Fledermäuse statt Autobahn

Kann bei dem geplanten Weiterbau einer Autobahn nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Vorhaben mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets verträglich ist, und sind bei der Prüfung von Alternativtrassen Fehler aufgetreten, ist der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig.

Fledermäuse statt Autobahn

So hat das Bundesverwaltungsgericht in dem hier vorliegenden Fall des geplanten Weiterbaus der Bundesautobahn A 20 entschieden und den Klagen der Naturschutzverbände sowie der Klage der Gemeinde Klein Gladebrügge stattgegeben, die übrigen Klagen jedoch abgewiesen. Die A 20 verbindet als Ostseeautobahn das Autobahnkreuz Uckermark nahe der deutsch-polnischen Grenze bei Stettin mit Lübeck. In Schleswig-Holstein setzt sie sich als „Nord-West-Umfahrung Hamburg“ fort und soll später – mit einer Elbe-Querung bei Glückstadt – nach Niedersachsen verlängert werden. Von Lübeck kommend ist die Autobahn gegenwärtig bis Weede fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben. Der streitgegenständliche Abschnitt schließt daran westlich an. Er umgeht Bad Segeberg ortsnah, kreuzt die A 21 (Hamburg-Kiel) und endet westlich von Wittenborn an der bestehenden B 206. Geklagt haben zwei Naturschutzverbände (BUND und NABU), zwei Gemeinden (Klein Gladebrügge und Wittenborn) sowie Privatkläger.

Die klagenden Naturschutzverbände haben die Methode der Bestandserfassung der im Vorhabenbereich vorkommenden Fledermäuse angegriffen. Die Autobahn führe im Abstand von nur ca. 1,5 km an dem FFH-Gebiet „Segeberger Kalkberghöhle“ vorbei. Dabei handele es sich um das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands mit mehr als 20 000 überwinternden Tieren. In den einschlägigen Arbeitshilfen und Leitfäden werde als Standardmethode zur Bestandserfassung von Fledermäusen eine Mischung aus Habitatanalyse und konkreten Geländeuntersuchungen mittels Detektoren, Horchboxen, Netzfängen etc. vorgesehen. Hiervon sei der Gutachter des Vorhabenträgers mit der von ihm gewählten Methode (sog. faunistische Potentialanalyse ohne nähere Vorort-Untersuchungen, kombiniert mit einem „Worst-case-Ansatz“) abgewichen.

Wegen der besonderen Bedeutung des betroffenen Fledermaushabitats ist das Bundesverwaltungsgericht nicht davon überzeugt, dass diese Methode den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Denn die in der Landschaft vorgefundenen Strukturen können in ihrer Bedeutung für die Fledermäuse über- wie auch unterschätzt werden, wie sich hier am Beispiel einer zunächst übersehenen Flugroute auch tatsächlich bestätigt hat. Daher konnte das Bundesverwaltungsgericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass das Vorhaben mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Segeberger Kalkberghöhle“ verträglich ist.

Zum anderen haben sich die klagenden Naturschutzverbände mit Erfolg auf einen Fehler berufen, der der Planfeststellungsbehörde bei der Auswahl der Plantrasse gegenüber möglichen Alternativtrassen unterlaufen ist. Da der Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich eines weiteren FFH-Gebietes („Travetal“) selbst von einer erheblichen Beeinträchtigung prioritärer Lebensraumtypen ausgeht, hatte die Behörde zu überprüfen, ob sich das Planungsziel an einem günstigeren Standort bzw. mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen lässt. Dies ist hier nicht in ausreichendem Maße geschehen. Zwar durfte sich die Behörde aus von ihr näher dargelegten – insbesondere städtebaulichen – Gründen gegen die Variante einer Stadtautobahn durch Bad Segeberg entscheiden. Dagegen durften Trassenvarianten südlich der Plantrasse nicht ohne Weiteres ausgeschieden werden. Ob und inwieweit ökologische oder verkehrstechnische Gründe solche Trassenführungen ausschließen, hätte einer genaueren Untersuchung bedurft.

Die festgestellten Defizite bei der Alternativenprüfung verhalfen im Ergebnis auch der Klage der Gemeinde Klein Gladebrügge zum Erfolg. Die Klagen der Gemeinde Wittenborn und der privaten Kläger, die jeweils eigenständige begrenzte Ziele verfolgten (Befahrbarkeit eines dafür nicht vorgesehenen Durchlasses mit Feuerwehrfahrzeugen; Aufhebung einer Ausgleichsmaßnahme) waren dagegen unbegründet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss des Landesbetriebes Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein für den Neubau der Bundesautobahn A 20 im Abschnitt von Weede bis Wittenborn für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 6. November 2013 – BVerwG 9 A 9.12, 9 A 11.12, 9 A 13.12 und 9 A 14.12