Wirkhinweis in der Einheitswertfeststellung – und die Festsetzungsverjährung

Für einen Wirkhinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO ist der Hinweis erforderlich und ausreichend, dass die Feststellung für noch nicht verjährte Folgebescheide von Bedeutung ist.

Wirkhinweis in der Einheitswertfeststellung – und die Festsetzungsverjährung

Nach § 181 Abs. 5 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Hierauf ist im Feststellungsbescheid hinzuweisen.

Dieser Hinweis darf keine konkrete Zeitangabe zu der vermeintlichen Verjährung im Folgebescheidsverfahren enthalten, da Feststellungen zur Festsetzungsverjährung nur im Folgebescheid zu treffen sind.

Nach § 19 Abs. 1 und 4 BewG werden Einheitswerte für inländischen Grundbesitz festgestellt, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Änderungen einer bestehenden Feststellung finden einerseits im Wege der Fortschreibung nach § 22 BewG, andererseits im Wege der Nachfeststellung nach § 23 BewG statt. Für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet werden nach § 132 Abs. 1 BewG Fortschreibungen und Nachfeststellungen der Einheitswerte 1935 erstmals auf den 01.01.1991 vorgenommen, soweit sich aus den Abs. 2 bis 4 nichts Abweichendes ergibt.

Die Feststellung des Einheitswerts unterliegt der Feststellungsverjährung. Nach § 181 Abs. 3 Satz 1 AO beginnt die Frist für die gesonderte Feststellung von Grundsteuerwerten (Feststellungsfrist) mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung eines Grundsteuerwerts vorzunehmen ist. Die Frist beträgt nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO regulär vier Jahre.

§ 25 Abs. 1 Satz 1 BewG eröffnet die Möglichkeit, nach Ablauf der Feststellungsfrist eine Fortschreibung oder Nachfeststellung unter Zugrundelegung der Verhältnisse vom Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkt mit Wirkung für einen späteren Feststellungszeitpunkt vorzunehmen, für den diese Frist noch nicht abgelaufen ist. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BewG bleibt § 181 Abs. 5 AO unberührt.

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Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. Nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO ist hierauf im Feststellungsbescheid hinzuweisen.

§ 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt keine Ablaufhemmung, sondern ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen den Erlass eines Feststellungsbescheids mit eingeschränktem Regelungsgehalt, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen ist1. Anders als nach § 25 BewG wird nach § 181 Abs. 5 AO eine Feststellung auf den verjährten ursprünglichen Fortschreibungszeitpunkt getroffen2.

Der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO hat Regelungscharakter i.S. von § 118 AO. Er bestimmt den zeitlichen Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen und wirkt damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis ein. Enthält der Bescheid den Hinweis nicht, ist er rechtswidrig3. Für den Steuerpflichtigen und das für den Folgebescheid zuständige Finanzamt muss deshalb erkennbar sein, dass es sich um einen Feststellungsbescheid handelt, der lediglich für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam ist, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist4. Ist ein Feststellungsbescheid zunächst ohne solchen Hinweis erfolgt, kann der Hinweis auch nach Einspruch mit Änderungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden5.

Wird ein Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erteilt, bedarf es dafür keiner Prüfung der Verjährung des maßgebenden Folgebescheids. Bei Erlass eines Einheitswertbescheids unter Beifügung eines Wirkhinweises ist insbesondere nicht zu prüfen, ob die insoweit maßgebende Grundsteuer verjährt ist.

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Der Einheitswertbescheid ist Grundlagenbescheid für den Grundsteuermessbescheid, dieser für den Grundsteuerbescheid6. Der Wirkhinweis wird in diesem dreistufigen Verfahren auf der ersten Stufe (Einheitswert) unmittelbar auch für die dritte Stufe (Grundsteuer) erteilt. Die zweite Stufe (Grundsteuermessbetrag) wird übersprungen. Liegt in der ersten Stufe (Einheitswert) ein Wirkhinweis vor, ist die Frage, ob Verjährung in der dritten Stufe (Grundsteuer) eingetreten ist, allein dort zu prüfen. Ein Wirkhinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO verlangt umgekehrt keine genaue Angabe, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkung zukommen soll7.

Eine Entscheidung mit Regelungscharakter i.S. von § 118 AO über die Frage, ob Verjährung in der Grundsteuer eingetreten ist, ist im Rahmen des Einheitswertbescheids mit Wirkhinweis nicht nur nicht geboten, sondern nicht zulässig.

