Die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils reicht für einen Anteilsübergang i.S. einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht aus.

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen1.
Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht2. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist danach erst in dem Zeitpunkt erfüllt, in dem die Gesellschaftsanteile dinglich auf die neuen Erwerber übergehen. Nach § 1 Abs. 2a GrEStG gilt -anders als bei § 1 Abs. 3 GrEStG- nicht schon der (schuldrechtliche) Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen begründet, als ein auf die Übertragung von Grundstücken gerichtetes Rechtsgeschäft, sondern erst die (dingliche) Änderung des Gesellschafterbestandes.
Bei einer Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft von mindestens 95 % (§ 1 Abs. 2a GrEStG) werden nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn -wie im Streitfall- ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück betroffen ist. Gegenstand der gesonderten Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG sind die Besteuerungsgrundlagen. Zu diesen gehört in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden Personen und über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung berufen sind3.
Gesondert festzustellen ist auch der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Personengesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist. Dies ist nach § 138 Abs. 1 Satz 2 des Bewertungsgesetzes in der im Jahr 2005 geltenden Fassung der Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 38 AO, § 14 GrEStG), soweit nicht einer der in § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG geregelten Sonderfälle vorliegt. Die Entscheidung über den Bewertungszeitpunkt darf nach Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 GrEStG nicht den für die Bewertung der Grundstücke zuständigen Finanzämtern überlassen werden. Nur die Feststellung im Bescheid nach § 17 Abs. 3 GrEStG kann eine einheitliche Beurteilung dieses Zeitpunkts gewährleisten.
Die „mittelbare“ Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG ist -im Gegensatz zur unmittelbaren Änderung- nur nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen4. Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheidet aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gibt und bei der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zivilrechtlich kein Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übergeht. Es bleibt nur eine am Sinn und Zweck der Regelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung.
Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann sich auch aus schuldrechtlichen Bindungen der an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafter ergeben. Schuldrechtliche Bindungen können es nach den § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegenden Wertungen rechtfertigen, den Anteil am Gesellschaftsvermögen einem Dritten zuzurechnen und diesen wie einen neuen Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft zu behandeln. Die Änderung der Zurechnung des Anteils ist unter bestimmten Voraussetzungen einem zivilrechtlichen Erwerb des Anteils durch einen neuen Rechtsträger gleichzustellen. Ein dinglicher Übergang von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter ist hierzu nicht erforderlich5.
Für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung kann unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden6. Die Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums ist dabei jedoch nicht auf bestimmte Vertragstypen oder bestimmte Sachverhaltsgruppen beschränkt. Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall7. Ist danach der Gesellschaftsanteil dem Erwerber wirtschaftlich zuzurechnen, gilt dies als mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes.
In Fällen der Vereinbarung einer „Doppeloption“, bei der dem Käufer ein Ankaufsrecht und zugleich dem Verkäufer ein Andienungsrecht zu jeweils feststehenden Konditionen eingeräumt wird, liegt wirtschaftliches Eigentum hinsichtlich nicht übertragener Gesellschaftsanteile nur vor, wenn der Erwerber aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind8.
Dasselbe gilt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bei der Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses. Danach ändert sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG mittelbar, wenn ein an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligter Gesellschafter mit einem oder mehreren Treugebern vereinbart, den Gesellschaftsanteil treuhänderisch für die Treugeber zu halten, und die Treuhandvereinbarungen im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum dazu führen, dass den Treugebern mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft als neuen Gesellschaftern zuzurechnen sind9.
Die Einräumung einer umfassenden, unwiderruflichen Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil reicht demgegenüber nicht aus, um eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes im Hinblick auf den von der Vollmacht umfassten Gesellschaftsanteil anzunehmen. Insoweit wird dem Bevollmächtigten nur die bloße Möglichkeit eingeräumt, die wesentlichen Gesellschafterrechte für den Gesellschafter wahrzunehmen. Es genügt auch nicht, wenn der Bevollmächtigte zudem berechtigt ist, den Gesellschaftsanteil auf sich ohne Gegenleistung zu übertragen. Die wesentlichen Rechte des Gesellschafters, nämlich insbesondere die Stimmrechte und das Gewinnstammrecht sind damit gerade nicht auf den Bevollmächtigten übergegangen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen führte im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die bloße Erteilung der Vollmachten in Bezug auf den Anteil der KG von 6 % an der GmbH & Co. KG nicht zu einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. Durch die Vollmachten konnten die Erwerber zwar die Rechte aus dem Gesellschaftsanteil ausüben. Sie waren zudem berechtigt, den Gesellschaftsanteil jederzeit auf sich selbst oder einen Dritten mit oder ohne Gegenleistung zu übertragen. Solange sie jedoch von dieser rechtlichen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, sind die wesentlichen Gesellschafterrechte noch nicht auf sie übergegangen, sondern vollumfänglich bei der KG als Gesellschafterin verblieben.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. August 2017 – II R 39/15
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 16.05.2013 – II R 3/11, BFHE 242, 169, BStBl II 2013, 963; vom 09.07.2014 – II R 49/12, BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57; und vom 25.11.2015 – II R 18/14, BFHE 251, 492; jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile vom 16.01.2013 – II R 66/11, BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266; vom 24.04.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833; in BFHE 242, 169, BStBl II 2013, 963; vom 25.09.2013 – II R 17/12, BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268; in BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57, und in BFHE 251, 492[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 15.10.2014 – II R 14/14, BFHE 248, 228, BStBl II 2015, 405, Rz 20[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57, Rz 14, und in BFHE 251, 492, Rz 13, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57, Rz 15 f., und in BFHE 251, 492, Rz 17[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57, Rz 17, und in BFHE 251, 492, Rz 18[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57, Rz 20, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57, Rz 19, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 251, 492, Rz 22[↩]