Überhöhte Übergangsgelder für ehemalige Funktionäre einer Kassenärztlichen Vereinigung

Mit der Pflichtverletzung durch die Gewährung von Übergangsgeldern an Vorstandsmitglieder einer kassenärztlichen Vereinigung hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof im Rahmen eines Untreuevorwurfs zu befassen:

Überhöhte Übergangsgelder für ehemalige Funktionäre einer Kassenärztlichen Vereinigung

Dabei ist der Bundesgerichtshof zunächt von einer Vermögensbetreuungspflicht des Vorstandsmitglieds ausgegangen:

Nach § 266 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer gegen eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verstößt und hierdurch dem Vermögen des Treugebers einen Nachteil zufügt. Untreue ist mithin die pflichtwidrige und mit Vermögensnachteilen verbundene Ausübung einer anvertrauten Machtstellung in einer fremden Vermögenssphäre1, wobei die Norm einen Missbrauchs- und einen Treubruchtatbestand enthält, welche beide eine Vermögensbetreuungspflicht des Täters erfordern.

Eine solche kann sich etwa daraus ergeben, dass die Befugnis eingeräumt wird, über fremdes Vermögen zu verfügen, und den Befugnisinhaber dabei die herausgehobene Pflicht trifft, die Vermögensinteressen desjenigen zu betreuen, über dessen Vermögen ihm wirksam Rechtsmacht eingeräumt ist2. So verhält es sich hier indes nicht, denn das Vorstandsmitglied T. als Vorsitzender der VV hatte keinerlei rechtliche Befugnis, Dienstverträge mit den Vorstandsmitgliedern mit Wirkung für und gegen die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KVB) abzuschließen. Die entsprechende Vertretungsmacht hatte ausschließlich die Vorsitzende der Vertreterversammlung als Kollektivorgan (§ 5 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 8 der Satzung der KVB in der zur Tatzeit geltenden Fassung), die ihren Willen dadurch bildet, dass sie einen Beschluss fasst. Nichts anderes ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung für die VV der KVB. Danach vertritt der Vorsitzende der VV diese in dienstrechtlichen Fragen gegenüber dem Vorstand. Damit sind jedoch lediglich die Zuständigkeiten des Vorsitzenden zur Aushandlung und Unterzeichnung der Dienstverträge umschrieben, ohne dass hiermit die Entscheidungsbefugnis über den Abschluss verbunden wäre3. In Ermangelung einer besonderen Bevollmächtigung des Vorstandsmitglieds durch die VV fehlte es diesem bei Abschluss der neuen Anpassungsverträge vom 27.01.2011 somit an der erforderlichen Vertretungsmacht4.

Eine Betreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestands ist aber auch dann gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potenziell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltende Pflicht zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen5.

Nach diesen Maßstäben war im hier entschiedenen Fall eine Vermögensbetreuungspflicht des angeklagten Vorstandsmitglieds zu bejahen. Als Mitglied und Vorsitzender der VV bestand seine Hauptpflicht darin, die Vermögensinteressen der Körperschaft wahrzunehmen, was seinen Niederschlag in deren Kontrollbefugnis gegenüber dem Vorstand (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung) und im formellen Abschluss der Dienstverträge mit den Vorstandsmitgliedern (§ 5 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 8 der Satzung) findet. Die Funktion der VV ist insoweit vergleichbar mit derjenigen von Aufsichtsräten bei juristischen Personen des Privatrechts6.

Der angeklagte Vorstand nahm daher auch ohne eingeräumte Vertretungsmacht zum Abschluss der Dienstverträge mit den Vorstandsmitgliedern eine Stellung ein, die ihm eine weitreichende Einwirkung auf das Vermögen der KVB ermöglichte. Seine Unterschrift auf den Anpassungsverträgen vom 27.01.2011 setzte einen Prüfvorgang der Personalabrechnungsstelle der KVB in Gang, aufgrund dessen die Auszahlung der Übergangsgelder an die Vorstandsmitglieder als „sachlich und rechnerisch richtig“ vorgenommen wurde. Zudem erteilte er einem Mitarbeiter für Haushalt und Finanzen die Auskunft, das Übergangsgeld sei zum Zeitpunkt der Fälligkeit am 28.02.2011 auszuzahlen. Aufgrund des in seine hervorgehobene Position gesetzten Vertrauens der nachgeordneten Stellen7 ist eine strafrechtliche Verantwortung für das Vermögen der Körperschaft zu bejahen.

