Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft – und die Grunderwerbsteuer

Bei einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft unterliegt die Änderung ihres Gesellschafterbestandes der Grunderwerbsteuer, wenn 95 % der Anteile am Vermögen der Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes). Der Bundesfinanzhof hat nun die Anforderungen präzisiert, unter denen eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft vorliegt und damit Grunderwerbsteuer auslösen kann.

Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft – und die Grunderwerbsteuer

Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes kann sich aus schuldrechtlichen Bindungen des an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafters ergeben, so dass dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen einem Dritten (Neugesellschafter) zuzurechnen ist. Für diese Zurechnungsentscheidung kann unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden.

Im Streitfall erlangte der Erwerber eines Anteils an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft eine vermögensmäßige Beteiligung von 94,4 %. Gleichzeitig wurde ihm hinsichtlich des Restanteils von 5,6 %, der zivilrechtlich beim Veräußerer verbleiben sollte, eine Kaufoption mit fest vereinbartem Kaufpreis eingeräumt und die auf diesen Anteil entfallenden zukünftigen Gewinne abgetreten.

Das Finanzamt sah hierin einen teils unmittelbaren (94,4 %), teils mittelbaren (5,6 %), insgesamt demnach vollständigen Gesellschafterwechsel und setzte gegen die Gesellschaft Grunderwerbsteuer fest.

Der Bundesfinanzhof hat die Rechtsauffassung des Finanzamt nun bestätigt. Hinsichtlich des zivilrechtlich beim Veräußerer verbliebenen (Rest-)Anteils von 5, 6 % habe sich der Gesellschafterbestand der Personengesellschaft (mittelbar) geändert, weil dieser Anteil aufgrund der zwischen dem Veräußerer und Erwerber getroffenen Vereinbarungen in Anlehnung an die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung wirtschaftlich dem Erwerber zuzurechnen sei. Dieser sei ungeachtet des zivilrechtlich beim Veräußerer verbliebenen Anteils als wirtschaftlicher Eigentümer desselben anzusehen. Aufgrund des Optionsrechts sei dem Erwerber eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Restanteils gerichtete Rechtsposition verschafft worden. Da der Kaufpreis für die zukünftige Übernahme des Restanteils fest vereinbart worden sei, seien auf den Erwerber alle Risiken und Chancen zukünftiger Wertveränderung und mit der Abtretung aller zukünftigen Gewinne auch alle mit dem Restanteil verbundenen wesentlichen Rechte als Gesellschafter übergegangen. Unter diesen Voraussetzungen kam dem beim Veräußerer verbliebenen Stimmrecht wirtschaftlich keine Bedeutung mehr zu.

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen1.

Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht2.

Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle3. Neue Mitglieder einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG können natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften sein.

Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs demgegenüber nur nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen4. Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheidet aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gibt und bei der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zivilrechtlich kein Anteil an der Gesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übergeht. Es bleibt nur eine am Sinn und Zweck der Regelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung.

Mit der durch Art. 15 Nr. 1 Buchst. a StEntlG 1999/2000/2002 erfolgten Neufassung des § 1 Abs. 2a GrEStG, durch die mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes grundstücksbesitzender Personengesellschaften ausdrücklich in den Tatbestand der Vorschrift aufgenommen wurden, soll verhindert werden, dass Gesellschafter mittelbar Anteile an Personengesellschaften erwerben und dadurch die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG umgehen5. Nach den danach erkennbaren Vorstellungen des Gesetzgebers sollen mit der Einbeziehung mittelbarer Vorgänge auch Rechtsänderungen hinter oder oberhalb des unmittelbar an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Rechtsträgers erfasst werden. Diese sollen -entweder für sich allein oder im Zusammenhang mit weiteren Rechtsvorgängen- unmittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft gleichstehen6. Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes setzt deshalb nicht voraus, dass es auch zu einem dinglichen Übergang von Anteilen auf neue Gesellschafter kommt7.

Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes kann nicht nur dadurch eintreten, dass sich die Beteiligungsverhältnisse bei einer an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapital- oder Personengesellschaft ändern8. Ebenso kann sich -ebenfalls jenseits der zivilrechtlichen Ebene- auch aus schuldrechtlichen Bindungen des an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafters ergeben, dass dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen einem Dritten (Neugesellschafter) zuzurechnen ist. Auch derartige Rechtsvorgänge können es nach den § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegenden Wertungen rechtfertigen, den Dritten wie einen neuen Gesellschafter zu behandeln und die Zurechnung des Anteils dem zivilrechtlichen Erwerb des Anteils durch einen neuen Rechtsträger gleichzustellen.

Für die insoweit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung kann unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden. Zwar ist § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und daher naturgemäß auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalles anwendbar9. Soweit das GrEStG Grundstücksumsätze durch Anknüpfung an einen bürgerlich-rechtlichen Rechtsvorgang mittels Verwendung von Begriffen des bürgerlichen Rechts besteuert, scheiden eine Zuordnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO grundsätzlich aus10. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist aber nach diesen Grundsätzen auch im Grunderwerbsteuerrecht anwendbar, wenn und soweit die Auslegung eines im GrEStG verwendeten gesetzlichen Merkmals ergibt, dass es nicht auf die zivilrechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankommt. Dies ist bei dem Merkmal der „mittelbaren Änderung“ des Gesellschafterbestandes der Fall. In Anlehnung an die für § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geltenden Grundsätze können es demgemäß auch schuldrechtliche Vereinbarungen rechtfertigen, einen Anteil am Gesellschaftsvermögen einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft abweichend von der zivilrechtlichen Zuordnung zum (Alt-)Gesellschafter einem Dritten (fiktiver Neugesellschafter) zuzurechnen. Die Grundlage einer solchen Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums ist nicht auf bestimmte Vertragstypen beschränkt.

