Allein mit der im Allgemeinen erhöhten Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter kann die Gefahrenprognose nicht begründet werden.

Die Neufassung der Anordnungsvoraussetzungen von § 63 StGB greift im Wesentlichen die Konkretisierungen auf, die vom Bundesverfassungsgericht und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren vorgenommen worden sind. Es handelt sich damit vorrangig um bestätigende Kodifizierungen1.
Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten – wie hier2 – nicht aus den Anlasstaten selbst, ordnet das Gericht nach § 63 Satz 2 StGB nF die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur an, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird3.
Hierbei kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat4. Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen5. Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die naheliegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt6.
Dies sah der Bundesgerichtshof hier nicht hinreichend belegt: Freilich hat der Angeklagte aufgrund seines psychischen Defekts immer wieder den Kontakt mit seinen Cousinen gesucht. Er hat hierbei und auch bei den Explorationen gegenüber dem Sachverständigen Todesdrohungen gegen beide Schwestern ausgestoßen. Auch hat er bei den Explorationen die eine Cousine für sein Beeinträchtigungserleben und die ihn sehr belastenden Stimmen verantwortlich gemacht. Er ist sich sicher, dass diese ihn auch körperlich über die Distanz manipulieren könne. Nach der von der Strafkammer geteilten Einschätzung des Sachverständigen ist die Gefahr, dass der Angeklagte in krankheitsbedingter Verkennung von Situationen Gewaltstraftaten begehen werde, sehr hoch. 28)). Allerdings kann der Bundesgerichtshof dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht entnehmen, dass der Angeklagte im Zusammenhang mit den Drohungen gegenüber den Schwestern etwa gefährliche Gegenstände bei sich geführt und damit ein erhebliches Druckpotential aufgebaut7 oder sich auch nur gedanklich mit näher spezifizierten Tötungsarten beschäftigt hätte8. Deswegen ist nach den bisherigen Feststellungen nicht belegt, dass die Drohungen zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens geführt haben9.
Erst recht ist die Annahme des Landgerichts nicht belegt, dass von dem bislang wegen Gewaltdelikten nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten die Gefahr einer Umsetzung der Gewaltfantasien gegen die beiden Schwestern ausging. Denn er hat bislang trotz der wiederholten Nähe zu ihnen nichts unternommen, um seine Drohungen in die Tat umzusetzen10. Die Strafkammer hat auch nicht festgestellt, dass bei ihm eine latente Neigung zu Gewalttätigkeiten zu erkennen gewesen wäre. Allein mit der im Allgemeinen erhöhten Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter kann die Gefahrenprognose nicht begründet werden11.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Dezember 2016 – 4 StR 359/16
- vgl. BT-Drs. 18/7244, S. 42; BGH, Beschluss vom 03.08.2016 – 4 StR 305/16, StV 2017, 35[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.08.2011 – 4 StR 267/11 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 04.08.2016 – 4 StR 230/16[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1994 – 1 StR 689/94, NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 03.04.2008 – 1 StR 153/08, StraFO 2008, 300 f.[↩]
- BGH, Beschluss vom 26.07.2006 – 2 StR 285/06, NStZ-RR 2006, 358 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563 f., Beschlüsse vom 03.04.2008 – 1 StR 153/08, aaO; und vom 22.02.2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2008 – 4 StR 140/08, aaO; Beschluss vom 18.11.2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 77[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 18.11.2013 – 1 StR 594/13, aaO[↩]
- vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 29.09.2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342; Beschluss vom 18.07.2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383, 3385[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.07.2006 – 2 StR 285/06, aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 11.08.2011 – 4 StR 267/11; Beschluss vom 07.06.2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f.; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 17.02.2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720 ff.[↩]