Unerlaubte Rechtsberatung durch eine Geschädigten-GbR

Wurde eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts von drei der ca. 200 Kommanditisten eines geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Publikums-KG gegründet, um nach dem Beitritt weiterer sanierungsbereiter Kommanditisten der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen KG u.a. deren Ausgleichsansprüche aus § 426 Abs. 1 und 2 BGB gegen sanierungsunwillige Kommanditisten einzuziehen, so ist die in ihrem Gesellschaftsvertrag erteilte Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung dieser Ansprüche wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG gemäß § 134 BGB nichtig.

Unerlaubte Rechtsberatung durch eine Geschädigten-GbR

Die Prozessführungsbefugnis (§ 51 ZPO) ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage1 und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen2. Die Tatsachen, aus denen sich die Prozessführungsbefugnis ergibt, müssen dabei grundsätzlich spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben3.

Keine Prozessführungsbefugnis der GbR

Die GbR der Gesellschafter der Publikums-KG ist mangels wirksamer Ermächtigung zur Geltendmachung der Ausgleichsansprüche ihrer Gesellschafter nicht prozessführungsbefugt.

Die GbR macht im vorliegenden Rechtsstreit nach ihrem eigenen Vortrag aufgrund einer ihr erteilten Ermächtigung (§ 185 BGB) Ansprüche ihrer Gesellschafter gegen den Beklagten im eigenen Namen und damit in gewillkürter Prozessstandschaft geltend. Zwar ist die Zustimmung des Rechtsinhabers zur aktiven Prozessführung eines Dritten Prozesshandlung4. Erteilung, Bestand und das Vorliegen von Mängeln der Ermächtigung richten sich aber nach materiellrechtlichen Grundsätzen5. Die Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche aus § 426 Abs. 1 und 2 BGB, die die Gesellschafter der GbR mit ihrem Beitritt zu der GbR erteilt haben, ist danach nach § 134 BGB in Verbindung mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG nichtig. Die GbR zieht geschäftsmäßig fremde Forderungen ein, ohne die dafür nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 6 RBerG erforderliche Erlaubnis.

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Unerlaubte Rechtsberatung

Die Wirksamkeit der Ermächtigung ist anhand des Rechtsberatungsgesetzes zu beurteilen. Dieses ist zwar mit Ablauf des 30.06.2008 außer Kraft getreten und durch das Rechtsdienstleistungsgesetz vom 12.12. 20076 ersetzt worden. Für die bereits im Jahre 2003 erfolgten Gesellschaftsbeitritte und erteilten Ermächtigungen ist aber das Rechtsberatungsgesetz weiterhin maßgeblich7.

Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG ist die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, sofern sie geschäftsmäßig betrieben wird, erlaubnispflichtig. Der Erlaubnisvorbehalt ist verfassungsgemäß8. Rechtsgeschäfte, die gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verstoßen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einschließlich der zu ihrer Durchführung erteilten Vollmachten und Ermächtigungen gemäß § 134 BGB nichtig9.

Die GbR macht als GbR, wie für das Eingreifen von Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG erforderlich10, wirtschaftlich – hier zusätzlich auch formal – fremde Forderungen gerichtlich geltend. Die Ausgleichsansprüche aus § 426 Abs. 1 und 2 BGB, die die GbR mit ihrer Klage verfolgt, stehen ihren Gesellschaftern gegenüber Mitkommanditisten im Umfang von deren Verlusttragungspflicht zu, weil die Gesellschafter der GbR wegen ihrer Zahlungen gemäß § 171 Abs. 1 HGB von der KG keinen Ausgleich nach §§ 110, 161 Abs. 2 HGB erlangen können. Diese Ausgleichsansprüche sind nicht im Wege der (Voll-)Abtretung in das (Gesamthands-)Vermögen der GbR gelangt. Damit kommt das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung allein dem jeweiligen Gesellschafter zugute, den auf der anderen Seite auch allein das Einziehungsrisiko trifft. Dass die GbR die eingegangenen Ausgleichszahlungen verwaltet, ändert an der wirtschaftlichen Fremdheit der Forderungen nichts.

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Geschäftsmäßiges Handeln

Die GbR handelt auch geschäftsmäßig.