Das erstinstanzlich tätige Landgericht Berlin89 161 Ss 155/19)) hat jedoch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs das Vorliegen einer untreuerelevanten Pflichtverletzung in rechtsfehlerhafter Weise verneint:

Das Landgericht hat sich zwar mangels rechtlicher Befugnisse des Vorstandsmitglieds zum Abschluss der Vorstandsverträge im Ansatz zutreffend nicht mit dem Missbrauchstatbestand befasst, sondern die Treubruchvariante (§ 266 Abs. 1, Alt. 2 StGB) geprüft. Es hat das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit öffentlicher Verwaltung in den Blick genommen und die Auszahlung des Übergangsgeldes am 28.02.2011 als zulässigen Bestandteil der Vergütung für die sich an die Neuwahl anschließende 14. Amtsperiode angesehen. Es gebe einen Zusammenhang zwischen der Zahlung des Übergangsgeldes und dem Abschluss des Dienstvertrages für die nachfolgende Amtsperiode, weil die Auszahlung nur für den Fall der Fortsetzung der Vorstandstätigkeit greife. Danach stelle sich das ausbezahlte Übergangsgeld als Vergütungsbestandteil nach dem Dienstvertrag für die neue Amtsperiode dar, der auch bei rechnerischer Umlegung auf die neue Jahresvergütung überdies nicht überdurchschnittlich hoch sei.

Diese Wertung hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Das ergibt sich aus Folgendem:

Das Merkmal der Verletzung einer Pflicht zur Wahrnehmung und Betreuung fremder Vermögensinteressen knüpft an außerstrafrechtliche Normkomplexe und Wertungen an, die das Verhältnis zwischen dem Vermögensinhaber und dem Vermögensverwalter im Einzelnen gestalten und so erst den Inhalt der – strafbewehrten – Pflicht und die Maßstäbe für deren Verletzung festlegen10.

Einen solchen untreuerelevanten Maßstab stellt das den gesamten Bereich der öffentlichen Verwaltung überspannende haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dar11. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber für die kassenärztlichen Vereinigungen in § 69 Abs. 2 SGB IV i.V.m. § 78 Abs. 6 SGB V normiert. Es handelt sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die eine Mittel-Zweck-Relation beschreiben mit dem Ziel, bei der Verwendung von Haushaltsmitteln das Maß des Notwendigen nicht zu überschreiten. Bei der praktischen Umsetzung dieses Gebots muss aber schon wegen der sachbedingten Schwierigkeiten einer Erfolgskontrolle den einzelnen Verwaltungsträgern bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme ein Rahmen belassen werden, der durch das Selbstverwaltungsrecht noch verstärkt wird12.

Für die Höhe der im Bereich der öffentlichen Verwaltung gezahlten Vergütungen ist ein verhältnismäßig weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eröffnet. Sofern ihn nicht öffentlich-rechtliche Vorschriften begrenzen, überschreitet der zur Entscheidung Berufene seinen Ermessensspielraum regelmäßig nicht, wenn er eine angemessene Vergütung bezahlt13. Eine pflichtwidrige Verletzung des Sparsamkeitsgebots liegt daher regelmäßig erst dann vor, wenn eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unangemessene Gegenleistung gewährt wird14. Wann dies der Fall ist, entzieht sich einer generalisierenden Betrachtungsweise.

Das Landgericht hat diesem rechtlichen Maßstab nur unzureichend Rechnung getragen. Denn es hat sich durch die auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung der getroffenen Vereinbarungen beruhenden Annahme, dass die Zahlungen Vergütungsbestandteile für die 14. Amtsperiode gewesen seien, den Blick darauf verstellt, ob diese nicht tatsächlich ohne Gegenleistung gezahlt wurden. Dann wäre aber zu bedenken gewesen, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit jedenfalls bei Zuwendungen anzunehmen ist, die keine Gegenleistung zum Gegenstand haben und auch nicht durch die Verfolgung legitimer öffentlicher Aufgaben als gerechtfertigt angesehen werden können15.

Die Auslegung von Verträgen ist ein wertender Akt, weil sie unterschiedliche Aspekte in einer richterlichen Feststellung zusammenführt. Das Revisionsgericht kann sie nur auf Rechtsfehler hin überprüfen, insbesondere darauf, ob die Auslegung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft oder Verstöße gegen Denk- oder Erfahrungssätze aufweist16.

