Präklusion im Planfeststellungsverfahren und die Stellungnahme im Vorverfahren

Der Hinweis eines Einwenders auf Stellungnahmen, die in einem anderen Verfahren oder in einem Vorstadium des eigentlichen Planfeststellungsverfahrens abgegeben worden sind, reicht grundsätzlich nicht aus, um eine präklusionshindernde Einwendung zu erheben1. Dies gilt für planbetroffene Privatpersonen ebenso wie für planbetroffene Gemeinden. Ob eine Ausnahme für den Fall anzunehmen ist, dass die in Bezug genommene Eingabe sich bereits bei den Akten befindet, die der Anhörungsbehörde vorliegen, hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen.

Präklusion im Planfeststellungsverfahren und die Stellungnahme im Vorverfahren

Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits2 entschieden, dass durch den Hinweis in einem Einwendungsschreiben auf Stellungnahmen in einem anderen Verfahren oder in einem Vorstadium des eigentlichen Planfeststellungsverfahrens das darin enthaltene Vorbringen noch nicht Inhalt des Einwendungsschreibens wird, solange diese Stellungnahmen nicht mit dem Einwendungsschreiben eingereicht oder innerhalb der Einwendungsfrist nachgereicht werden: Nur durch diese Formenstrenge kann vermieden werden, dass entgegen der gesetzgeberischen Beschleunigungsabsicht für die Feststellung des Inhalts der Einwendungen zunächst andere Akten – möglicherweise von anderen Behörden – beigezogen werden müssen. Der Beschwerde sind keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die Anlass geben, diese Rechtsauffassung in Frage zu stellen. Die Einwendungslast des Betroffenen und die an sie anknüpfende Einwendungspräklusion dienen zum einen dem öffentlichen Interesse an einer Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens, zum anderen dem Interesse der Allgemeinheit und des Vorhabenträgers an der Beständigkeit der einmal getroffenen Zulassungsentscheidung3. Liegen die in Bezug genommenen Stellungnahmen der Einwendung nicht bei, so ist damit für die Anhörungsbehörde und die Planfeststellungsbehörde typischerweise ein zusätzlicher Aufwand verbunden, sich Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen. Dieser Mehraufwand kann schwanken, je nach dem wie präzise die betreffende Stellungnahme bezeichnet ist und ob sie sich in Akten befindet, die der mit der Durchführung des Anhörungsverfahrens befassten Organisationseinheit vorliegen oder erst behördenintern oder gar von anderen Behörden beschafft werden müssen. Das ändert aber nichts daran, dass er in einem Planfeststellungsverfahren, in dem regelmäßig eine Vielzahl von Einwendungen gesichtet und ausgewertet werden muss, typischerweise eine nicht zu vernachlässigende, dem Regelungszweck zuwiderlaufende Arbeitserschwernis darstellt. Bezugnahmen auf nicht beigefügte Stellungnahmen bergen zudem die Gefahr, dass Unsicherheit und nachträglicher Streit über den genauen Einwendungsinhalt entstehen, wodurch das Interesse der Allgemeinheit und des Vorhabenträgers an der Beständigkeit der einmal getroffenen Zulassungsentscheidung berührt werden kann.

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Der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 19974 aufgestellte Rechtssatz kommt auch für Einwendungen Privater zum Tragen. Das genannte Urteil ist zwar auf die Klage einer Gemeinde ergangen. Die Begründung der Entscheidung stellt aber nicht auf Besonderheiten ab, die den Urheber der Einwendung betreffen, sondern leitet den erwähnten Rechtssatz aus Sinn und Zweck der Einwendungspräklusion ab, der für Einwendungen Privater in gleicher Weise wie für gemeindliche Einwendungen Beachtung verlangt. Private werden durch das Erfordernis, in Bezug genommene Stellungnahmen ihrem Einwendungsschreiben beizufügen, auch nicht überfordert. Einwendungen sind nach § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist an die in dieser Vorschrift genannten Stellen zu richten. Daraus ergibt sich für jeden Einwendungsberechtigten mit hinreichender Klarheit, dass seine Einwendungslast die Obliegenheit umfasst, der Behörde fristgerecht seine Einwände gegen den Plan umfassend zu übermitteln; er hat insoweit also erkennbar eine Bringschuld. Dem werden Bezugnahmen auf Schriftstücke, die die Anhörungsbehörde ihrerseits erst aufsuchen muss, zumindest im Regelfall nicht gerecht. Das liegt für einen Privaten nicht weniger als für eine Gemeinde auf der Hand, so dass ein schutzwürdiges Vertrauen, Bezugnahmen auf nicht beigefügte Schriftstücke reichten aus, zu verneinen ist.

