Entlastung von der Energiesteuer – für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen dem Produzierenden Gewerbe zuzuordnen ist, sind zunächst alle von diesem Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten ungeachtet ihrer Gewichtung den Abschnitten der WZ 2003 zuzuordnen. Gehören nicht alle Tätigkeiten zum Produzierenden Gewerbe, ist der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit anhand des vom Antragsteller gewählten Kriteriums zu bestimmen.

Entlastung von der Energiesteuer – für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes

Gemäß § 55 EnergieStG i.d.F. vom 15.07.2009 wird eine Steuerentlastung auf Antrag gewährt für Schweröle nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 3, Erdgas, Flüssiggase und gasförmige Kohlenwasserstoffe, die nachweislich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 versteuert worden sind und die von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) zu betrieblichen Zwecken verheizt oder in begünstigten Anlagen nach § 3 verwendet worden sind.

Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sind gemäß § 2 Nr. 3 StromStG u.a. Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes nach Abschnitt D der WZ 2003 (vgl. § 2 Nr. 2a StromStG). Wie der Bundesfinanzhof wiederholt entschieden hat, handelt es sich bei der Verweisung auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige um eine an das Unionsrecht angelehnte und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Typisierung1. Die Zuordnung zum Produzierenden Gewerbe soll -vorbehaltlich der in § 15 StromStV vorgesehenen Abweichungen- grundsätzlich in enger Anlehnung an die statistischen Zuordnungsmethoden nach dem Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgen. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang eine weitgehende Kongruenz zwischen statistischer und stromsteuerrechtlicher Einordnung angestrebt2.

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Für die Zuordnung eines Unternehmens zu einem Abschnitt oder einer Klasse der Klassifikation der Wirtschaftszweige sind die Verhältnisse in dem der Antragstellung vorhergehenden Kalenderjahr maßgebend (§ 15 Abs. 2 Satz 1 StromStV). Übt das Unternehmen in diesem Zeitraum mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten aus, die nicht alle dem Produzierenden Gewerbe zuzuordnen sind, kann das Unternehmen gemäß § 15 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StromStV den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit durch die in dieser Vorschrift alternativ genannten Kriterien bestimmen. Davon ausgehend müssen in einem ersten Schritt alle von einem Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten ungeachtet ihrer Gewichtung den Abschnitten der WZ 2003 zugeordnet werden. Gehören nicht alle Tätigkeiten dem Produzierenden Gewerbe oder einem anderen in § 2 Nr. 3 StromStG genannten Abschnitt an, muss in einem zweiten Schritt der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem vom Antragsteller gewählten Kriterium bestimmt werden.

Diesen Vorgaben entsprach im hier entschiedenen Streitfall das in der Vorinstanz ergangene Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg3 nicht. Eine Einordnung der einzelnen wirtschaftlichen Tätigkeiten der A im Jahr vor der Antragstellung ist unterblieben. Stattdessen hat das Finanzgericht unmittelbar den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeiten festgelegt und diese Schwerpunkttätigkeit in die WZ 2003 eingeordnet.

Darüber hinaus ist zu beanstanden, dass das Finanzgericht bei der Bestimmung des Schwerpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeit den Weiterverkauf unbearbeiteter Waren und die Bearbeitung im Lohngeschäft anhand des Umsatzes als untergeordnet bewertet, während es hinsichtlich des Längs- und Querteilens der Coils zumindest auch auf die Wertschöpfung abzustellen scheint. Eine Kombination der in § 15 Abs. 2 Satz 3 StromStV genannten Kriterien ist jedoch nicht zulässig. Maßgeblich ist vielmehr allein das vom Unternehmen gewählte Kriterium, das allerdings in der Vorentscheidung nicht festgestellt wird. Daneben hat das Finanzgericht auch die Marge im Sinne des Bruttoreingewinns bezogen auf den Einkaufspreis der Ware in Prozent in seine Erwägungen einbezogen, obwohl diese Größe in § 15 Abs. 2 Satz 3 StromStV nicht aufgeführt ist.

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Nicht zu beanstanden sind dagegen die Ausführungen des Finanzgericht zur Abgrenzung der Abschnitte D und G der WZ 2003.

Nach den Vorbemerkungen zu Abschnitt D „Verarbeitendes Gewerbe“ der WZ 2003 umfasst dieser die mechanische, physikalische oder chemische Umwandlung von Stoffen oder Teilen in Waren. Dabei kann es sich auch um Erzeugnisse dieses Abschnitts selbst handeln. Bei der Herstellung von Waren werden Rohstoffe in Waren umgewandelt, die sich als neue Produkte darstellen.

Den Vorbemerkungen zu Abschnitt D ist weiter zu entnehmen, dass es Tätigkeiten gibt, die zwar zum Verarbeitenden Gewerbe gerechnet werden könnten, die jedoch in der WZ 2003 in einen anderen Abschnitt eingeordnet werden. Dies betrifft u.a. das Zuschneiden von Blechplatten nach Kundenauftrag, das eine geänderte Ausführung des gleichen Erzeugnisses ergibt, jedoch kein neues Produkt. Diese Tätigkeit wird in den Abschnitt G „Handel“ eingeordnet, wenn sie auf eigene Rechnung erfolgt. Dies gilt auch für das Zuschneiden von Blechtafeln.

Abschnitt G „Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern“ umfasst nach den Vorbemerkungen zu diesem Abschnitt den Groß- und Einzelhandel (Verkauf ohne Weiterverarbeitung) mit jeder Art von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen beim Verkauf von Handelswaren. Der Verkauf ohne Weiterverarbeitung schließt die im Handel übliche Behandlung von Waren ein. Dazu gehört u.a. das Zuschneiden von Blechtafeln für eigene Rechnung.