Solche Rechtsfehler liegen hier vor. Bei seiner Auslegung hat das Landgericht folgende wesentliche Umstände nicht erörtert und so den Bedeutungsgehalt der getroffenen Vereinbarungen nur unzureichend erfasst.

Bereits der Inhalt des Anpassungsvertrages vom 27.01.2011 spricht gegen den vom Landgericht angenommenen Zusammenhang mit dem Dienstvertrag für die 14. Amtsperiode, was vom Landgericht in die Wertung hätte einbezogen werden müssen. Denn dieser enthielt neben der Vereinbarung zum Übergangsgeld eine Verlängerung des Dienstvertrages für die 13. Amtsperiode um einen Monat, was einen Zusammenhang mit der ablaufenden Amtsperiode nahelegt. Ein solcher wird auch durch die Klausel zum Übergangsgeld selbst hergestellt, indem die Vertragsparteien ausdrücklich Bezug auf eine Änderung von § 10 Abs. 2 des Dienstvertrages vom 27.11.2004 nahmen.

n einem unerörterten und mithin unaufgelösten Spannungsverhältnis zur Wertung des Landgerichts stehen darüber hinaus die festgestellten Erwägungen des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten bei der Erarbeitung des Anpassungsvertrages vom 27.01.2011. Denn nach dessen Vorstellung sollte das „Übergangsgeld gemäß § 10 des Dienstvertrages vom 27.11.2004 erhalten bleiben“, weil die Vorstandsmitglieder ihre Praxen sechs Jahre nicht wirtschaftlich hätten betreiben können und ihnen ein Ausgleich „für die zurückliegende Dienstzeit“ gewährt werden sollte. Im Einklang damit steht die Feststellung, dass der vormalige Vorsitzende der VV auch von einer Entschädigung für solche Leistungen, die die Vorstände in der 13. Amtsperiode erbracht hätten, ausgegangen ist.

Auch lässt das Landgericht eine Auseinandersetzung mit der – zu seinem Auslegungsergebnis gegenläufigen – Feststellung vermissen, der Ausschuss habe bewusst von einer Umlage des Übergangsgeldes auf die zukünftige Jahresvergütung abgesehen, weil er eine daraus folgende unterschiedliche Entlohnung zwischen neuen und wiedergewählten Vorstandsmitgliedern zu vermeiden suchte und eine hiernach zu entrichtende Gesamtvergütung ihm im Hinblick auf spätere Vertragsverhandlungen zu hoch erschien.

Zu einer vollständigen, alle relevanten Aspekte der vertraglichen Ausgestaltung in den Blick nehmenden Auslegung hätte auch die Erwägung gehört, ob das Interesse der angeklagten Vorstandsmitglieder am Erhalt des Übergangsgeldes überkompensiert worden sein könnte, indem nach der Auszahlung des Betrages für zwölf Monate eine Zahlung von Übergangsgeld am Ende der 14. Amtsperiode für weitere sechs Monate vereinbart wurde.

Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler. Der Bundesgerichtshof kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Einstellung dieser Umstände die Gewährung des Übergangsgeldes als Gegenleistung für die 13. Amtsperiode gewertet hätte.

Ausgehend von einer solchen Wertung könnte das Übergangsgeld nicht als Entgelt für die bereits geleistete Vorstandstätigkeit begriffen werden. Zwar wird der einem Organmitglied durch Dienstvertrag erteilten Versorgungszusage für die Zeit nach dessen Ausscheiden grundsätzlich Entgeltcharakter zugebilligt17. Dies ist hier möglicherweise für die im ursprünglichen Dienstvertrag vom 27.11.2004 getroffene Vereinbarung zum Übergangsgeld zu bejahen, weil es nach § 10 Abs. 3 und 4 bei vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses nur teilweise bzw. gar nicht beansprucht werden konnte.

Bei der entsprechenden Klausel im Anpassungsvertrag vom 27.01.2011 liegen die Dinge hingegen anders. Zum Zeitpunkt des Abschlusses war die vertraglich vorgesehene Tätigkeit der Vorstandsmitglieder schon nahezu vollständig erbracht. Die Zuerkennung eines Anspruchs auf Übergangsgeld unter Wegfall der vorherigen vertraglichen Voraussetzungen verpflichtete daher die KVB zu einer bis dahin nicht geschuldeten Leistung, ohne dass sie hierfür eine Gegenleistung erhalten sollte. Hinzu kommt, dass durch die Änderung der Dienstverträge am 14.10.2009 ohnehin bereits eine höhere Jahresvergütung der Vorstandsmitglieder vereinbart worden war. Der zeitliche Ablauf und die Erhöhung um 21.000 Euro lassen es naheliegend erscheinen, dass dies vor dem Hintergrund der Empfehlung aus dem Gutachten vom 21.12.2008 geschah, wonach bei Wegfall des Übergangsgeldes eine Erhöhung der Jahresbezüge um 27.000 Euro zu gewähren sei.

