Fortdauer der Sicherungsverwahrung

Die Strafvollstreckungskammer ist gehalten, die Entscheidung zur Fortdauer der Maßregel auf einer umfassend ermittelten Tatsachenbasis zu treffen. Dieses Gebot der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verlangt eine zeitnahe Aktualisierung durch Stellungnahmen der Personen, die mit dem Verurteilten in jüngster Zeit in einem betreuenden Kontakt gestanden haben. Dabei muss das letzte Unterbringungsjahr besonders betrachtet und umfassend bewertet werden. Dieser Grundsatz erfordert es nicht, vor jeder Überprüfungsentscheidung das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, wenn andere Erkenntnisquellen (hier: Behandlungsgutachten gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 Nds. SVVollzG) vorliegen, die eine genügend sichere Grundlage für die anzustellende Gefahrenprognose bieten.

Fortdauer der Sicherungsverwahrung

Die zu entscheidende Frage, ob die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung fortdauern muss oder aber gem. § 67d Abs. 2 Satz 1 StPO zur Bewährung ausgesetzt werden kann, beantwortet sich zunächst danach, ob die Voraussetzungen für die ursprüngliche Anordnung der Maßregel noch immer vorliegen oder ob vom Untergebrachten mittlerweile erwartet werden kann, dass er auch ohne Fortsetzung der Maßregel keine schweren Straftaten, wie sie der Anordnung der Maßregel zugrunde lagen, mehr begehen würde. Besondere Bedeutung kommt demnach einer umfassend neuen Überprüfung der Gefahrenprognose zu, die sich daran misst, ob neue Umstände vorliegen, die eine Korrektur der ursprünglichen Unterbringungsanordnung bedingen1.

Ob dies der Fall ist, kann nur wertend entschieden werden, und zu beachten ist weiter, dass die Anforderungen an die Aufklärung des Sachverhalts, ggf. bspw. durch die Einholung neuer Prognosegutachten, mit zunehmender Dauer des Maßregelvollzugs steigen2.

Darüber hinaus ist dann weiter zu prüfen, ob die Vollstreckung in der Unterbringung womöglich unverhältnismäßig erscheint und deshalb eine Aussetzungsentscheidung geboten ist (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB), weil die konkrete Vollzugssituation dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Abstandsgebot, das in der Neuregelung des § 66c StGB seinen Niederschlag gefunden hat, nicht genügend Rechnung trägt.

§§ 463 Abs. 3 Satz 3 n.F., 454 Abs. 2 StPO holt das für die Entscheidung nach § 67d StGB zuständige Gericht in Fällen der Sicherungsverwahrung das Gutachten eines Sachverständigen ein, kann aber, wenn es die Aussetzung nicht erwägt, auch nach der Neuregelung davon Abstand nehmen. Die dazu nunmehr in § 463 Abs. 3 Satz 2 StPO neu geregelte Ausnahme, nach der ein Gutachten gerade unabhängig von der Frage einzuholen ist, ob eine Aussetzung der Maßregel erwogen wird, betrifft allein die im Anschluss an die Vollstreckung der Strafe gem. § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB zu treffende Entscheidung, ob der Vollzug der Maßregel überhaupt noch erforderlich ist. Die seit dem 01.06.2013 geltende Neuregelung zwingt also keineswegs dazu, die dazu bisher auch vom Oberlandesgericht vertretene herrschende Ansicht3 aufzugeben und stattdessen innerhalb des sich aus § 67e Abs. 2 3. Fall StGB ergebenden Prüfintervalls nunmehr regelmäßig neue Prognosegutachten einzuholen.

Das Gebot umfassender Aufklärung des Sachverhalts und der für die Abwägung im Einzelfall notwendigen Umstände erfordert vielmehr eine zeitnahe Aktualisierung durch Stellungnahmen solcher den Verurteilten betreuenden Personen, die in jüngster Zeit, kontinuierlich und mit dem Untergebrachten in engem Kontakt gestanden haben (vgl. dazu auch § 9 Abs. 3 Nds. SVVollzG).

Nach der seit 01.06.2013 geltenden Regelung des § 67e Abs. 1 und 2 StGB hat eine Überprüfung der Notwendigkeit weiterer Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Abstand von längstens einem Jahr zu erfolgen, woraus ersichtlich wird, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass innerhalb dieses Zeitraumes erhebliche Änderungen der für die Gefahrenprognose maßgeblichen Umstände eintreten können4. Der Erkenntnisstand, den sich die Strafvollstreckungskammer zu verschaffen hat, muss daher das letzte Jahr vor der betreffenden Entscheidung ganz besonders erfassen und umfassend bewerten.

§ 8 Abs 1 Satz 2 Nds. SVVollzG erstreckt sich die Behandlungsuntersuchung insbesondere auf die Umstände, die für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten maßgeblich sind, wozu – Satz 3 der Regelung – die individuellen Risikofaktoren, der Behandlungsbedarf, die Behandlungsfähigkeit, die Behandlungsmotivation sowie die Stärkung der Fähigkeiten des Verurteilten, die seiner Gefährlichkeit entgegenwirken, zu betrachten sind.

Der Prüfmaßstab der Behandlungsuntersuchung deckt sich damit gerade mit den in die Entscheidung nach §§ 67d, 67e StGB einzustellenden Umstände, so dass das Behandlungsgutachten dem Oberlandesgericht nunmehr eine genügend sichere Grundlage für die zu überprüfende Gefahrenprognose bietet und schon deshalb ein weiteres Prognosegutachten nicht eingeholt werden muss.

Oberlandesgericht Braunschweig – Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 Ws 279/13

  1. BVerfG NJW 1976, 1736, 1737; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1087; MK-StGB/Veh, Rdnr.20 zu § 67d[]
  2. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.10.2013, 1 Ws 421/13; juris; MK-StGB/Veh, a.a.O., m.w.Nw. aus der Rspr.[]
  3. vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.05.2012, 3 Ws 422/12; juris, mit – Randziffer 8 – weit. Nachw. aus der Rspr.[]
  4. vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.[]