Im Verfahren betreffend die Grundsteuerfestsetzung gehört der Nichteintritt der Festsetzungsverjährung zu den Besteuerungsgrundlagen des Bescheids. Deren Feststellung bildet nach § 157 Abs. 2 AO einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden. § 157 AO gilt als Teil des Vierten Teils der AO nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO entsprechend für die Realsteuern, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, mithin auch für die Grundsteuern. Die Besteuerungsgrundlagen sind als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelfsverfahren sowie im Klageverfahren vollständig zu prüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO und § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO bzw. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 79 des Verwaltungsverfahrensgesetzes).

Der Nichteintritt der Festsetzungsverjährung im Folgebescheid ist ausschließlich unselbständige Besteuerungsgrundlage i.S. von § 157 Abs. 2 AO und kann nicht im Grundlagenbescheid gesondert festgestellt werden.

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Nach § 179 Abs. 1 AO werden abweichend von § 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in der AO oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. Auch § 179 AO findet nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO für die durch die Gemeinden verwalteten Grundsteuern entsprechende Anwendung. Feststellungsbescheide haben nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung für Folgebescheide und sind Grundlagenbescheide i.S. von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO. Bindende Grundlagenbescheide liegen nur vor, wenn die Bindungswirkung gesetzlich angeordnet ist8.

§ 181 Abs. 5 AO enthält keine solche gesetzliche Regelung. Die Vorschrift verlagert nicht die Entscheidung über die Festsetzungsverjährung des Folgebescheids in das Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid. Sie ermöglicht einen Grundlagenbescheid in verjährter Zeit mit Wirkung für noch nicht verjährte Folgebescheide. Weder dem Wortlaut ist es zu entnehmen noch gibt es einen sachlichen Grund, der Entscheidung in einem Grundlagenbescheidsverfahren, in dem im gesetzlich vorgesehenen Umfang über die Besteuerungsgrundlagen des Folgebescheids entschieden wird, zusätzlich die abschließende Entscheidung über die Verjährung des gesamten Folgebescheids zu überantworten9.

Wäre eine solche Zuständigkeitsverlagerung zur Entscheidung über die Verjährung vorgesehen, müsste der Grundlagenbescheid, konkret der Wirkhinweis, zwingend eine entsprechende Aussage über die Verjährung des Folgebescheids enthalten. Dabei wären nicht nur die Regelverjährung, sondern auch sämtliche An- und Ablaufhemmungen zu prüfen. Spiegelbildlich wäre die Prüfung der Verjährungsfrage dem Folgebescheidsverfahren entzogen. Es ist jedoch weder mit § 157 Abs. 2 AO noch mit dem Bundesfinanzhof, Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 vereinbar, der Finanzverwaltung oder dem Steuerpflichtigen die Wahl darüber zu überlassen, in welchem Verfahren verbindlich über die Verjährung entschieden werden soll.

Nach diesen Grundsätzen ist es unzulässig, einen Wirkhinweis im Grundlagenbescheid nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO allein durch eine konkrete Zeitangabe zu der vermeintlichen Verjährung im Folgebescheidsverfahren zu gestalten. Geschieht dies dennoch und ist der Bescheid für sich genommen in verjährter Zeit ergangen, ist er insgesamt rechtswidrig.

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Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, einen Hinweis in der Art aufzunehmen, dass die Feststellung für noch nicht verjährte Folgebescheide von Bedeutung ist, oder eine ähnliche an das Gesetz angelehnte Formulierung zu wählen. Eine Entscheidung über die Frage, für welche Folgebescheide die Feststellung tatsächlich von Bedeutung ist, ist nicht zu treffen und ersetzt den Wirkhinweis nicht. Könnte eine solche Zeitangabe die Rechtswirkungen eines Wirkhinweises zeitigen, käme ihr Regelungscharakter zu. Eine Entscheidung über die Verjährung im Folgebescheidsverfahren ist aber im Grundlagenbescheidsverfahren gerade unzulässig.

Die Rechtswidrigkeit des gesamten Feststellungsbescheids ergibt sich unabhängig von der Frage, ob ein derartiger Hinweis als nicht existenter oder nichtiger Wirkhinweis oder als zwar rechtswidriger, aber wirksamer Wirkhinweis zu behandeln ist. Ohne wirksamen Wirkhinweis durfte er wegen eingetretener Verjährung nicht ergehen. Sollte der Wirkhinweis hingegen rechtswidrig, aber wirksam und außerdem isoliert anfechtbar sein, verbliebe durch dessen Aufhebung ein nicht mehr mit Wirkhinweis versehener und damit ebenso rechtswidriger Bescheid.