Die Verpflichtung zur Zahlung des Übergangsgeldes im Anpassungsvertrag vom 27.01.2011 erweist sich auch nicht unter dem Aspekt der angemessenen Verfolgung öffentlicher Aufgaben als pflichtgemäß; die Zahlung hatte für die KVB keinen relevanten zukunftsbezogenen Nutzen.

Das Landgericht hat festgestellt, die weiteren Vorstandsmitglieder hätten ihre Kandidatur zur Wiederwahl für die 14. Amtsperiode davon abhängig gemacht, dass ihnen das Übergangsgeld aus dem laufenden Vertragsverhältnis erhalten bleibe. Aufgrund der vorangegangenen Arbeit der Vorstandsmitglieder und der Aufstellung von lediglich zwei weiteren Kandidaten habe sich der Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten dazu entschieden, den Vorstandsmitgliedern das Übergangsgeld am 28.02.2011 auszuzahlen.

Diesbezüglich ist zwar anerkannt, dass finanzielle Zuwendungen an Mitarbeiter auch dann vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gedeckt sein können, wenn sie im Interesse einer qualitativ befriedigenden und effektiven Aufgabenerfüllung geleistet werden18. Insoweit ist die Rechtslage vergleichbar mit Sonderzahlungen im privatrechtlichen Bereich, bei denen eine treupflichtwidrige Verwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens verneint wird, wenn die Zahlung einen zukunftsbezogenen Nutzen zum Wohle des Unternehmens aufweist19.

Die getroffenen Feststellungen lassen aber die Annahme einer solchen zulässigen Zuwendung zur zukünftigen Aufgabenerfüllung nicht zu.

Die Entscheidung über den Abschluss der Anpassungsverträge traf allein das Vorstandsmitglied, nachdem der Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten seine nach der Satzung rechtlich irrelevante Zustimmung erteilt hatte. Die Entscheidung hierüber stand vielmehr ausschließlich der VV zu, die in diesem Fall zu beurteilen gehabt hätte, ob die inhaltliche Änderung des Übergangsgeldes zur Erhaltung eines handlungsfähigen Vorstandes geboten war. Das Handeln einer hierfür unzuständigen Person ist nicht zum Wohle des Vermögensinhabers.

Zudem hätte das Landgericht näher prüfen müssen, inwieweit die Zahlung des Übergangsgeldes tatsächlich notwendig war, um die Funktionsfähigkeit des Vorstands zu erhalten. Einem Träger der öffentlichen Verwaltung ist es im Unterschied zu einem privaten Unternehmer nicht freigestellt, Vergütungen in beliebiger Höhe zu gewähren20. Für den Bereich der Krankenkassen hat das Bundessozialgericht entschieden, dass diese ihren Vorstandsmitgliedern nur Gehälter in notwendiger Höhe anbieten dürfen. Notwendig sei das Gehalt, welches nach den Bedingungen des Markts angeboten werden müsse, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten21.

Hierüber geben die landgerichtlichen Urteilsgründe keinen Aufschluss. Es wird schon nicht mitgeteilt, ob die Entscheidungsträger die übrigen Kandidaten für nicht hinreichend qualifiziert hielten. Der vorgebliche Zeitdruck zur Aufstellung der Vorstandskandidaten bis zum Ablauf der Amtszeit vermochte die entgegen der ursprünglichen Vereinbarung geleistete Zahlung des Übergangsgeldes ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Denn gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung der KVB bleiben die Organmitglieder bis zur Übernahme durch die Nachfolger im Amt22. Wie sich aus § 7 Abs. 7 der Satzung ergibt, hätte selbst eine Niederlegung der bisherigen Vorstandsmitglieder hieran nichts geändert, da diese bis zur Wahl von Nachfolgern die Amtsgeschäfte weiterführen müssen.

