Die Auslieferungshaft ist im Zusammenhang mit dem Gewicht des Tatvorwurfs zu sehen, unterliegt jedoch dem Gebot größtmöglicher Verfahrensbeschleunigung.

Ab einer gewissen, für die verfahrensmäßige und technische Abwicklung der notwendigen Entscheidungen unabdingbaren Mindestdauer des Verfahrens müssen besondere, das Auslieferungsverfahren selbst betreffende Gründe vorliegen, um die weitere Vollstreckung der Auslieferungshaft zu rechtfertigen1. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt der Dauer der Auslieferungshaft Grenzen2.
Der Grundrechtsschutz ist auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken3. Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich mit den Voraussetzungen für die Haftanordnung eingehend auseinanderzusetzen und ihre Entscheidungen entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Haft aktuelle Ausführungen zu dem (weiteren) Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und den hierzu in Widerstreit stehenden Interessen sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrer Gewichtigkeit verschieben können4. Diese Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein5.
Danach war die hier vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer eine Verletzung in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat: Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass und inwiefern der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt diesen Maßstäben nicht genügt. Mit der vertiefend, ergänzend und nachvollziehbar erläuterten Begründung des Oberlandesgerichts Frankfurt, insbesondere hinsichtlich der Annahme von Fluchtgefahr und der als noch verhältnismäßig angesehenen Dauer der Auslieferungshaft, setzt sich der Beschwerdeführer nicht beziehungsweise nicht in ausreichendem Maße auseinander. Auch bleibt unerläutert, weshalb der Beschwerdeführer die Auswirkungen der weltweiten Corona-Pandemie und den deshalb ausgesetzten Flugverkehr in der Verantwortungssphäre der beteiligten Staaten liegen sieht. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts Frankfurt dahingehend, dass davon auszugehen sei, dass nunmehr zeitnah ein neuer Termin für die Durchführung der Auslieferung vereinbart werde, begegnen zurzeit noch keinen offensichtlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Oberlandesgericht Frankfurt darauf hingewiesen hat, dass etwaige Quarantänebestimmungen einer zeitnahen Auslieferung nicht grundsätzlich entgegenstehen dürften.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. Juli 2020 – 2 BvR 1242/20
- vgl. BVerfGE 61, 28 <34>[↩]
- vgl. BVerfGE 61, 28 <35> BVerfG, Beschluss vom 27.07.1999 – 2 BvR 898/99, Rn. 55 f.[↩]
- vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65> 63, 131 <143>[↩]
- vgl. BVerfGK 7, 140 <161> 10, 294 <301> 15, 474 <481> 19, 428 <433>[↩]
- vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.> 8, 1 <5> 16, 474 <481 f.>[↩]
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