Das Verbot der sittenwidrigen Wahlbeeinflussung (§ 24 Abs. 1 BPersVG) findet im Gleichstellungsrecht entsprechende Anwendung.

Werbeaktivitäten von Wahlbewerberinnen sind auch während ihrer Dienstzeit zulässig, sofern der Dienstbetrieb hierdurch nicht erheblich beeinträchtigt wird.
Das für Äußerungen von Wahlbewerberinnen geltende Mäßigungsgebot findet grundsätzlich auf Äußerungen im privaten bzw. persönlichen Gespräch keine Anwendung.
Das Verbot der sittenwidrigen Wahlbeeinflussung gemäß dem im Gleichstellungsrecht entsprechend anwendbaren § 24 Abs. 1 BPersVG, das die Freiheit der Wahl sichern soll, bindet über die Dienststelle und den Wahlvorstand hinaus auch die einzelnen Bewerberinnen sowie andere Dritte, einschließlich des Personalrats1. Je nach Adressat leiten sich aus ihm unterschiedliche Verhaltens-, insbesondere Unterlassenspflichten ab. Ihre Konkretisierung orientiert sich am Leitbild eines fairen Wettbewerbs, der auf die Wirkung der Persönlichkeit der Wahlbewerberinnen und ihrer Argumente setzt und manipulative sowie diffamierende Methoden ausschließt. Hierbei sind der Wettkampfcharakter von Wahlen sowie die Fähigkeit der Wählerinnen zu berücksichtigen, sich eigenständig ein Urteil zu bilden, wozu auch gehört, unfaires oder unsachliches Verhalten selbst erkennen und aus ihm Schlussfolgerungen ziehen zu können. Rechtlicher Reglementierung bedarf der Wahlkampf im Wesentlichen dort, wo der Persönlichkeitsschutz von Wahlbewerberinnen oder die Autonomie der Willensbildung der Wählerinnen spürbar in Gefahr geraten können. Nicht jedes nach allgemeinem Verständnis unfaire oder unsachliche Verhalten überschreitet die Grenze zur Sittenwidrigkeit im wahlrechtlichen Sinne. Eine Überspannung der diesbezüglichen Anforderungen liefe Gefahr, den Wahlkampf seiner Vitalität und Spontaneität zu berauben und seinerseits wahlbeeinflussende Wirkungen zu erzeugen. Dementsprechend haben Dienststelle und Wahlvorstand sich mit Eingriffen in den Wahlkampf grundsätzlich zurückzuhalten, insbesondere soweit nicht allgemeine, neutral gehaltene Hinweise, sondern Interventionen gegenüber einzelnen Bewerberinnen in Rede stehen. Solche Interventionen sind nicht schlechthin unzulässig, aber auf das unabwendbare Maß zu beschränken. Das Wahlrecht trägt Dienststelle und Wahlvorstand nicht die Aufgabe einer engmaschig auszuübenden Wahlkampfüberwachung auf.
Eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung ist im vorliegenden Fall nicht deshalb festzustellen, weil ein Mitglied des örtlichen Personalrats in Berlin an der Tür zu seinem Dienstzimmer eine von zwei Wahlbewerberinnen herausgegebene Wahlpostkarte befestigt hatte. Eine Pflicht zur Neutralitätswahrung im Wahlverfahren zum Amt der Gleichstellungsbeauftragten bzw. ihrer Stellvertreterin trifft zuvörderst den Personalrat als Kollegialorgan. Den einzelnen Mitgliedern des Personalrats ist grundsätzlich unbenommen, sich wie andere Beschäftigte im Kollegenkreis wertend über Wahlbewerberinnen zu äußern. Als sittenwidrige Wahlbeeinflussung wäre nur eine solche Werbeaktivität eines einzelnen Personalratsmitgliedes in Betracht zu ziehen, die spezifisch unter Nutzung der durch das Personalratsamt zur Verfügung gestellten Darstellungs- und Wirkungsmöglichkeiten und mithin auf eine Weise erfolgt, die anderen Beschäftigten versperrt wäre und diesen zugleich suggerieren müsste, das Personalratsmitglied handle gerade in dieser Eigenschaft. Dies trifft auf die Aufhängung einer Wahlpostkarte an der Tür zum eigenen Dienstzimmer, wie sie jeder andere Beschäftigte in vergleichbarer Weise vornehmen könnte, ersichtlich nicht zu.
Eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung kann ferner nicht im Hinblick auf die Wahlkampfführung einer Wahlbewerberin festgestellt werden.
Diese Wahlbewerberin handelte nicht dadurch sittenwidrig, dass sie Werbemaßnahmen auch während ihrer Dienstzeit unternommen bzw. vorbereitet hat. Die Wahlbewerberinnen haben ein Recht auf Wahlwerbung, beispielsweise durch Verteilen von Handzetteln und Broschüren, das Anbringen von Plakaten, Darstellungen im behördlichen Intranet oder persönliche Gespräche mit Wählerinnen. Die Wählerinnen können nicht sinnvoll über Kandidatinnen abstimmen, die sie nicht kennen2. Eine strikte Begrenzung von Werbeaktivitäten bzw. vorbereitenden Maßnahmen auf dienstfreie Zeiten der Bewerberinnen wäre praktisch kaum kontrollierbar und würde zudem nicht nur die Möglichkeit der Bewerberinnen, sich bekannt zu machen, sondern auch diejenige der Wählerinnen, sich ein Bild über die Bewerberinnen zu machen, erheblich einengen und so den vom Gesetz intendierten Wettbewerb der Persönlichkeiten und ihrer Argumente schon in seiner Entstehung hemmen. Eine regelrechte Wettbewerbsverzerrung würde in Fällen drohen, in denen die Amtsinhaberin – die sich durch ihre Arbeit weidlich bekannt machen konnte – zur Wiederwahl stellt3. Dass Werbemaßnahmen während der Dienstzeit in Bezug auf die dienstlichen Funktionen der Wahlbewerberinnen wie im Hinblick auf die Adressaten in der Wählerschaft Reibungsverluste bei der behördlichen Aufgabenerledigung nach sich ziehen können, ist unvermeidliche Folge des Gesetzvollzugs, die der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten bzw. ihrer Stellvertreterin als Wahlamt hingenommen hat. Eine Grenze ist dort zu ziehen, wo aufgrund von wahlkampfbedingten Werbungsmaßnahmen der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt und damit der Vollzug des Gleichstellungsgesetzes unzulässig gegenüber dem Erfordernis der behördlichen Aufgabenerledigung verabsolutiert würde4. Dass diese Grenze im vorliegenden Fall überschritten wäre, ist indes schon von den Klägerinnen nicht substantiiert dargetan worden. Die Beklagte hat es glaubhaft in Abrede gestellt.
Eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung durch diese Wahlbewerberin lässt sich nicht unter dem Gesichtspunkt einer eigenmächtigen Inanspruchnahme dienstlicher Ressourcen bei der Herstellung und Verbreitung von Werbematerial belegen. Schon aus dem Vortrag der Klägerinnen ergeben sich – jenseits pauschal gefasster Behauptungen – keine näheren Anhaltspunkte für diesen Vorwurf. Die Wahlbewerberin ist ihm entgegengetreten. Offenbleiben kann daher, ob bereits jede eigenmächtige Inanspruchnahme dienstlicher Ressourcen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im wahlrechtlichen Sinne begründet oder ob es – ungeachtet der möglichen dienstrechtlichen Pflichtwidrigkeit eines solchen Vorgehens – in Anbetracht der besonderen normativen Funktion des Wahlrechts hierfür qualifizierender Umstände bedarf. Im Hinblick auf den Umfang des von der Wahlbewerberin verbreiteten Werbematerials ergäben sich – in Anlehnung an die dargelegten Grundsätze – wahlrechtliche Bedenken nur dann, wenn hierdurch der Dienstbetrieb erheblich gestört worden wäre. Hierfür sind konkrete Anhaltspunkte indes nicht ersichtlich.
Eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung durch die Wahlbewerberin lässt sich nicht in Bezug auf etwaige von ihr während des Wahlkampfes über ihre Mitbewerberin angeblich getätigte Aussagen belegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27.06.20075 ausgesprochen, dass das im Wahlkampf um das Amt der Gleichstellungsbeauftragten bzw. ihrer Stellvertreterin zu beachtende Mäßigungsgebot nicht verletzt ist, solange eine Äußerung einer Bewerberin die Persönlichkeit einer Mitbewerberin nicht herabwürdigt und den Dienstbetrieb nicht nachhaltig stört. Die daraus abzuleitenden Maßgaben gelten in erster Linie – was eigens hervorzuheben der 2007 zu entscheidende Fall keinen Anlass geboten hatte – für solche Äußerungen, die im engeren Sinne als Wahlkampfbeiträge zu werten sind, weil sie im Rahmen von Wahlveranstaltungen getätigt oder auf Wahlplakaten, Handzetteln u.ä. verbreitet werden. Das Wahlrecht zielt im Grundsatz nicht darauf, Äußerungen von Wahlbewerberinnen im privaten bzw. im persönlichen Gespräch Grenzen zu setzen.
