Bebauungsplan – und die unerwünschte Landwirtschaft

Die Festsetzung in einem einfachen Bebauungsplan, wonach die Bebauung mit Tierhaltungsanlagen unzulässig ist, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder 4 BauGB zu beurteilen sind und dem Halten oder der Aufzucht von Schweinen, Geflügel, Rindern, Schafen, Ziegen, Pferden und Pelztieren dienen, kann nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB gestützt werden.

Bebauungsplan – und die unerwünschte Landwirtschaft

Diese Norm ermächtige nicht dazu, Bebauung weit überwiegend zuzulassen und lediglich ihrer Art nach zu steuern.

Hierfür spricht der Wortlaut der Norm. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB können aus städtebaulichen Gründen die Flächen und deren Nutzung festgesetzt werden, die von „der Bebauung“ freizuhalten sind. Damit ist jede Bebauung in Bezug genommen; Anhaltspunkte für eine Befugnis zur Differenzierung nach Art der Bebauung bestehen nicht. Auch das Verb „freihalten“ zeigt, dass mit einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB grundsätzlich die Bebauung einer Fläche überhaupt verhindert werden soll1

Eine systematische Auslegung stützt diesen Befund. Die Rechtsgrundlage zur Regelung der Art der baulichen Nutzung findet sich in § 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9a BauGB, der zum Erlass der Baunutzungsverordnung ermächtigt. Daneben kennt § 9 Abs. 1 BauGB spezielle Rechtsgrundlagen, beispielsweise § 9 Abs. 1 Nr. 5, der die Festsetzung von Flächen für den Gemeinbedarf sowie Sport- und Spielanlagen vorsieht2. Eine generelle Befugnis nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB, bestimmte Arten baulicher Nutzung auszuschließen und die bauliche Nutzung der Flächen damit im Ergebnis frei zu steuern, würde dieses Regelungsgefüge unterlaufen. 

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Mangels Entscheidungserheblichkeit konnte das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall die Frage offenlassen, ob optisch untergeordnete, mit der Zielsetzung einer Freiraumplanung im Einklang stehende Anlagen von dem Freihaltegebot nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB ausgenommen werden dürfen3

Etwas anderes lässt sich auch nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 17.12.19984 entschieden, dass aufgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB auch für Flächen für die Landwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a BauGB) festgesetzt werden kann, dass sie von Bebauung freizuhalten sind; eine solche Festsetzung schließe auch bauliche Anlagen aus, die im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen5. Hintergrund der Rechtsprechung ist, dass § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a BauGB für sich genommen keine Ermächtigungsgrundlage für den Ausschluss solcher baulichen Anlagen darstellt6. Vorliegend gilt nichts anderes.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Juli 2021 – 4 BN 64.20

  1. ebenso OVG NRW, Urteile vom 06.08.2003 – 7a D 100/01.NE 98; und vom 23.05.2019 – 2 D 39/18.NE 42 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 29.10.2020 – 1 KN 78/18 – BauR 2021, 190, 191; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2020 – 3 S 1749/16 – ZfBR 2021, 282 <285> Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl.2019, § 9 Rn. 55 f.; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2020, § 9 Rn. 435; Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 3. Aufl.2018, § 9 Rn. 36; Schrödter/Möller, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl.2019, § 9 Rn. 66; Spieß, in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl.2018, § 9 BauGB Rn. 38; a.A. BayVGH, Urteil vom 27.12.2001 – 26 N 01.13 27 25; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2021, § 9 Rn. 97c[]
  2. vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.2005 – 4 B 56.05, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 102 Rn. 4[]
  3. vgl. UA S. 8; bejahend OVG Lüneburg, Urteil vom 29.10.2020 – 1 KN 78/18 – BauR 2021, 190 <191>[]
  4. BVerwG, Beschluss vom 17.12.1998 – 4 NB 4.97, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 93[]
  5. a.a.O., Leitsatz Nr. 2[]
  6. a.a.O. S. 58 f.[]
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