Geschäftsmäßigkeit erfordert eine selbständige, mit Wiederholungsabsicht erfolgende Tätigkeit, die nicht nur aus besonderen Gründen als Gefälligkeit ausgeübt wird11. Unerheblich ist hingegen – soweit diese Kriterien erfüllt sind , ob die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich, entgeltlich oder unentgeltlich oder für einen größeren Personenkreis ausgeübt wird12. Geschäftsmäßigkeit ist darüber hinaus ihrem Wesen nach eine Frage der inneren Einstellung. Geschäftsmäßig handelt bereits, wer beabsichtigt, die Tätigkeit in gleicher Weise zu wiederholen und dadurch zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen, unabhängig davon, ob diese Absicht auch tatsächlich durchführbar ist13.

So liegt der Fall hier: Bei Gründung der GbR war weder absehbar, für wie viele der Kommanditisten der KG die GbR, der bei Gründung nur drei Kommanditisten angehörten, Ausgleichsforderungen einziehen noch gegen welche und wie viele Kommanditisten sich die Forderungseinziehung richten würde. Die Gründung erfolgte daher in der Absicht, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, d.h. bei jedem Beitritt eines weiteren Kommanditisten, gegenüber nicht zahlungsbereiten Kommanditisten, deren Person und Anzahl ebenfalls nicht feststanden, im Wege der Forderungseinziehung tätig zu werden. Angesichts dessen kann vorliegend weder von einem Sonderfall gesprochen werden, in dem nur ausnahmsweise aus besonderen Gründen eine Forderungseinziehung auf fremde Rechnung vorgenommen wird14, noch ist von einer reinen Gelegenheitsgesellschaft auszugehen, deren Gründung und Tätigkeit im Schrifttum unter dem Gesichtspunkt der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten teilweise für zulässig gehalten wird15.

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Diese Bewertung steht in Übereinstimmung damit, dass bei der Einführung des KapitalanlegerMusterverfahrensgesetzes ausdrücklich die Bündelung von Individualansprüchen durch – der hiesigen GbR von der Interessenlage her vergleichbare – Interessengemeinschaften im Wege der Einziehungsermächtigung als mögliche Alternative abgelehnt worden ist, da eine solche Tätigkeit nach Art und Umfang über ein Gelegenheitsgeschäft hinausgehe und damit als geschäftsmäßig im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG anzusehen sei16.

Keine berufsstanndsähnliche Vereinigung

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus frühreren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs17. Die GbR ist auch nicht gemäß Art. 1 § 7 RBerG zur erlaubnisfreien Forderungseinziehung befugt und damit im Sinne einer gewillkürten Prozessstandschaft wirksam ermächtigt. Sie ist keine berufsstandsähnliche Vereinigung im Sinne von Art. 1 § 7 RBerG.

Der GbR fehlt es an dem für die Annahme einer berufstandsähnlichen Vereinigung zwingend erforderlichen, auf Dauer angelegten Gruppeninteresse. Erforderlich ist insoweit, dass die Vereinigung der Förderung von Interessen dient, die einem Berufstand oder einer Interessengruppe eigentümlich sind, bei deren Tätigkeit also weder Interessen der Allgemeinheit noch Einzelinteressen im Vordergrund stehen18. Der Zweck der GbR liegt dagegen vorrangig in der Bündelung der – zudem noch zeitlich begrenzten – Einzelinteressen ihrer Gesellschafter: Einerseits will jeder Gesellschafter durch die Sicherung des Erfolgs der – zeitlich begrenzten – Sanierungsvereinbarung seine persönliche Inanspruchnahme durch die Gläubigerbank verhindern, andererseits will er sich durch die gebündelte Geltendmachung der Ausgleichsansprüche durch die GbR die eigene Mühewaltung und die Kosten einer eigenen Prozessführung gegen die nicht sanierungswilligen Kommanditisten ersparen.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. April 2011 – II ZR 197/09