Der weiteren Frage, ob Bezugnahmen auf Stellungnahmen, die dem Einwendungsschreiben nicht beigefügt sind, den Eintritt der Präklusion auch dann nicht hindern, wenn diese Stellungnahmen aktenkundig sind und nicht erst von anderen Behörden beigezogen werden müssen, geht das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht weiter nach, da es insoweit schon an der Klärungsfähigkeit fehlt: Dem angegriffenen Urteil ist nämlich nicht die Feststellung zu entnehmen, dass die im Einwendungsschreiben des Klägers in Bezug genommene Stellungnahme ein in diesem Sinne für die Anhörungsbehörde präsentes Schriftstück war.

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Ob im Falle einer als nicht ausreichend unterstellten Bezugnahme im Einwendungsschreiben auf vorhergehende Stellungnahmen innerhalb der Einwendungsfrist eine Hinweispflicht der Behörde auf diesen Mangel bestehe, ist für das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls unter den hier vorliegenden Umständen ohne Weiteres zu verneinen. Derartige Hinweispflichten würden für die Anhörungsbehörde wiederum einen zusätzlichen Arbeitsaufwand verursachen, der der mit der Präklusionsregelung verfolgten Beschleunigungsabsicht zuwiderliefe. Im Übrigen ist die Anhörungsbehörde nicht gehalten, die (oft in großer Anzahl eingehenden) Einwendungen bereits vor Fristablauf zu sichten; gehen diese bei der Gemeinde ein und werden sie – wie üblich – nach Fristablauf gesammelt weitergeleitet, ist die Anhörungsbehörde dazu nicht einmal in der Lage. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat bisher4 eine Hinweispflicht nur für den Fall erwogen, dass der Wortlaut des Einwendungsschreibens der Anhörungsbehörde den Eindruck vermittelte, der Einwendungsführer habe die Beifügung der in Bezug genommenen Stellungnahmen nur versehentlich unterlassen. Dass im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall ein solcher Eindruck aufgrund des Einwendungsschreibens des Klägers trotz der darin gewählten Formulierung, er erhalte „alle Einwendungen gegen die Umweltverträglichkeitsuntersuchung aufrecht“, hätte entstehen können, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

Die in der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Substantiierung von Einwendungen sind auch mit dem Rechtsstaatsprinzip in Form des Vertrauensschutzgrundsatzes. Wie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. Juli 20115 entschieden hat, stellt die Erstreckung der Einwendungslast des enteignend Betroffenen auf die Geltendmachung der Beeinträchtigung öffentlicher Belange keine unangemessene Belastung dar. Die Beteiligung von Betroffenen am Planfeststellungsverfahren soll die Informationsbasis der Planfeststellungsbehörde verbreitern und zugleich den Betroffenen die Möglichkeit zur frühzeitigen Einflussnahme auf den Inhalt der Planungsentscheidung verschaffen, um ihnen so einen vorgelagerten Rechtsschutz zu gewähren. Dieser Zielsetzung entsprechend müssen das Einwendungsrecht einerseits sowie die Einwendungslast und die an sie anknüpfende Präklusion andererseits hinsichtlich ihrer Reichweite miteinander korrespondieren. Dem Einwender wird damit nichts abverlangt, was er nicht leisten könnte. An die Substantiierungslast privater Einwender sind nämlich nur geringe Anforderungen zu stellen. Um ihnen zu genügen, muss eine Einwendung erkennen lassen, in welcher Hinsicht nach Meinung des Einwenders Bedenken gegen die in Aussicht genommene Planfeststellung bestehen können. Hierzu reicht es aus, wenn die Einwendung in groben Zügen aufzeigt, welche Schutzgüter als gefährdet angesehen und welche Beeinträchtigungen befürchtet werden. Die Darlegungsanforderungen orientieren sich an den Möglichkeiten betroffener Laien; Ausführungen, die fachwissenschaftlichen Sachverstand voraussetzen, können regelmäßig nicht erwartet werden. Diesen Anforderungen vermag der Einwender auch gerecht zu werden, soweit ihm Darlegungen zur Beeinträchtigung öffentlicher Belange abverlangt werden.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Dezember 2011 – 9 B 59.11

  1. im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 27.08.1997 – 11 A 18.96, Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24 S. 28[]
  2. BVerwG, Urteil vom 27.08.1997 – 11 A 18.96, Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24 S. 28[]
  3. BVerwG, Urteile vom 17.07.1980 – 7 C 101.78, BVerwGE 60, 297, 311; und vom 14.07.2011 – 9 A 14.10[]
  4. BVerwG, Urteil vom 27.08.1997, a.a.O.[][]
  5. BVerwG, Urteil vom 14.07.2011 – 9 A 14.10, m.w.N.[]