Die unterbliebene Anhörungsrüge – und die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde

Nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs zulässig. Dabei gehört das Anhörungsrügeverfahren zum Rechtsweg, wenn der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht1.

Die unterbliebene Anhörungsrüge – und die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde

Das gilt auch dann, wenn er die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach rügt2.

Eine Ausnahme kann dann vorliegen, wenn das Anhörungsrügeverfahren offensichtlich aussichtslos gewesen wäre. Eine solche offensichtliche Aussichtslosigkeit ist vom Beschwerdeführer darzulegen3.

Wird eine zulässige und nicht offensichtlich aussichtslose Anhörungsrüge nicht erhoben, kann der Beschwerdeführer auch die Verletzung anderer Grundrechte nicht mehr rügen, sofern die Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen4. Der Beschwerdeführer muss das Anhörungsrügeverfahren auch dazu nutzen, um auf die Beseitigung anderer Grundrechtsverletzungen hinzuwirken.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Februar 2022 – 2 BvR 723/20

  1. vgl. BVerfGE 122, 190 <198> m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 28.10.2019 – 2 BvR 962/19, Rn. 3[]
  2. vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.10.2016 – 2 BvR 1313/16, Rn. 3 ff.[]
  3. vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2019 – 2 BvR 914/16, Rn. 13[]
  4. vgl. BVerfGE 134, 106 <113 Rn. 22> s. ferner auch BVerfGK 5, 337 <339> BVerfG, Beschluss vom 07.10.2016 – 2 BvR 1313/16, Rn. 13; Beschluss vom 14.12.2018 – 2 BvR 1594/17, Rn. 18; Beschluss vom 08.07.2019 – 2 BvR 453/19, Rn. 13[]