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Der Ausschluss dieser Tätigkeit aus Abschnitt D ist aus systematischen Gründen nicht auf Blechtafeln beschränkt. Die WZ 2003 basiert auf der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE Rev. 1.1), die mit der Verordnung (EG) Nr. 29/2002 der Kommission vom 19.12 2001 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft4 veröffentlicht wurde und ihrerseits auf der Internationalen Systematik der Wirtschaftszweige (International Standard Industrial Classification of All Economic Activities – ISIC Rev. 3.1) der Vereinten Nationen aufbaut5. Diese enthält in der Erläuterung zu Abschnitt D „Manufacturing“ den Hinweis, dass bestimmte Tätigkeiten aus diesem Abschnitt ausgenommen sind, auch wenn sie eigentlich dessen Voraussetzungen erfüllten. Dazu gehört u.a. „cutting metals to customer order“. Daraus ergibt sich, dass es auf die genaue Form des geschnittenen Metalls (Spaltband oder Tafeln) und auf die stoffliche Beschaffenheit des Metalls nicht ankommt. Abgesehen davon erfordert die Herstellung von Spaltband einen Arbeitsschritt weniger als die Herstellung von Tafeln, die erst nach einer zusätzlichen Querteilung des Spaltbands vorliegen. Dies spricht ebenfalls dafür, auch die Herstellung von Spaltband aus Abschnitt D auszunehmen.

Soweit die A nach den Feststellungen des Finanzgericht sog. Coils nach den Vorgaben ihrer Kunden in Spaltband, teilweise durch anschließendes Querteilen in rechteckige Tafeln geteilt und anschließend die Kanten geglättet hat, hat sie nicht nur das Aussehen der Waren, sondern ihre konkrete weitere Verwendbarkeit verändert. Ob es sich dabei bereits um eine mechanische, physikalische oder chemische Umwandlung von Stoffen oder Teilen in neue Produkte handelt, wie dies die Vorbemerkungen zu Abschnitt der D der WZ 2003 für eine Einordnung in diesen Abschnitt verlangen, kann im Streitfall dahinstehen.

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Eine solche Tätigkeit kann jedenfalls deshalb nicht dem Abschnitt D der WZ 2003 zugeordnet werden, weil es sich bei der Herstellung von Spaltband und Tafeln einschließlich des Entgratens der Kanten um ein Zuschneiden von Blechplatten handelt und diese Tätigkeit aus Abschnitt D ausdrücklich ausgenommen ist.

Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgericht hat die A Teile aus den Coils herausgeschnitten, ohne deren stoffliche Beschaffenheit zu ändern und ohne damit eine neue Ware herzustellen. Vielmehr handelt es sich bei Spaltband und Tafeln um andere Ausführungen desselben Erzeugnisses. Dasselbe gilt für das Besäumen der Bleche. Die A hat die Coils nach den weiteren Feststellungen des Finanzgericht auf eigene Rechnung erworben.

Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, welche Maschinen die A dafür eingesetzt hat oder ob sie hierfür hohe Investitionen getätigt hat.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass das Ausstanzen von Metall in Gruppe 28.4 WZ 2003 erfasst sei, ergibt sich ebenfalls kein anderes Ergebnis, weil diese Tätigkeit ausdrücklich in Abschnitt D genannt und somit hier einzuordnen ist. Abgesehen davon wurde nicht festgestellt, dass die A diesen Produktionsschritt ausführt.

Soweit das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 19.04.2006 4 K 4755/03 VSt die dortige Klägerin dem Produzierenden Gewerbe zugeordnet hat, ergeben sich für den Streitfall keine abweichenden Überlegungen. Abgesehen davon, dass in dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall die Stahlbandringe nicht nur gespalten, sondern auch gewalzt und geglüht wurden, lag dieser Entscheidung die WZ 1993 zugrunde. In der WZ 1993 waren in den Abschnitten D und G keine Erläuterungen enthalten, die das Schneiden von Blech o.ä. dem Abschnitt G zugewiesen hätten. Soweit nach den Vorbemerkungen zur Abteilung 51 „Handelsvermittlung und Großhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen)“ im Handel übliche Behandlungen von dieser Abteilung umfasst waren, wurde das Zuschneiden von Blechplatten bzw. Blechtafeln im Gegensatz zur WZ 2003 nicht ausdrücklich angesprochen.

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Im zweiten Rechtsgang wird das Finanzgericht im ersten Schritt die verschiedenen Tätigkeiten der A ohne Berücksichtigung der in § 15 Abs. 2 StromStV genannten Kriterien in die Abschnitte der WZ 2003 einzuordnen haben. Fallen diese nicht alle in Abschnitt D, muss es in einem zweiten Schritt das von der Klägerin gewählte Kriterium i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 3 StromStV feststellen und anhand dessen den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit ermitteln.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. März 2019 – VII R 11/18

  1. BFH, Urteil vom 16.04.2013 – VII R 25/11, BFHE 242, 372, ZfZ 2013, 304[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 24.08.2004 – VII R 23/03, BFHE 207, 88, ZfZ 2005, 88; BFH, Beschluss vom 02.03.2005 – VII B 173/04, BFH/NV 2005, 1390[]
  3. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2018 – 11 K 2452/14[]
  4. ABl.EG 2002, Nr. L 6/3[]
  5. vgl. Vorwort zur WZ 2003[]

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