Die einmonatige Frist zur Einlegung und Begründung einer Verfassungsbeschwerde beginnt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BVerfGG mit der Bekanntgabe der Entscheidung, die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird.

Ist der Beschwerdeführer – wie im Regelfall nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG – gehalten, vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg zu erschöpfen, so wird der Lauf der Monatsfrist mit der Bekanntgabe der nach der jeweiligen Verfahrensordnung letztinstanzlichen Entscheidung in Gang gesetzt.
Muss der Beschwerdeführer aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus von einer Möglichkeit zur Beseitigung der von ihm gerügten Grundrechtsverletzung Gebrauch machen, dann ist erst die Entscheidung über diesen Rechtsbehelf für den Beginn der Monatsfrist maßgebend1.
Dagegen gehört die Einlegung des ungeschriebenen Rechtsbehelfs der außerordentlichen Beschwerde jedoch weder zum Rechtsweg noch ist dessen Einlegung zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität erforderlich. Eine Auslegung als weitere – statthafte – Anhörungsrüge kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Der Rechtsbehelf der außerordentlichen Beschwerde gehört nicht zum Rechtsweg. Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist jede gesetzlich normierte Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts2. Die außerordentliche Beschwerde ist aber kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf. Sie wurde als außerordentlicher Rechtsbehelf von den Fachgerichten – in mehr oder weniger engen Grenzen – gegen Entscheidungen für zulässig erachtet, die nach dem Gesetz unanfechtbar sind, um Rechtsschutzlücken zu schließen3. Mit Plenarbeschluss vom 30.04.20034 hat das Bundesverfassungsgericht daher entschieden, dass außerordentliche Rechtsbehelfe den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Rechtsmittelklarheit nicht genügen und daher nicht zum Rechtsweg gehören, dessen Erschöpfung § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG fordert5.
Der Rechtsbehelf der außerordentlichen Beschwerde ist auch nicht zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität erforderlich. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde darf auch über den Rechtsweg im engeren Sinne hinaus nicht von der vorherigen erfolglosen Einlegung außerordentlicher Rechtsbehelfe abhängig gemacht werden6.
Eine Auslegung des eingelegten Rechtsbehelfs als weitere – statthafte – Anhörungsrüge ist nicht möglich. Eine solche Auslegung wäre im hier entschiedenen Fall bereits mit dem erkennbaren Willen des für den Beschwerdeführer handelnden rechtskundigen Bevollmächtigten unvereinbar7. Der Bevollmächtigte hat seine Eingabe ausdrücklich als außerordentliche Beschwerde bezeichnet und zudem darauf hingewiesen, dass die Verfahrenssituation mit einer Anhörungsrüge nicht lösbar sei, da auch die Verletzung des Gebots des fairen Verfahrens zu rügen sei. Überdies wollte er mit dem Rechtsbehelf eine Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung durch das Oberlandesgericht erreichen. Die Anhörungsrüge hingegen ist auf eine Korrektur durch den iudex a quo gerichtet. Schließlich betraf der angegriffene Beschluss des Landgerichts unter anderem bereits die Zurückweisung einer Anhörungsrüge, sodass für eine weitere Anhörungsrüge auch kein Raum wäre8.
Dem Beschwerdeführer war im vorliegenden Fall Wiedereinsetzung in den Stand der verstrichenen Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) nicht zu gewähren. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG) durfte nicht ohne Verschulden davon ausgehen, von der Einlegung der Verfassungsbeschwerde deshalb absehen zu können, weil zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die außerordentliche Beschwerde abzuwarten wäre. Denn außerordentliche Rechtsbehelfe unterliegen nicht dem Grundsatz der Subsidiarität9. Die Einlegung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs schiebt auch den Lauf der Monatsfrist nicht auf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann aus diesem Grund nicht erlangt werden10.
Soweit sich der Beschwerdeführer demnach fristgemäß allein noch gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts über die Verwerfung der außerordentlichen Beschwerde wenden kann, begegnet dieser keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wenn ein Gericht den Rechtsbehelf der außerordentlichen Beschwerde als unstatthaft verwirft, ist dies weder unvertretbar noch verletzt es den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes11.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. September 2016 – 1 BvR 173/15
- BVerfGE 122, 190, 197[↩]
- vgl. BVerfGE 67, 157, 170; 122, 190, 203[↩]
- vgl. BVerfGE 107, 395, 396, 416[↩]
- vgl. BVerfGE 107, 395, 416 f.[↩]
- vgl. auch BVerfGE 122, 190, 202 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 107, 395, 417; 122, 190, 204[↩]
- vgl. BVerfGE 122, 190, 198[↩]
- vgl. BVerfGE 107, 395, 411[↩]
- BVerfGE 107, 395, 417[↩]
- vgl. BVerfGE 122, 190, 205[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.01.2007 – 1 BvR 2803/06, NJW 2007, S. 2538, 2539[↩]