der Gesetzesänderung sollten Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmen gegenüber entsprechenden Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vermieden werden3.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung umfasst die Steuerbefreiung nicht nur Versorgungseinrichtungen, die der Versicherungsaufsicht unterliegen, sondern auch andere Versorgungseinrichtungen. Mit der Formulierung „Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes“ verweise der Gesetzgeber nur auf die Definition von Versorgungseinrichtungen in § 1 Abs. 4 VAG, wonach darunter Einrichtungen zu verstehen sind, die Leistungen im Todes- oder Erlebensfall, bei Arbeitseinstellung oder bei Minderung der Erwerbstätigkeit vorsehen4.
Die Verwaltungsleistungen der Verwaltungsgesellschaft für betriebliche Versorgungswerke für die Unterstützungskassen als Einrichtungen, die diese Risiken abdecken sollen, fallen somit nach dieser Auffassung unter diese Steuerbefreiungsvorschrift.
Der Bundesfinanzhof kann offenlassen, inwieweit er dieser Auffassung folgt. Jedenfalls sind bei richtlinienkonformer Auslegung nur solche Versorgungseinrichtungen von der Steuerbefreiung umfasst, die nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG als Sondervermögen einzustufendes Vermögen verwalten.
Dies ist bei dem von der Verwaltungsgesellschaft für betriebliche Versorgungswerke verwalteten Sondervermögen nicht der Fall.
Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG ermächtigt die Mitgliedstaaten, den Begriff „Sondervermögen“ zu definieren5. Diese den Mitgliedstaaten somit übertragene Definitionsbefugnis ist jedoch durch das Verbot begrenzt, der vom Unionsgesetzgeber verwendeten Formulierung der Befreiungsvorschrift zuwiderzuhandeln. Ein Mitgliedstaat kann insbesondere nicht, ohne den Wortlaut des Begriffs „Sondervermögen“ zu missachten, auswählen, welchen von den Sondervermögen die Befreiung gewährt wird und welchen nicht. Die genannten Bestimmungen räumen ihm somit lediglich die Befugnis ein, in seinem innerstaatlichen Recht die Fonds zu definieren, die unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen6. Der Begriff des „Sondervermögens“ wird somit durch Unionsrecht und durch nationales Recht bestimmt.
So hat der EuGH entschieden, dass als steuerbefreites Sondervermögen i.S. der Richtlinie 77/388/EWG zum einen Anlagen, die unter die Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20.12 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-Richtlinie) fallen und in diesem Rahmen einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen, und zum anderen Fonds anzusehen sind, die zwar keine Organismen für gemeinsame Anlagen i.S. dieser Richtlinie darstellen, jedoch dieselben Merkmale aufweisen wie diese und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen7.
Entscheidend stellt der EuGH bei dieser Abgrenzung auf die Risikotragung der Investoren und die Handlungspflicht des Arbeitgebers ab. Tragen die Versicherten nicht die Risiken der Verwaltung der Kapitalanlage, in der das Kapitalvermögen dieses Systems zusammengeführt wird, dann fehlt es an der Vergleichbarkeit mit Anlagen, die unter die OGAW-Richtlinie fallen oder ihr ähnlich sind. Dies ist der Fall, wenn die Rente durch die Dauer der Beschäftigung bei dem Arbeitgeber und die Höhe des Gehalts vorgegeben ist, und die Beiträge, die der Arbeitgeber an das Altersversorgungssystem zahlt, für ihn ein Mittel darstellen, seinen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Angestellten nachzukommen8.
Danach fallen die streitbefangenen Unterstützungskassen nicht unter den Unionsbegriff „Sondervermögen“.
Die Unterstützungskassen, in denen das Kapitalvermögen zusammengeführt wird, sind nach den i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindenden und im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitigen Feststellungen des Finanzgericht kein Organismus für gemeinsame Anlagen i.S. der OGAW-Richtlinie.
Sie sind auch nicht mit den Fonds, die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren i.S. der OGAW-Richtlinie darstellen, vergleichbar. Die Unterstützungskassen unterscheiden sich insbesondere in der Frage der Risikotragung von einem Sondervermögen.
Die Arbeitnehmer tragen insbesondere nicht die Risiken der Verwaltung der Unterstützungskassen, in denen das Kapitalvermögen dieses Alterssicherungssystems zusammengeführt wird. Nach den gleichfalls i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindenden und im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitigen weiteren Feststellungen des Finanzgericht hatten die Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen vom Wert des angelegten Kapitalvermögens unabhängigen und damit risikolosen Anspruch. Die Höhe dieses Anspruchs war allein durch die Dauer ihrer Beschäftigung bei dem Arbeitgeber und die Höhe ihres Gehalts vorgegeben. Sie waren über den Pensionssicherungsverein abgesichert. Dagegen richtet sich der Gewinn, den Personen, die Anteile an einem Organismus für gemeinsame Anlagen kaufen, erwarten können, nach den Ergebnissen der Anlagen, die von den Verwaltern des Fonds während des Zeitraums, in dem sie diese Anteile halten, getätigt werden9.