Unabhängig von der zeitlichen Reichweite der fortdauernden Organstellung nach § 3 Abs. 2 der Satzung erweisen sich die Überlegungen des Landgerichts zur Aufstellung geeigneter Vorstandskandidaten zudem als hypothetisch, weil offen bleibt, ob sich nicht noch weitere Interessenten – möglicherweise motiviert durch eine allgemeine Erhöhung der Vorstandsgehälter – gefunden hätten, falls die Amtsinhaber nicht mehr kandidiert hätten.

Die Genehmigung der Anpassungsverträge durch die VV am 5.05.2011 entfaltete keine tatbestands- oder unrechtsausschließende Wirkung, weil selbst das Kollektivorgan eine zweckwidrige Verwendung von öffentlichen Mitteln nicht wirksam zu genehmigen vermag23.

Auch hinsichtlich der weiteren Vorstandsmitglieder haben die Freisprüche keinen Bestand, weil das Landgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerhaft eine Untreue als nicht verwirklicht angesehen hat.

Diese Vorstandsmitglieder traf eine Vermögensbetreuungspflicht. Als Mitglieder des Vorstands waren sie für die Verwaltung der Körperschaft, insbesondere die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel verantwortlich (§ 79 Abs. 5 Satz 1 SGB V, § 7 Abs. 9 Satz 3 der Satzung).

Zwar findet die Vermögensbetreuungspflicht grundsätzlich eine Grenze in eigenen Vergütungsangelegenheiten, weil die Interessen von Vermögensinhaber und Treupflichtigem insoweit nicht gleichgerichtet sind24.

Dies gilt jedoch nur dann, wenn sich das Streben des Vergütungsempfängers nach einem möglichst hohen Gehalt in den dafür vorgesehenen Entscheidungsbahnen hält25. Das ist vorliegend nicht der Fall, weil die angeklagten Vorstandsmitglieder den eigentlichen Entscheidungsträger – die VV – umgingen.

Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof auf Folgendes hin:

Zur Beurteilung des Verhaltens des Vorstandsmitglieds T. als Treupflichtverletzung wird das neue Tatgericht die neu festzustellenden Begleitumstände der Zahlungen umfassend in den Blick zu nehmen haben26.

Dabei wird auch in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen sein, dass – wie es den bisherigen Feststellungen entspricht – das Vorstandsmitglied T. bei der Vertragsunterzeichnung geltende Zuständigkeiten verletzte. Ein Vertrauen darauf, dass die eigentlich entscheidungsbefugte VV – wie in der Vergangenheit – entsprechende Geschäfte nachträglich genehmigte, wird im Hinblick auf die Umgehung der VV, die zudem gerade erst neu gewählt worden war, und das Unterlassen der gebotenen Beteiligung des Haushaltsausschusses kritisch zu überprüfen sein.

Zudem wird Berücksichtigung finden müssen, dass das Vorstandsmitglied T. mit der Vereinbarung des kurzfristigen Auszahlungsdatums am 28.02.2011 Fakten geschaffen haben könnte, bevor es zur eigentlichen Entscheidungsfindung in der VV kam, obwohl die Anpassungsverträge schon früher, nämlich in der regulären VV am 17.02.2011 hätten thematisiert werden können. In diesem Zusammenhang wird auch von Bedeutung sein, ob erneut festgestellt werden kann, dass der Ausschuss erst nach dem 28.02.2011 über die Unterzeichnung der Anpassungsverträge und die Auszahlung informiert wurde.

Der Vermögensnachteil der KVB lässt sich nicht damit verneinen, dass den übrigen Vorstandsmitgliedern aus den Dienstverträgen vom 27.11.2004 hinsichtlich des Übergangsgeldes eine Anwartschaft entstanden wäre, von der die KVB durch die Zahlung am 28.02.2011 befreit worden wäre. Zwar werden Versorgungszusagen in der Rechtsprechung bisweilen als Anwartschaft bewertet, deren Wert nicht entschädigungslos entzogen werden könne27. Für Übergangsgelder kann dies aber allenfalls bei einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien angenommen werden28. Dagegen spricht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen schon, dass der Anspruch auf das Übergangsgeld ursprünglich nur für den Fall der Fortführung der Praxis entstehen sollte. Aber auch unter dieser Bedingung wäre der Anspruch noch nicht in voller Höhe entstanden, was die Parteien mit der Formulierung der Weiterzahlung des Übergangsgeldes „von bis zu zwölf Monaten“ zum Ausdruck brachten. Ob sie hierbei an die Unterschreitung der Erträge aus der ärztlichen Tätigkeit gegenüber der Vergütung für die KVB dachten, ist Auslegungsfrage und gegebenenfalls vom Tatgericht zu bewerten.

