Anhörungsrüge – trotz Erledigung der Hauptsache

Die für eine Anhörungsrüge erforderliche prozessuale Beschwer entfällt nicht dadurch, dass sich der belastende Verwaltungsakt nach dem Erlass der ihn bestätigenden Gerichtsentscheidung erledigt.

Anhörungsrüge – trotz Erledigung der Hauptsache

Eine solche Beschwer im prozessrechtlichen Sinne liegt jedoch bereits dann vor, wenn die Entscheidung zum Nachteil eines Beteiligten ausgegangen ist. Sie wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der zugrunde liegende Verwaltungsakt nach der Einlegung des Rechtsmittels – wie hier durch Zeitablauf – erledigt hat. Denn wer als Beteiligter durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist, kann ein Rechtsmittel allein zu dem Zweck einlegen und fortführen, damit in dem Rechtsmittel die prozessualen Folgerungen aus einer inzwischen eingetretenen Erledigung der Hauptsache gezogen werden können. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, dass eine gegen ihn ergangene ungünstige Entscheidung aufgehoben oder für unwirksam erklärt wird1.

In gleicher Weise kann eine von einer letztinstanzlichen Entscheidung beschwerte Person ein Interesse daran haben, mit einer Anhörungsrüge die Fortführung des Gerichtsverfahrens zu erreichen, um eine erledigungsbedingte Unwirksamkeitserklärung der gegen sie ergangenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen zu erlangen.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht nachgekommen ist. Das Gericht ist insbesondere nicht gehalten, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen. Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat2.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. November 2022 – 2 WRB 1.22

  1. vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.07.2014 – 6 B 1.14, Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 70 Rn. 16[]
  2. vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29.10.2009 – 1 BvR 1729/09 – NZS 2010, 497 Rn. 12; und vom 18.01.2011 – 1 BvR 2441/10 10 und BVerwG, Beschluss vom 18.05.2022 – 1 WB 27.22, NVwZ 2022, 1139 Rn. 5 m. w. N[]

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  • Bundesverwaltungsgericht: Robert Windisch