Dem steht auch nicht -wie das Finanzamt meint- entgegen, dass zum Teil die Leistungen an die Unterstützungskassen durch Entgeltumwandlung des Arbeitslohnes erfolgt und somit ein Risiko bzgl. der späteren Versorgungsleistung vom Arbeitnehmer getragen werde. Der Arbeitnehmer trägt dennoch nicht das Anlagerisiko i.S. der EuGH-Rechtsprechung. Er hat einen auch der Höhe nach bestimmten; vom Wert des angelegten Kapitalvermögens unabhängigen Versorgungsanspruch gegen den Arbeitgeber, der mit dem Anlagerisiko einer Wertpapieranlage in einem Fonds nicht vergleichbar ist.
Entgegen der Ansicht des Finanzamt kann nicht auf die Voraussetzung der Risikotragung durch den Begünstigten für das Vorliegen eines Sondervermögens, wie sie der EuGH fordert, verzichtet werden. Der EuGH hat die hier maßgebliche Vorschrift in der Weise ausgelegt, dass Rentenkassen unter diese Bestimmung fallen können, wenn sie von den Personen finanziert werden, denen die Renten ausgezahlt werden, die Ersparnisse nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt werden und das Anlagerisiko von den Versicherten getragen wird10, Versorgungskassen der vorliegenden Art hingegen nicht11.
Im Übrigen entspricht dies auch -entgegen der Auffassung des Finanzamt- dem Verständnis des Gesetzgebers in der vom Finanzamt in Bezug genommenen BT-Drs. 18/8045. Nach der Gesetzesbegründung zum Investmentsteuerreformgesetz vom 19.07.201612 wird auf die EuGH-Rechtsprechung verwiesen, die für eine Vergleichbarkeit mit den Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren u.a. voraussetzt, dass die Anteilsinhaber auch das Risiko tragen, das mit der Verwaltung des darin gesammelten Vermögens einhergeht13.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Juli 2017 – XI R 22/15
- BGBl I 1994, 2058[↩][↩]
- BGBl I 2003, 2676[↩]
- BT-Drs. 12/7686, S. 7[↩][↩]
- BT-Drs. 12/7686, S. 7; ebenso BMF, Schreiben vom 18.12 1997 – IV C 4 -S 7160h- 6/97; Abschn. 4.8.13 Abs. 20 Sätze 1 und 4 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; ebenso Sobotta in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 8 Rz 119; Philipowski in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 8 Rz 581; Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 8 UStG Rz 347; a.A. wohl Wäger in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 8 Rz 280[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Wheels Common Investment Fund Trustees u.a. vom 07.03.2013 – C-424/11, EU:C:2013:144, Mehrwertsteuerrecht -MwStR- 2013, 157, Rz 16; ATP PensionService vom 13.03.2014 – C-464/12, EU:C:2014:139, MwStR 2014, 294, Rz 40[↩]
- vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies vom 28.06.2007 – C-363/05, EU:C:2007:391, BStBl II 2010, 573, Rz 41 bis 43; Wheels Common Investment Fund Trustees u.a., EU:C:2013:144, MwStR 2013, 157, Rz 17; ATP PensionService, EU:C:2014:139, MwStR 2014, 294, Rz 41; Fiscale Eenheid – X vom 09.12 2015 – C-595/13, EU:C:2015:801, MwStR 2016, 109, Rz 32[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Wheels Common Investment Fund Trustees u.a., EU:C:2013:144, MwStR 2013, 157, Rz 23 und 24; ATP PensionService, EU:C:2014:139, MwStR 2014, 294, Rz 46 und 47; Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, MwStR 2016, 109, Rz 46 und 47[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Wheels Common Investment Fund Trustees u.a., EU:C:2013:144, MwStR 2013, 157, Rz 27 bis 29; ATP PensionService, EU:C:2014:139, MwStR 2014, 294, Rz 52[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Wheels Common Investment Fund Trustees u.a., EU:C:2013:144, MwStR 2013, 157, Rz 27; ATP PensionService, EU:C:2014:139, MwStR 2014, 294, Rz 59; Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, MwStR 2016, 109, Rz 52[↩]
- EuGH, Urteil ATP PensionService, EU:C:2014:139, MwStR 2014, 294, Leitsatz 1 Satz 1[↩]
- EuGH, Urteil Wheels Common Investment Fund Trustees u.a., EU:C:2013:144, MwStR 2013, 157[↩]
- BGBl I 2016, 1730[↩]
- BT-Drs. 18/8045, S. 141[↩]