  1. BGH, Urteile vom 29.11.1961 – V ZR 181/60, BGHZ 36, 187, 191 f.; vom 22.01.1987 – III ZR 26/85, BGHZ 99, 344, 347; vom 19.03.1987 – II ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 219; und vom 18.10.1995 – I ZR 126/93, BGHZ 131, 90, 91[]
  2. BGH, Urteile vom 14.12.1959 – V ZR 197/58, BGHZ 31, 279, 281 ff.; vom 24.02.1994 – VII ZR 34/93, BGHZ 125, 196, 200; vom 10.11.1999 – VIII ZR 78/98, ZIP 2000, 149; und vom 07.07.2008 – II ZR 26/07, ZIP 2008, 2094 Rn. 12 m.w.N.[]
  3. BGH, Urteil vom 10.11.1999 – VIII ZR 78/98, ZIP 2000, 149, 150[]
  4. BGH, Urteil vom 22.12.1988 – VII ZR 129/88, NJW 1989, 1932, 1933[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1959 – V ZR 197/58, BGHZ 31, 279, 281; Urteil vom 10.11.1999 – VIII ZR 78/98, ZIP 2000, 149, 150; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., vor § 50 Rn. 45; Musielak/Weth, ZPO, 08. Aufl., § 51 Rn. 26[]
  6. BGBl. I, 2840[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2008 – XI ZR 413/07, ZIP 2009, 311 Rn. 13[]
  8. BVerfGE 41, 378, 390; 75, 246, 275 f.; BVerfG, NJW 2000, 1251[]
  9. vgl. nur BGH, Urteile vom 16.12. 2002 – II ZR 109/01, BGHZ 153, 214, 220 f.; vom 11.10.2001 – III ZR 182/00, ZIP 2001, 2091, 2093; vom 18.03.2003 – XI ZR 188/02, ZIP 2003, 984, 985; vom 20.04.2004 – XI ZR 164/03, WM 2004, 1227, 1228; und vom 19.09. 2006 – XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 Rn. 32[]
  10. BGH, Urteil vom 06.11.1973 – VI ZR 194/71, BGHZ 61, 317, 320 f.; Rennen/Caliebe, RBerG, 03. Aufl., Art. 1 § 1 Rn. 29 m.w.N.[]
  11. st. Rspr., BGH, Urteile vom 26.07.2001 – III ZR 172/00, BGHZ 148, 313, 317; vom 17.02.2000 – IX ZR 50/98, WM 2000, 1342, 1344; und vom 09.04.2002 – X ZR 228/00, WM 2002, 1085, 1086; Beschluss vom 05.11.2004 – BLw 11/04, WM 2005, 102, 103 jew. m.w.N.[]
  12. Rennen/Caliebe, aaO Art. 1 § 1 Rn. 56; Weth in Henssler/Prütting, BRAO, 02. Aufl., Art 1 § 1 RBerG Rn. 35 ff.; Chemnitz/ Johnigk, RBerG, 11. Aufl., Art. 1 § 1 Rn. 102 ff. jew. m.w.N.[]
  13. BGH, Urteile vom 05.01.1985 – IVa ZR 53/83, WM 1985, 1274, 1276; und vom 17.02.2000 – IX ZR 50/98, WM 2000, 1342, 1344; Beschluss vom 05.11.2004 – BLw 11/04, WM 2005, 102, 103; Rennen/Caliebe, aaO Art. 1 § 1 Rn. 58 m.w.N.[]
  14. vgl. zu einem solchen Sonderfall etwa BGH, Beschluss vom 05.11.2004 – BLw 11/04, WM 2005, 102, 103 m.w.N.[]
  15. siehe hierzu etwa MünchKomm-BGB/Ulmer, 5. Aufl., vor § 705 Rn. 71b; Koch, NJW 2006, 1469 ff.; Mann, NJW 2010, 2391 ff.[]
  16. vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Einführung von KapitalanlegerMusterverfahren, BT-Drucks. 15/5091 S. 14[]
  17. BGH, Urteile vom 17.02.1983 – I ZR 194/80, GRUR 1983, 379 – Geldmafiosi; vom 13.11.2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165; vom 11.05.2004 – KZR 37/02, GRUR 2004, 763 – Nachbauvergütung; und vom 30.03.2005 – X ZR 191/03, GRUR 2005, 668 – Aufbereiter[]
  18. Rennen/Caliebe, aaO Art. 1 § 7 Rn. 8 ff.; Weth in Henssler/Prütting, aaO Art. 1 § 7 RBerG Rn. 12 f., 16; Chemnitz/ Johnigk, aaO Art. 1 § 7 Rn. 676 jew. m.w.N.[]
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