Im Falle des Verkaufs einer Beteiligung an einer Gesellschaft reicht jedenfalls der bloße Abschluss eines Kaufvertrages nicht aus, um wirtschaftliches Eigentum anzunehmen. Deshalb reicht hierfür auch die wirtschaftlich vergleichbare Vereinbarung einer Kaufoption oder -wie im Streitfall- die Vereinbarung einer „Doppeloption“, bei der dem Käufer ein Ankaufsrecht und zugleich dem Verkäufer ein Andienungsrecht zu jeweils feststehenden Konditionen eingeräumt wird, für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums der Käuferseite nicht aus. Wirtschaftliches Eigentum liegt in diesen Fällen vielmehr nur dann vor, wenn der Käufer des Anteils

  • aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
  • die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie
  • das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind11.

Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall12. Bei dieser Gesamtbildbetrachtung kann eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts auch anzunehmen sein, wenn die hierfür regelmäßig zu stellenden Anforderungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind13.

Nach diesen Grundsätzen liegt in den Vereinbarungen, die hier hinsichtlich des Teilkommanditanteils von 5,6% getroffen wurden, eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes der Personengesellschaft. Denn mit dem Erwerb des Optionsrechts hat die Erwerberin eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Teilkommanditanteils gerichtete Rechtsposition erworben, die ihr gegen ihren Willen nicht mehr entzogen werden konnte. Da gleichzeitig die Konditionen festgelegt wurden, zu denen sie den Kommanditanteil erhalten sollte, sind auch das Risiko einer Wertminderung des Anteils und die Chance einer Wertsteigerung desselben auf sie übergegangen.

Es sind auch die mit dem Teilkommanditanteil verbundenen wesentlichen Rechte auf sie übergegangen. Denn die Veräußerin hat durch die Vereinbarung auch das mit ihrer Mitgliedschaft verbundene Gewinnstammrecht auf die Erwerberin übertragen. Durch diese Vereinbarung sind im Ergebnis die zukünftigen Ansprüche der Veräußerin auf den laufenden Gewinn auf die Erwerberin übergegangen. Dabei kann dahinstehen, ob die von den Vertragsschließenden vorgenommene isolierte Übertragung des Gewinnstammrechts im Hinblick auf das Abspaltungsverbot nach § 161 Abs. 2 i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB und § 717 Satz 1 BGB unzulässig ist14. Denn selbst wenn dem so wäre, müsste die gegen § 717 Satz 1 BGB verstoßende und daher nichtige Übertragung des Gewinnstammrechts nach Maßgabe des § 140 BGB in eine aufgrund der nach Sachlage gegebenen Zustimmung aller Gesellschafter wirksame Überlassung des Gewinnstammrechts zur Ausübung durch die Erwerberin umgedeutet werden15. Diese Überlassung des Gewinnstammrechts zur Ausübung führte dazu, dass die Veräußerin nach Abschluss der Vereinbarung zukünftig keine Gewinnansprüche mehr hatte und diese allein der Erwerberin zustanden.

Unter diesen Umständen bedurfte es zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht zusätzlich noch der Übertragung der Stimmrechte, denn diese hatten aufgrund der mit der Erwerberin getroffenen Vereinbarungen für die Veräußerin wirtschaftlich weitgehend ihre Bedeutung verloren.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. Juli 2014 – II R 49/12

  1. BFH, Urteile vom 18.04.2012 – II R 51/11, BFHE 236, 569, BStBl II 2013, 830; und vom 16.05.2013 – II R 3/11, BFHE 242, 169, BStBl II 2013, 963[]
  2. BFH, Urteile vom 16.01.2013 – II R 66/11, BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266; vom 24.04.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833; in BFHE 242, 169, BStBl II 2013, 963; vom 25.09.2013 – II R 17/12, BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268, und BFH, Beschluss vom 02.03.2013 – II R 23/10, BFHE 232, 358, BStBl II 2011, 932[]
  3. BFH, Urteile vom 29.02.2012 – II R 57/09, BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917; in BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266, und in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833[]
  4. grundlegend: BFH, Urteil in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833[]
  5. Begründung des Regierungsentwurfs, BR-Drs. 910/98, S.203; vgl. ferner Dritter Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines StEntlG 1999/2000/2002, BT-Drs. 14/443, S. 42[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 13, 14, 16, 17[]
  7. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 1 Rz 113; a.A. z.B. Behrens/Schmitt, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuerrecht 2009, 240[]
  8. dazu BFH, Urteil in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833[]
  9. BFH, Urteil vom 22.09.1982 – II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179[]
  10. z.B. BFH, Urteil vom 29.09.2004 – II R 14/02, BFHE 207, 59, BStBl II 2005, 148; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 39 AO Rz 60[]
  11. vgl. BFH, Urteile vom 10.03.1988 – IV R 226/85, BFHE 153, 318, BStBl II 1988, 832, m.w.N.; und vom 11.07.2006 – VIII – R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296[]
  12. BFH, Urteil vom 25.05.2011 – IX R 23/10, BFHE 234, 55, BStBl II 2012, 3, ständige Rechtsprechung; Fischer in HHSp, § 39 AO Rz 103 f.; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 39 AO Rz 24, jeweils m.w.N.[]
  13. BFH, Urteile vom 15.02.2001 – III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041, und in BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296[]
  14. MünchKomm/HGB/Priester, 3. Aufl., § 121 HGB Rz 9; Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., § 717 Rz 4; Haas in Röhricht/von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 121 Rz 1[]
  15. MünchKommBGB/Schäfer, 6. Aufl., § 717 Rz 9; Soergel-Hadding, BGB, 12. Aufl., § 717 Rz 22; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.05.1956 – II ZR 229/54, BGHZ 20, 363[]