Zum Vorsatz der Untreue gehört zwar auch, dass der Täter die Pflichtwidrigkeit seines Handelns kennt29. Dabei wird aber zu berücksichtigen sein, ob die Vorstandsmitglieder den nach der Satzung vorgesehenen Verfahrensgang bewusst umgangen haben30.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. November 2020 – 5 StR 553/19

  1. SSW-StGB/Saliger, 4. Aufl., § 266 Rn. 3[]
  2. BGH, Urteil vom 08.05.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 188; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 266 Rn. 21[]
  3. vgl. Hantel, NZS 2005, 580, 582 f.[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2019 – II ZR 121/16, NJW 2019, 3718, 3720[]
  5. st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschluss vom 26.11.2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 62 f. mwN[]
  6. vgl. zur Vermögensbetreuungspflicht von deren Mitgliedern BGH, Urteile vom 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 335 f.; vom 06.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 200 f.; Zehetgruber, wistra 2018, 489, 490[]
  7. vgl. hierzu BGH, Urteile vom 10.07.1996 – 3 StR 50/96, NStZ 1996, 540; und vom 14.07.1999 – 3 StR 188/99, NStZ 1999, 558[]
  8. LG Berlin, Urteil vom 29.04.2019 – 243 Js 1151/11 ((528 KLs[]
  9. 42/14[]
  10. BVerfGE 126, 170, 204; BGH, Beschluss vom 13.09.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300 mwN[]
  11. BGH, Beschlüsse vom 08.01.2020 – 5 StR 366/19, BGHSt 64, 246; und vom 26.11.2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 70[]
  12. BSGE 55, 277; BSGE 71, 108[]
  13. BGH, Urteil vom 24.05.2016 – 4 StR 440/15, BGHR StGB § 266 Pflichtwidrigkeit 1[]
  14. BGH, Urteil vom 29.08.2007 – 5 StR 103/07, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Pflichtwidrigkeit 4[]
  15. BGH, Urteil vom 09.12.2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83, 84; vgl. auch BGH, Urteile vom 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 337 f.; und vom 17.09.2009 – 5 StR 521/08, BGHSt 54, 148, 158, für entsprechende Zuwendungen in der Privatwirtschaft[]
  16. BGH, Urteil vom 13.05.2004 – 5 StR 73/03, ZIP 2004, 1200, 1202, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 49, 147[]
  17. vgl. BGH, Urteile vom 23.10.1975 – II ZR 90/73, NJW 1976, 145, 147, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 65, 190; vom 28.09.1981 – II ZR 181/80, MDR 1982, 462; und vom 03.07.2000 – II ZR 381/98, BGHR BetrAVG § 1 Übergangsgeld 1[]
  18. vgl. BGH, Urteile vom 29.08.2007 – 5 StR 103/07, aaO Rn. 37; und vom 09.12.2004 – 4 StR 294/04, aaO, S. 86[]
  19. BGH, Urteil vom 21.12.2005 – 3 StR 470/04, aaO, S. 337; vgl. auch BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255[]
  20. BSGE 55, 277[]
  21. BSGE 125, 207[]
  22. vgl. Kass-Komm/Rademacker, 110. EL Juli 2020, SGB V, § 80 Rn. 21[]
  23. vgl. BGH, Urteil vom 07.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990, 991, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 37, 226; Beschluss vom 23.10.1981 – 2 StR 477/80, BGHSt 30, 247, 249[]
  24. BGH, Urteile vom 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 40, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331; und vom 17.09.2009 – 5 StR 521/08, ZIP 2009, 2110, 2118, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 54, 148[]
  25. BGH, Urteil vom 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NZWiSt 2014, 135, 139[]
  26. vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2016 – 4 StR 440/15, NStZ 2016, 600, 602; Saliger/Schweiger, ZG 2018, 16, 20; Rönnau, NStZ 2004, 113, 115[]
  27. vgl. BAGE 24, 177[]
  28. BGH, Urteil vom 03.07.2000 – II ZR 381/98, aaO[]
  29. BGH, Urteile vom 07.11.1990 – 2 StR 439/90, aaO; und vom 18.11.1986 – 1 StR 536/86, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vorsatz 1[]
  30. vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520[]