Nach diesen Maßstäben hat im hier entschiedenen Streitfall das Finanzgericht Berlin-Brandenburg im Ergebnis zu Recht erkannt, dass die angefochtenen Bescheide wegen Eintritts der Feststellungsverjährung rechtswidrig und ersatzlos aufzuheben sind10:

Der Einheitswert ist zwar nach § 132 Abs. 1 BewG sachlich zutreffend auf den 01.01.1991 festgestellt. Die Bescheide sind jedoch nach dem 31.12.1995 und damit nach Ablauf der Feststellungsverjährung ergangen. Die reguläre Verjährungsfrist war zu diesem Datum abgelaufen. Hemmungstatbestände sind nicht ersichtlich. Ein ordnungsgemäßer Wirkhinweis i.S. von § 181 Abs. 5 Satz 2 AO fehlt. Der Bescheid vom 02.11.2017 enthält keine Angabe über eine zeitliche Beschränkung. Die dem Grundsteuermessbescheid beigefügten Erläuterungen sind nicht Teil des Einheitswertbescheids und hätten die Wirkung des § 181 Abs. 5 Satz 2 AO auch ebenso wenig entfalten können wie es der schließlich der Einspruchsentscheidung vom 16.05.2018 beigegebene Hinweis vermochte. Statt wie erforderlich einen Hinweis darauf zu erteilen, dass die Feststellung nur für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist, hat der Bescheid den seitens des Finanzamtes für zutreffend erachteten Zeitraum selbst benannt. Das entspricht nicht den Anforderungen an einen Wirkhinweis. Damit ist auch die Einspruchsentscheidung vom 16.05.2018 in feststellungsverjährter Zeit ergangen und aufzuheben.

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Weder der Bescheid vom 02.11.2017 noch die Einspruchsentscheidung vom 16.05.2018 können als Bescheid nach § 25 BewG Bestand haben. Bei Erlass des ersten Bescheids war für den 01.01.1991 seit langem Feststellungsverjährung eingetreten. Der Bescheid stellte einen Einheitswert auf den 01.01.1991 fest und enthielt keine weiteren Angaben, denen zu entnehmen sein könnte, dass der Bescheid in Wahrheit erst für ein späteres Datum gelten solle bzw. welches Datum das sei. Auch die Einspruchsentscheidung kann weder im Wege der Auslegung noch im Wege der Umdeutung nach § 128 AO als eine auf § 25 BewG gestützte Fortschreibung verstanden werden.

Es kann dahinstehen, ob ein Bescheid, der zwar einen Einheitswert auf ein frühes Datum feststellt, aber gleichzeitig erst von einem späteren Datum an seine Geltung beansprucht, als Einheitswertfeststellung auf dieses spätere Datum ausgelegt werden kann. Den ersten Hinweis auf eine zeitliche Beschränkung enthielt die Einspruchsentscheidung, so dass allein diese für eine solche Auslegung in Betracht kommt. Bei Erlass der Einspruchsentscheidung im Jahre 2018 war aber der erste noch nicht feststellungsverjährte Zeitpunkt der 01.01.2014, nicht der dort genannte 01.01.2013.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Juli 2021 – II R 38/19

  1. BFH, Urteile vom 31.10.2000 – VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156, unter II. 1.b; und vom 19.08.2008 – IX R 89/07, BFH/NV 2009, 762, unter II. 2.b[]
  2. vgl. zum Verfahrensrecht die Zusammenfassung in FG Hamburg, Hinweisbeschluss vom 30.07.2013 – 3 K 55/13 Rz 7[]
  3. ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 26.06.2019 – II R 58/15, BFH/NV 2019, 1222, Rz 23, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteile vom 17.02.2010 – II R 38/08, BFH/NV 2010, 1236, Rz 20; und vom 05.02.2014 – X R 1/12, BFHE 244, 516, BStBl II 2016, 567, Rz 30[]
  5. BFH, Urteile vom 12.07.2005 – II R 10/04, BFH/NV 2006, 228; in BFH/NV 2010, 1236, Rz 19 bis 21; und vom 06.02.2014 – IV R 41/10, BFH/NV 2014, 847, Rz 22[]
  6. BFH, Urteil vom 25.11.2020 – II R 3/18, BFHE 272, 1, Rz 18[]
  7. vgl. im Einzelnen BFH, Urteil in BFHE 272, 1, Rz 32, 33, m.w.N.[]
  8. vgl. BFH (GrS), Beschluss vom 11.04.2005 – GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 [Zebragesellschaft], unter C.04.a; BFH, Urteil vom 03.07.2014 – III R 30/11, BFHE 246, 477, BStBl II 2015, 157, Rz 36 bis 38[]
  9. vgl. bereits BFH, Urteil vom 18.03.1998 – II R 7/96, BFHE 185, 573, BStBl II 1998, 555[]
  10. FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 24.07.2019 – 3 K 3109/18[]
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