Eine Gefahrensituation auf einer von LKWs viel befahrenen Bundestraße, wie sie für Beschränkungen des fließenden Verkehrs nach der StVO notwendig ist, liegt vor, wenn der Gehweg kaum 60 cm breit ist und daher nur ein sehr vorsichtiges Passieren einzelner Personen, insbesondere beim Mitführen von Kinderwagen, erlaubt.

So das Verwaltungsgericht Gießen in dem hier vorliegenden Eilverfahren, mit dem ein Anwohner der Stadt Wetter die Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h tagsüber auf einer Länge von 150 m auf der B 252 in der Ortsdurchfahrt von Niederwetter verhindern wollte. Der Landrat des Landkreises Marburg Biedenkopf hatte die entsprechende Geschwindigkeitsbeschränkung im April 2010 angeordnet und beabsichtigt diese nun auf Weisung des Regierungspräsidiums Gießen und des Hessischen Wirtschaftsministeriums wieder aufzuheben. Die Geschwindigkeitsbeschränkung hatte zu massiven Beschwerden der Autofahrer geführt, die die Beschilderung wegen der vorangehenden, nur die Nachtstunden betreffenden Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h oft falsch interpretierten und deshalb regelmäßig wegen zu hoher Geschwindigkeit von der Blitzanlage auf dieser Strecke erfasst wurden. Der Landrat wurde daher angewiesen, die Geschwindigkeitsbeschränkung tagsüber aufzuheben, da keine besondere Gefahrenlage vorliege, die sie rechtfertigen könnte. Der ursprünglich für den 9. Januar 2014 vorgesehene Abbau der Beschilderung wurde bis zu einer Entscheidung des Gerichts zurückgestellt.
Der Anwohner begehrte gerichtlichen Eilrechtsschutz mit der Begründung, die Fußgänger seien auf den z.T. engen Gehwegen entlang der Ortsdurchfahrt der B 252 erhöht gefährdet. Die Beschilderung habe einen Unfallschwerpunkt entschärfen sollen und habe sich bewährt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Gießen sei nach den im Verfahren vorgelegten Unterlagen eine qualifizierte Gefahrensituation, wie sie für Beschränkungen des fließenden Verkehrs nach der StVO notwendig ist, nur an einer Stelle auf dem Gehweg in Fahrtrichtung Süden festzustellen. An dieser Stelle, in einer Rechtskurve, sei der Gehweg kaum 60 cm breit und erlaube daher nur ein sehr vorsichtiges Passieren einzelner Personen. Der Antragsteller hatte Lichtbilder vorgelegt, die die Gefahrensituation angesichts der auch von LKWs viel befahrenen Bundestraße insbesondere beim Mitführen von Kinderwagen deutlich machten. Da der auf Weisung des Regierungspräsidiums und des Ministeriums handelnde Landrat diese Gefahrensituation verkannt habe, befand das Verwaltungsgericht die vorgesehene Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung insoweit für rechtswidrig.
Demgegenüber sei die Aufhebung der Tempo-30-Regelung in Richtung Wetter nicht zu beanstanden. Denn in dieser Richtung seien die Gehwege breiter, so dass dort keine qualifizierte Gefahrensituation bestehe, die eine Geschwindigkeitsbeschränkung nach den Vorschriften der StVO rechtfertige.
Daher hat das Verwaltungsgericht Gießen dem Eilantrag nun teilweise stattgegeben und die Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Lahntal-Göttingen gestoppt, nicht jedoch in der Gegenrichtung.
Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 6 L 178/14.GI