Die aufgrund einer Außenprüfung nachzuentrichtenden Steuerbeträge sind ohne Zusammenfassung mit der Steuer für einen laufenden Anmeldungszeitraum festzusetzen, wenn der Versicherer im laufenden Anmeldungszeitraum nach Abschluss der Außenprüfung nur steuerfreie Versicherungsentgelte vereinnahmt und deshalb keine Steuer angemeldet hat.

Ein Nachforderungsbescheid über Versicherungsteuer ist hinreichend bestimmt, wenn ihm der Besteuerungszeitraum, die Höhe der Versicherungsentgelte sowie die Art der Versicherung, für die Versicherungsteuer nachzuentrichten ist, zweifelsfrei entnommen werden können. Soweit der nachzuentrichtenden Versicherungsteuer unterschiedliche Steuersätze zugrunde liegen, bedarf es einer Zuordnung der gezahlten Versicherungsentgelte zum jeweils anzuwendenden Steuersatz.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG ist Steuerschuldner der Versicherungsteuer der Versicherungsnehmer. Für die Steuer haftet der Versicherer, der die Steuer für Rechnung des Versicherungsnehmers zu entrichten hat (§ 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VersStG). Der Versicherer hat nach Maßgabe des § 8 VersStG die Steuer anzumelden und die Steuer zu entrichten. Gibt der Versicherer bis zum Ablauf der Anmeldefrist die Steueranmeldung nicht ab, so setzt das Finanzamt die Steuer fest (§ 8 Abs. 4 Satz 1 VersStG). Steuerbeträge, die aufgrund einer Außenprüfung nachzuentrichten oder zu erstatten sind, sind gemäß § 10 Abs. 4 VersStG zusammen mit der Steuer für den laufenden Anmeldungszeitraum festzusetzen.
Ist eine Steuer aufgrund gesetzlicher Verpflichtung anzumelden (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO), so ist gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 AO eine Festsetzung der Steuer nach § 155 AO nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder der Steuer- oder Haftungsschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO begründet ein Wahlrecht für die Finanzbehörde, den Haftungsschuldner entweder durch Haftungsbescheid oder durch Steuerbescheid in Anspruch zu nehmen, wenn dieser seine Anmeldepflicht nicht erfüllt hat1.
Erlässt die Finanzbehörde -wie im Streitfall- einen Nachforderungsbescheid, ändert dies allerdings nichts daran, dass durch diesen materiell-rechtlich ein Haftungsanspruch geltend gemacht wird. Die Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 AO erfasst damit denjenigen, der die Steuer als Entrichtungssteuerschuldner nicht angemeldet hat, gerade in seiner Funktion als Haftungsschuldner2. Gleichwohl handelt es sich bei der Entrichtungsschuld um eine eigene Steuerschuld des Entrichtungsverpflichteten und nicht um eine (fiktive) Haftungsschuld3.
Nach § 10 Abs. 4 VersStG ind Steuerbeträge, die aufgrund einer Außenprüfung nachzuentrichten oder zu erstatten sind, zusammen mit der Steuer für den laufenden Anmeldungszeitraum festzusetzen.
§ 10 Abs. 4 VersStG verfolgt einen Vereinfachungszweck. Die Regelung soll es der Finanzbehörde nach einer die Versicherungsteuer betreffenden Außenprüfung ermöglichen, nicht für jede einzelne zu korrigierende Versicherungsteueranmeldung einen Änderungsbescheid zu erlassen, sondern alle Änderungen in einem Bescheid zusammenzufassen2. Dabei ist die Verwaltung nicht darauf beschränkt, aufgrund einer Außenprüfung nachzufordernde Beträge nur mit der Steuer des Anmeldungszeitraums festzusetzen, in dem die Außenprüfung endete. „Laufender Anmeldungszeitraum“ i.S. des § 10 Abs. 4 VersStG ist vielmehr jeder Anmeldungszeitraum nach Abschluss der Außenprüfung. Die hiervon abweichende Neufassung des § 10 Abs. 4 VersStG durch Art. 1 Nr. 9 des Verkehrsteueränderungsgesetzes (VerkehrStÄndG) vom 05.12 20124 ist nach Art. 4 Nr. 1 VerkehrStÄndG am Tag nach dessen Verkündung in Kraft getreten und daher im Streitfall nicht anwendbar.
Wortlaut und Zweck des § 10 Abs. 4 VersStG setzen voraus, dass eine Steuerfestsetzung sowohl für die aufgrund der Außenprüfung nachzuentrichtende bzw. zu erstattende Steuer als auch für den laufenden Anmeldungszeitraum erforderlich ist. Einer solchen Verbindung dieser Steuerfestsetzungen bedarf es jedoch nicht, wenn an den Versicherer im laufenden Anmeldungszeitraum nach Abschluss der Außenprüfung nur steuerfreie Versicherungsentgelte gezahlt wurden. In diesem Fall ist dem Vereinfachungszweck des § 10 Abs. 4 VersStG dadurch genügt, dass die nachzuentrichtenden oder zu erstattenden Steuerbeträge in einem alle Anmeldungszeiträume des Prüfungszeitraums umfassenden zusammengefassten Bescheid festgesetzt werden. Eine Verbindung dieser Steuerfestsetzung mit einer (Null-)Festsetzung für den laufenden Anmeldungszeitraum ist weder aus Vereinfachungsgründen noch aufgrund sonstiger verfahrensrechtlicher Erfordernisse geboten.