Der Vortrag der Klägerinnen ergibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die von ihnen behaupteten – von der Wahlbewerberin bestrittenen – abfälligen Bemerkungen der Wahlbewerberin über die Klägerin zu 1) in diesem Sinne den Charakter von Wahlkampfbeiträgen gehabt haben könnten. Ob sie tatsächlich gefallen sind – wofür die Klägerinnen konkrete Belege nicht vorgebracht haben – kann somit ebenso auf sich beruhen wie die Frage, ob sie – was zumindest auf den ersten Blick äußerst zweifelhaft erscheint – der Sache nach überhaupt die Grenze zur Herabwürdigung der Persönlichkeit der Klägerin zu 1) überschritten hätten.
Die von den Klägerinnen gerügte Beschwerde der Wahlbewerberin über die Klägerin zu 1) beim Behördenvorstand besaß schon deshalb keine wahlrechtliche Relevanz, weil ausweislich des vorgelegten Verwaltungsvorgangs der Adressat aus ihr keinerlei tatsächliche Konsequenzen gegenüber der Klägerin zu 1) gezogen und sie nicht in der Dienststelle bekannt gemacht hat. Eine etwaige Kenntnisnahme von Mitgliedern des nachrichtlich beteiligten Personalrats der Zentrale hätte im Hinblick auf deren personalvertretungsrechtliche Verschwiegenheitspflicht keine beachtliche Gefahr der Weiterverbreitung innerhalb der Dienststelle hervorgerufen. Auf den Inhalt der Beschwerde muss daher nicht eingegangen werden.
Eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung ist nicht durch die von den Klägerinnen monierten Aussagen in den Werbematerialien anderer Wahlbewerberinnen über die „Teambildung“ von Gleichstellungsbeauftragter und Stellvertreterin bzw. über die Einsetzung von Vertrauensfrauen in Außenstellen erfolgt. Im Lichte von § 18 Abs. 7 Satz 2 BGleiG sind die Aussagen über eine „Teambildung“ bzw. „faktische Teilung“ des Amts der Gleichstellungsbeauftragten allenfalls als unpräzise und überprononciert, hingegen nicht als regelrecht falsch zu werten6, und waren daher von vornherein nicht geeignet, die Gefahr einer Wählertäuschung hervorzurufen, derer es zur Annahme einer Sittenwidrigkeit bedurft hätte. Im Ergebnis gilt dies gleichermaßen für die in Aussicht gestellte „Förderung“ der Bestellung von Vertrauensfrauen in Außenstellen. Ob der von der Beklagten vertretenen Auffassung, § 23 Nr. 1 BGleiG stehe einer solchen Bestellung entgegen, beizupflichten ist, bedarf an dieser Stelle keiner Klärung. Jedenfalls musste es im Lichte der Gesetzeslage (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 3 BGleiG) nicht von vornherein aussichtslos erscheinen, sich gegenüber der Beklagten für eine Änderung ihrer Rechtsauffassung einzusetzen. In diesem Sinne konnte die fragliche Aussage von den Wählerinnen ohne weiteres verstanden werden.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. September 2012 – 6 A 7.11
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.11.1969 – 7 P 2.69, BVerwGE 34, 177, 178 = Buchholz 238.3 § 21 NWPersVG Nr. 3 S. 1 f.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2007 – BVerwG 6 A 1.06 – Buchholz 272 GleichstellungsR Nr. 3, Rn. 42[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2007 a.a.O.[↩]
- vgl. Altvater u.a., BPersVG, 7. Aufl.2011, § 24 Rn. 5; GKÖD, Bd. V, K § 24 Rn. 6[↩]
- BVerwG, Urteil vom 27.6.2007, a.a.O. Rn. 37[↩]
- vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.06.2007 a.a.O. Rn. 50[↩]