Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug

Ehepartner von in Deutschland lebenden Türken müssen grundsätzlich weiterhin rudimentäre deutsche Sprachkenntnisse vor der Einreise nachweisen, wenn sie sich um eine Visum zwecks Ehegattennachzug bemühen. Es soll aber zukünftig aus Reaktion auf das Dogan-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union1 Ausnahmen in Härtefällen geben.

Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug

Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte im Juli 2014 entschieden, dass der Erwerb einfacher Sprachkenntnisse als Voraussetzung für den Nachzug eines Ehepartners eines in einem EU-Mitgliedstaat lebenden türkischen Staatsangehörigen nicht mit dem Assoziationsrecht zwischen der Europäischen Union und der Türkei vereinbar ist. Eine entsprechende Regelung im deutschen Recht sei mangels Einzelfallprüfung unverhältnismäßig.

Dieses Urteil des Unionsgerichtshofs betrifft wie zuvor schon das Dülger-Urteil den Ehegattennachzug zu in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen unabhängig von der Staatsangehörigkeit des nachziehenden Ehegatten bzw. Lebenspartners und unabhängig von dem Staat, in dem der nachziehende Ehegatte bzw. Lebenspartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Urteils allein ist, dass der hier lebende türkische Stammberechtigte eine assoziationsrechtlich geschützte Rechtposition erworben hat. Das Dogan-Urteil dürfte auch auf diejenigen türkischen Staatsangehörigen Anwendung findet, die eine nach Artikel 13 des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 geschützte Rechtsposition erworben haben.

Die Bundesregierung hatte in dem Verfahren argumentiert, dass das Vorhandensein einfacher Sprachkenntnisse sowohl für die Integration im Zielland als auch für die Verhinderung von Zwangsehen notwendig sei. Laut Antwort bleibt die Bundesregierung bei dieser Beurteilung und prüft im Übrigen, welche Konsequenzen aus dem Urteil erwachsen. Für eine „Übergangszeit“ hätten sich das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium darauf geeinigt, dass von Ehepartnern in Deutschland lebender Türken im Grundsatz weiterhin einfache Sprachkenntnisse vor Einreise nachgewiesen werden müssen. Allerdings können laut Bundesregierung in Härtefälle Visa auch ohne diese erteilt werden. Ein Härtefall liege demnach dann vor, „wenn es dem ausländischen Ehegatten nicht zugemutet werden kann, vor Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher deutscher Sprachkenntnisse zu unternehmen, oder es ihm trotz ernsthafter Bemühungen von einem Jahr Dauer nicht gelungen ist, das erforderliche Sprachniveau zu erreichen“. Diese Regelung könne unter Mitwirkung des Auswärtigen Amts auch auf nachzugswillige Ehegatten anderer Drittstaatsangehöriger angewendet werden, teilt die Bundesregierung mit.

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Für eine Übergangszeit haben sich jetzt das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern zur vorläufigen Umsetzung des Dogan-Urteils auf einen an alle Auslandsvertretungen gerichteten Erlass geeinigt. Dieser Erlass sieht vor, dass beim Ehegattennachzug grundsätzlich auch weiterhin ein Nachweis deutscher Sprachkenntnisse bereits vor einer Einreise zu fordern ist. Dies gilt auch für den Nachzug zu assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Allerdings wurden die Auslandsvertretungen angewiesen, in diesen Fällen zukünftig auch Härtefallgesichtspunkte zu prüfen. Liegt ein Härtefall vor, so erteilen die Auslandsvertretung ein Visum künftig auch ohne den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse.

Der Ehegattennachzug zu anderen Drittstaatsangehörigen ist von der Dogan-Entscheidung des Unionsgerichtshofs nicht unmittelbar betroffen. Dennoch wurden die Auslandsvertretungen auch in solchen Fällen ermächtigt, vergleichbare Härtefälle zu berücksichtigen und unter Beteiligung der Zentrale des AA auch in solchen Fällen von einem Nachweis einfacher Deutschkenntnisse abzusehen. Ein Härtefall ist nach dem Erlass in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 4. September 2012 (BVerwG 10 C 12.12 – Ehegattennachzug zu Deutschen) dann gegeben, wenn es dem ausländischen Ehegatten nicht zugemutet werden kann, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher deutscher Sprachkenntnisse zu unternehmen, oder es ihm trotz ernsthafter Bemühungen von einem Jahr Dauer nicht gelungen ist, das erforderliche Sprachniveau zu erreichen.

Ob der Antragsteller die Kosten des Sprachkurses tragen kann, wird im Rahmen der Zumutbarkeit berücksichtigt. Grundsätzlich sind Kosten für den Spracherwerb in der Regel insoweit zumutbar, als sie in etwa dem Preisniveau für entsprechende Leistungen in dem Herkunftsland entsprechen. Dabei kommt es indes stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Bemühungen zum Erwerb einfacher Sprachkenntnisse im Herkunftsland können dann nicht möglich sein, wenn Sprachkurse oder (erforderlichenfalls) Alphabetisierungskurse im betreffenden Land nicht angeboten werden und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen. Unter welchen konkreten Umständen dies der Fall sein kann, ist immer unter Einbeziehung aller relevanten Umstände im Einzelfall zu entscheiden und lässt – angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte – eine abstrakte Beurteilung nicht zu.

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Bei der Zumutbarkeitsprüfung werden neben der Verfügbarkeit von Lernangeboten auch deren Kosten, ihre tatsächliche Erreichbarkeit – ist z. B. der Besuch von Lernangeboten mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden? – und die persönlichen Umstände, die der Wahrnehmung von Lernangeboten entgegenstehen können, berücksichtigt. Darüber hinaus kann die Zumutbarkeit durch andere Umstände des Einzelfalles ausgeschlossen sein. Dazu zählen besondere Gegebenheiten vor Ort oder Umstände in der Person des Antragstellers, wie etwa Krankheit oder Unabkömmlichkeit.

  1. EuGH, Urteil vom 10.07.2014 C-138/13[]