Der angefochtene Nachforderungsbescheid ist auch trotz fehlender Aufgliederung der (hier: für Januar 2000 bis Dezember 2003) festgesetzten Versicherungsteuer inhaltlich hinreichend bestimmt. Die Klägerin konnte diesem Bescheid aufgrund seiner Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht vom 13.06.2006 zweifelsfrei die steuerliche Erfassung der in diesem Zeitraum an sie gezahlten Versicherungsentgelte für Sportinvaliditätsversicherungen sowie die Zuordnung der auf diese Versicherungsentgelte jeweils anzuwendenden Steuersätze entnehmen.
Ein Nachforderungsbescheid i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 AO unterliegt hinsichtlich Form und Inhalt den für Steuerbescheide geltenden Anforderungen des § 157 Abs. 1 AO. Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO) und die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Diesen zur Bestimmtheit eines Steuerbescheids notwendigen Angaben genügt auch eine Bezugnahme auf Anlagen oder Unterlagen (etwa einen Betriebsprüfungsbericht), die sich bereits in Händen des Steuerpflichtigen befinden5.
Entgegen der Auffassung des BZSt ergibt sich zwar aus § 10 Abs. 4 VersStG keine Rechtsgrundlage dafür, im Nachforderungsbescheid über Versicherungsteuer auf eine Zuordnung jedes einzelnen Nachforderungsbetrags zu einem Anmeldungszeitraum zu verzichten. Weder Wortlaut noch Zweck des § 10 Abs. 4 VersStG lässt sich entnehmen, welche Bestimmtheitsanforderungen an einen Nachforderungsbescheid über Versicherungsteuer zu stellen sind.
Der angefochtene Bescheid genügt aber deshalb den Bestimmtheitsanforderungen, weil die festgesetzte Versicherungsteuer durch Angabe des Besteuerungszeitraums Januar 2000 bis Dezember 2003 sowie der betroffenen Versicherungsentgelte hinreichend bestimmt bezeichnet ist; einer Aufgliederung des Nachforderungsbetrags auf die einzelnen Anmeldungszeiträume bedurfte es nicht.
Ein Nachforderungsbescheid über Versicherungsteuer, durch den materiell-rechtlich ein Haftungsanspruch geltend gemacht wird, ist nicht zeitraum, sondern sachverhaltsbezogen und erfordert grundsätzlich keine Aufgliederung nach Anmeldungszeiträumen. Insoweit gilt für den Nachforderungsbescheid über Versicherungsteuer nichts anderes als für einen Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid6, einen Lohnsteuerhaftungsbescheid7 oder einen Nachforderungsbescheid über Kapitalertragsteuer8. Ein Haftungsbescheid ist dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn für den Betroffenen erkennbar ist, was von ihm, auch der Höhe nach, verlangt wird. Dabei ist es ausreichend, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über das Verlangte gewonnen werden kann9. Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheids reicht es auch aus, wenn sich aus ihm die konkreten Sachverhalte, die zur Haftung geführt haben, ohne weiteres zweifelsfrei entnehmen lassen10.
Nach diesem Maßstab ist den Bestimmtheitsanforderungen eines Nachforderungsbescheids über Versicherungsteuer genügt, wenn ihm der Besteuerungszeitraum, die Höhe der Versicherungsentgelte sowie die Art der Versicherung, für die Versicherungsteuer nachzuentrichten ist, zweifelsfrei entnommen werden können und, soweit der nachzuentrichtenden Versicherungsteuer unterschiedliche Steuersätze zugrunde liegen, eine Zuordnung der gezahlten Versicherungsentgelte zum jeweils anzuwendenden Steuersatz erfolgt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Dezember 2014 – II R 18/12
- BFH, Urteile vom 13.12 2011 – II R 26/10, BFHE 236, 212, BStBl II 2013, 596; vom 19.12 2012 – I R 81/11, BFH/NV 2013, 698, jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 236, 212, BStBl II 2013, 596[↩][↩]
- BFH, Entscheidungen vom 14.07.1999 – I B 151/98, BFHE 190, 1, BStBl II 2001, 556; vom 08.04.2014 – I R 51/12, BFHE 246, 7, BStBl II 2014, 982[↩]
- BGBl I 2012, 2431[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 22.09.2004 – II R 50/03, BFH/NV 2005, 993; vom 04.06.2008 – I R 72/07, BFH/NV 2008, 1977[↩]
- dazu z.B. BFH, Urteil vom 28.11.1990 – VI R 115/87, BFHE 163, 536, BStBl II 1991, 488[↩]
- dazu z.B. BFH, Urteile vom 04.06.1993 – VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687; vom 11.12 2008 – VI R 20/05, BFH/NV 2009, 904[↩]
- dazu z.B. BFH, Urteil in BFHE 246, 7, BStBl II 2014, 982[↩]
- BFH, Entscheidungen vom 24.04.1990 – VII R 114/88, BFH/NV 1991, 137; vom 16.07.1992 – VII R 59/91, BFH/NV 1993, 146; vom 27.08.2009 – V B 76/08, BFH/NV 2010, 8[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 904, m.w.N.[↩]